Kunstdrucke mit Motiven von Roerich Nicholas und Roerich Svetoslav

 

 


Briefe von Helena Roerich, Band 1, 1929 - 1935 >> 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10


27. Januar 1933

       Herzlichen Dank für Ihren Brief, in dem Sie sehr angenehme Bestrebungen zum Ausdruck bringen. Ich will versuchen, alle Punkte zu beantworten.

       1.) Ihre Meinung, daß die ”Kulturliga” von starken Persönlichkeiten bekämpft werden könnte, kann sich nur auf die ganz Unwissenden beziehen, welche die bedeutende Idee einer Kulturliga nicht erkennen. Jedoch, wenn Sie erklären, daß der Zweck der Liga die Verfeinerung des Bewußtseins durch wahre geistige Erleuchtung ist und daher echte Individualität nicht zerstören kann, wird wohl kaum jemand an Bekämpfung denken – das sind unwissende Vorstellungen. Verfeinerung des Denkens ist in der Tat ohne ausgeprägte Individualität nicht möglich. Die Schwierigkeit liegt darin, daß die Menschen Individualität immer mit Ichsucht verwechseln. Letztere schließt Zusammenarbeit aus und ist daher unsozial.

       Es ist sehr wichtig, zwischen diesen großen entgegengesetzten Begriffen: Selbstsucht und Individualität – unterscheiden zu lernen. Selbstsucht ist die schrecklichste Geißel der Menschheit, die Quelle der Zerstörung und vor allem der Selbstzerstörung. Selbstsucht ist tödlicher Separatismus. Die alte Wahrheit, daß der Kosmos und seine Menschheit ein wesentliches Ganzes bilden, wird wirklich wenig erkannt, doch sie sollte in das Bewußtsein der Menschen eingehen. Was würde geschehen, wenn jemand versuchte, ein Körperglied vom ganzen Organismus zu trennen! Individualität ist ein lebenserhaltendes Gefäß. Individualität ist Schönheit, ist die Krone des Menschen, die Synthese aller seiner Aufspeicherungen. Doch wie kann er aufspeichern, wenn er sich von allen anderen Lebenserhaltern absondert? Individualität ist wie von der Biene ”Mensch” von besten Blumen verschiedener Wiesen gesammelter Honig. Doch wie kann eine Person Honig sammeln, die sich selbst in die Finsternis der Selbstsucht sperrt?

       Der Gedanke an die Kulturliga ist mehr als zeitgemäß. Es gibt auf der einen Seite ungeheure tödliche Erscheinungen von Selbstsucht, auf der anderen nicht minder schrecklichen groben Materialismus, der das schöpferische Feuer des Geistes hemmt, der entpersönlicht und durch Herabsetzung des Menschen bis zur Nichtigkeit nivelliert. Die Kulturliga sollte Erziehungsprobleme im Licht der neuen Geistigkeit beleuchten. So würde die heranwachsende Generation eine neue Auffassung über Erziehung erhalten und die wahren Werte des menschlichen Geistes schätzen lernen, die in vielen Fällen vollkommen verlorengegangen sind. Und so mögen kleine Gruppen der Kulturliga gebildet werden. Mit der Zeit werden sie sich entwickeln, doch diese Gruppen mögen die ungeheure Bedeutung ihrer Aufgabe erkennen. Bedrohlich und hartherzig ist unsere Zeit, und die erkennenden Persönlichkeiten jedes Landes sollten alle geistigen Mittel aufwenden, um sich dem Aberglauben zu widersetzen. Zweifellos sucht jeder einen Ausweg aus dieser Verwirrung, doch die Mehrheit rennt mechanischen Lösungen nach, vergessend, daß die wahre Änderung nur durch Bewußtseinserweiterung und Annahme der geistigen Führerschaft erreicht werden kann. Es ist gesagt, daß die Lebensprobleme nur durch Bewußtseinserweiterung gelöst werden können. Man kann sehen, wie mechanische Hypothesen die Hoffnungen der Menschen irreführen. Es ist das, was die Alten ”Maja” nannten – eben das, was durch den seichtesten Schlag zerstört werden kann.

       2.) Sie schreiben, daß die Mitglieder Ihrer Gruppe sich sehr voneinander unterscheiden. Doch darüber sollten Sie weder besorgt sein noch sollten Sie zu streng urteilen. Jeder hat seine eigene Art der Annäherung. Wieder möchte ich Worte aus der Lehre zitieren: ”Manche wählen das Leichteste, andere ziehen das Schwerste vor. Manche können nicht sprechen, doch sie sind sehr scharfsichtig. Andere sind mit Worten beschenkt und fliegen ihnen nach. Einige erkennen das Bedeutsame, doch es gibt andere, die es vorziehen, im Hintergrund zu bleiben. Endlos können Wir diese Unterschiede aufzählen, doch nur das Feuer des Herzens wird die Person rechtfertigen. So werden Wir nie müde, über die Verschiedenartigkeit zu sprechen. Der Gärtner weiß, wie er seine Pflanzen einsetzen muß, sonst wäre er nicht der Meister des Gartens.”

       Beachten Sie die Worte: ”Nur das Feuer des Herzens wird die Person rechtfertigen”. Deshalb sollte besondere Sorgfalt dem zugewendet werden, bei dem die Feuer der Hingabe entflammt sind. Es macht nichts, wenn sie anfangs fanatisch sind. Wenn die Schüler die Lehre des Lebens besser begreifen, wird sich ihr Bewußtsein weiten; durch wahre Hingabe, welche wirklich eine Sublimation des Fanatismus ist, werden sie entflammt werden. Kostbar sind die entflammten Feuer! Die Schüler haben ganz recht in ihrem Wunsch, anderen Lesestoff beiseite zu legen und sich nur auf die Bücher der Lehre zu konzentrieren, um ihr Denken nicht zu zersplittern. Für den ernsten Studierenden, der ein Schüler der Hohen Hierarchie und nicht nur ein Hörer bleiben will, ist eine solche völlige Versenkung auf den ersten Stufen der Hingabe sehr wesentlich; sie sollte solange fortgesetzt werden, bis völlige Erkenntnis erlangt wird. Wie kann ein Schüler sonst die Vereinigung mit dem Bewußtsein seines Lehrers erreichen? Wie kann er sonst den silbernen Faden weben, der ihn mit seinem Lehrer vereint? Wie Sie bereits wissen, erschließt nur diese Vereinigung mit dem Lehrer alle Möglichkeiten. Und diese Vereinigung wird durch hartnäckigste Anstrengungen und unermüdliches Streben zu dem Einen Brennpunkt gebildet. Auch eine zarte Pflanze wird eingezäunt, damit sie keinen Schaden erleidet.

       Jene, welche die Worte der Lehre auswendig lernen, haben nicht unrecht. Auch in der Schule lernen die Schüler den Stoff auswendig, um ihr Gedächtnis zu stärken. So kann auch die Lehre, wenn das Bewußtsein entflammt ist, durch kurze feste Formeln gefestigt werden. Für manche ist es leichter, durch Auswendiglernen des Originals den Sinn zu erfassen. Hindert niemanden daran, den Pfad seines Karma zu beschreiten! ”Wenn in einer Person die eigenen Feuer entflammt sind, ist es besser, nicht zu zwingen!” – so spricht die Lehre.

       Sie haben daher recht, wenn Sie diese Feuer der Hingabe nicht ersticken; mögen sie brennen. Ihr Brennen ist bereits eine Reinigung der umgebenden Atmosphäre. Und wer weiß, wie viele andere kleine Feuer sie entzünden können, ohne es zu wissen! Stark ist die Macht der Feuer des Herzens, obgleich sie unsichtbar sind.

       Im Osten versichern einem die Leute, daß die Anwesenheit eines Bhakti Yogi den Raum im Umkreis von vielen Meilen so stark reinigt und heiligt, daß die umliegenden Dörfer geistig erhoben werden. So wollen wir jede Erscheinung der selbstlosen Liebe schätzen.

       3.) Nun zu Ihrer Frage, wie man die rechte Information über die Ereignisse erlangt. Ich will mit den Worten der Lehre antworten: ”Der Guru kann seine Schüler fragen ‚Was machst Du‘… ‚Was wünschst Du Dir‘… ‚Was quält Dich‘… ‚Was erfreut Dich‘? Diese Fragen besagen nicht, daß der Guru die Zustände des Schülers nicht kennt. Im Gegenteil, mit vollem Wissen will der Guru erfahren, was der Schüler selbst als das Wichtigste betrachtet. Aus Mangel an Erfahrung mag der Schüler auf den unbedeutendsten aller Umstände hinweisen. Daher fragt der Lehrer nicht nur aus Höflichkeit, sondern als Bewußtseinsprüfung für den Schüler. Deshalb sollte man die Antworten an den Lehrer sorgfältig abwägen. Nicht die sogenannten Annehmlichkeiten sind von Bedeutung, sondern für den Lehrer ist die ständige Bewußtseinsentwicklung wichtig.”

       Der Schüler muß auch an die Teilbarkeit des Geistes denken. ”Man muß im Bewußtsein so bestrebt sein, daß man im Geist die Anwesenheit des Lehrers erkennt.” (Feurige Welt, Bd. I)

       Sie sollten in der Lehre über die Teilbarkeit des Geistes lesen. Alles, so auch die Teilbarkeit des Geistes, hat verschiedene Grade, doch bei Entwicklung erreicht sie manchmal einen kosmischen Maßstab, und dann ist ihre Nutzung wirklich vielfältig. Nicht immer ist es möglich, im physischen Gehirn alle Eindrücke im Detail festzuhalten, da in der verunreinigten Atmosphäre das Herz dies nicht aushalten könnte. Nichtsdestoweniger können die Ereignisse heftig gefühlt werden. N. K. und ich wissen zum Beispiel immer über die akuten Augenblicke im Leben unserer Mitarbeiter Bescheid. Manchmal ist dieses Wissen so greifbar, ein andermal sind es bestimmte schmerzliche Gefühle, die mit den bestimmten Ereignissen zeitlich ganz genau übereinstimmen. Ebenso oft fühlen wir dann, als würde unsere psychische Energie sich entfernen. Oft nehmen wir ganz weit voraus die Ergebnisse wahr. Wir sind oft so stark in Anspruch genommen, daß wir sogar Schwindelgefühle und eine flüchtige Abwesenheit verspüren. Dann wissen wir mit Bestimmtheit, daß unsere Energie wo anders gebraucht wurde. Vielfältig sind die Erscheinungen der Teilbarkeit des Geistes!

       Im Leben des Schülers gibt es viele Geheimnisse. Wahre Schülerschaft verfeinert alle Gefühle eines Schülers. Wahrlich, er wird zur goldenen Harfe unter der Hand des Lehrers. So viel Freude verleiht die Vereinigung im Bewußtsein. Wir haben viele ständige Beweise einer solchen Vereinigung mit unseren alten Mitarbeitern. Oft hören wir ihre Stimmen und kennen ihre Schwierigkeiten. Wir sehen auch das Bild ihres Geistes. Immer geben unsere Briefe auf ihre Nöte Antwort, obgleich sie wissen, welche Entfernung uns trennt.

       Wir sind von vielen Wundern umgeben; wir müssen sie nur wahrnehmen. Wahrlich, wundervoll ist das Leben eines Schülers. Doch es ist nicht leicht, denn er trägt eine ungeheure Verantwortung, und es gibt so viele Schwierigkeiten, besonders in den Tagen des Harmagedons, wenn alle Finsteren versuchen, ihn anzugreifen. Doch mit der Bewußtseinsentwicklung verwandeln sich diese Schwierigkeiten in Freude, weil das Herz, erfüllt von Ergebenheit zum Lehrer, durch Bewältigung dieser Hindernisse seine Hingabe erproben will. Selbstaufopferung wird so natürlich, so voller Freude. Der ganze Geist ist bereits von irdischen Dingen so gelöst und erkennt, wo seine wahre Heimat ist. Das einzige, was übrigbleibt, ist der Wunsch, die Aufgabe so gut wie möglich zu erfüllen, um das Vertrauen des Lehrers zu rechtfertigen, ohne Sorge um die Ergebnisse. Im Osten sagt man: ”Wir müssen arbeiten, ohne die Ergebnisse zu kennen.” Ich verstehe es in der Art, daß wir es lernen müssen, unsere Arbeit so gut wie möglich zu verrichten, und zwar aus Liebe und nicht um des Lohnes willen. Nur dann wird unsere Arbeit schön sein. Der Schlüssel zu allen Errungenschaften liegt in solch selbstloser Liebe für jede von uns verrichtete Arbeit.

       4.) Nun zu Ihrer Bemerkung, daß ”die Lehre das ganze Leben in Anspruch nimmt und nicht nur mit einer Anzahl von Büchern in Zusammenhang steht”. Ich muß zustimmen, das Leben ist der beste Lehrmeister, und ohne Leben kann nichts erfahren werden. Doch jemand muß unsere Augen öffnen, und ohne das führende Prinzip würde die ganze Evolution für endlose Zeiten gebremst werden. Daher sind die Bücher der Lehre so wichtig. In präzisen Formeln sind hier das Grundwissen und die in Zeitaltern gesammelten vielfachen Erfahrungen niedergelegt. In den Büchern der Lehre wird ein studierender Schüler auf die schwierigsten Lebensprobleme Antwort finden. Von verschiedenen Gesichtspunkten aus beleuchtet sind auch viele konkrete Bestätigungen auf allen Gebieten der Wissenschaft. Und der richtige Zugang zur Wissenschaft kann nur nach ernsthafter vielseitiger Aneignung der Lehre gefunden werden. Nur dann können wir uns auf das Wichtigste konzentrieren, ohne unnütze Jahre auf einem falschen Pfad zu verbringen.

       Die Bücher der Lehre, die natürlich alle Perlen des Ostens beinhalten, sowie die ”Geheimlehre” und ”Die Briefe der Mahatmas” spenden dem Geist und Gemüt wahre Nahrung, und es ist zweifelhaft, ob ein Leben ausreicht, dies alles gründlich zu studieren. Die Geheimlehre kennend, auch wenn nicht vollständig, freuen wir uns, wenn wir sehen, daß die Wissenschaft durch neue Entdeckungen immer mehr und mehr bestätigt, was uns in diesen Bänden gegeben wurde. Ich persönlich ziehe es deshalb vor, mich gründlich mit der Lehre vertraut zu machen. Sie bewahrt vor Rückschritt oder vor noch Ärgerem, nämlich davor, in den eigenen Berechnungen nicht richtig zu liegen. Wir sind bereit, alle Bereiche der Wissenschaft aufzunehmen, besonders wenn sie von orthodoxer wissenschaftlicher Beschränkung frei sind. Vorurteile und Aberglauben können in der Wissenschaft noch stärker vertreten sein als in der Religion. Doch um sich von solchen Vorurteilen und Aberglauben zu befreien, ist es notwendig, den Weg der Lehre zu befolgen, der klar und streng den Aufstieg zur Synthese wahren Wissens aufzeigt.

       So versuchen Sie, in Fragen des Aberglaubens und der Vorurteile richtig zu unterscheiden! Und bitte, glauben Sie nicht, daß ich im allgemeinen gegen andere Bücher bin. Ich muß jedoch sagen, daß es wenige gute Bücher gibt, und selbst die besten enthalten, neben schönen Seiten, oft eine Menge schädlichen Unsinns. Deshalb ist es sehr wichtig, ein unvoreingenommenes offenes Bewußtsein zu pflegen und die Fähigkeit des Unterscheidungsvermögens zu erlangen.

       Nun dürfte ich alle Ihre Fragen beantwortet haben. Denken Sie bitte daran, daß es mich immer freut, soviel wie möglich beantworten zu können. Sollten Sie nicht allem zustimmen, bringen Sie Ihre Einwände. Meinungsaustausch ist immer nützlich, denn er schärft das Denken. Und so wollen wir uns von jedem Zwang freihalten und größte Toleranz, Fürsorge und Wohltätigkeit offenbaren. Möge jeder sich seinen Fähigkeiten entsprechend entwickeln. Nur vorsichtige Berührungen sind gestattet, sonst könnten wir eine Nachtigall aufschrecken, die unseren Garten besucht!

10. Mai 1933

       Meiden Sie den Schlaf nicht. Schlaf ist wohltätig und für die Nahrung unseres feinstofflichen Körpers absolut notwendig. Nur während des Schlafes können wir ihn leicht verlassen und ihn intensiv mit den feinsten Energien nähren, abgesehen von den großen Lektionen, die wir in diesem Zustand erhalten. Wir lernen nicht nur, in verschiedene Sphären einzudringen, sondern wir erfüllen auch die Aufträge unseres Lehrers, und oft nehmen wir an Kämpfen gegen finstere Kräfte teil. Warum sollten wir uns eines so großen Vorrechts berauben, das vor allem den Schülern der Großen Weißen Bruderschaft eingeräumt ist?

       Alles Erzwungene widerspricht der Lehre des Lichts. Wenn es notwendig erscheint, unser Nahrungsbedürfnis zu vermindern, wird der Organismus es anzeigen. Das gleiche gilt für den Schlaf. Oft ist die Arbeit in der Feinstofflichen Welt von größerer Bedeutung als die Arbeit in der physischen Welt.

       Die Lehre sagt, daß wir beim Übergang in den Schlafzustand in die jenseitigen Welten eintreten; und dies sollte sich ganz natürlich vollziehen. Wir müssen nur üben, auf der Hut und aufmerksam zu sein, und die Feinstoffliche Welt wird sich uns in dem Moment erschließen, wo wir das Nötige, was wir brauchen, sehen und hören. Wenn ich mein eigenes Experiment, das auf Weisung und unter Aufsicht des Lehrers ausgeführt wurde, beschleunigen wollte, pflegte ich zu bitten ”Was kann ich tun? Welches Verfahren ist für den Zweck das beste?” etc. Ich erhielt immer die gleiche Antwort: ”Bleibe nur gelassen”. In dieser Gelassenheit und Ausgeglichenheit liegt das ganze Geheimnis der Errungenschaft. Und jetzt, in den Tagen des furchtbaren Kampfes der Kräfte des Lichts gegen die Finsternis, hören wir das gleiche: ”Seid vorsichtig, hütet eure Gesundheit; das ist das Wichtigste.”

       Sie sollten auch daran denken, daß die Ströme sehr schwer sind und für alle feinfühligen Organismen zeitweilig Seelenqualen, Schwindelgefühl und Depression hervorrufen. Doch den Grund für solche Depressionen kennend, sollten Sie geduldig den Wechsel der Ströme und ihre neue Richtung abwarten. Und so, mein Lieber, betrachten Sie diese periodischen Seelenqualen und Depressionen nicht als Untertauchen des Geistes, d. h. als Fehler und Unbeständigkeit. Viel öfter sind sie die Folge wechselnder Ströme. Es ist darauf hingewiesen, daß ”diese Ströme wie ein Klirren von Schwertern” sind. Laßt uns immer an das große Glück denken, Mitarbeiter der Kräfte des Lichts zu sein. Der in Liebe ausgesprochene Name des Großen Lehrers wird uns immer schützen.

       An keiner Stelle behauptet die Lehre, daß es wünschenswert oder möglich wäre, ohne Schlaf auszukommen. Das einzige, das erwähnt wurde, ist, daß es in Höhen von 21.000 Fuß möglich ist, fast ohne Schlaf auszukommen. Doch wo gibt es Leute, die in solchen Höhen leben und leben können? Auf unserer Reise durch Zentralasien haben wir die Richtigkeit des Gesagten bestätigt gefunden. Doch das Wohnen in den Tälern verlangt nach Schlaf. Als wir z. B. in Städten weilten, wurde uns gesagt, nicht weniger als sieben oder acht Stunden zu schlafen. Das gleiche gilt für die Nahrung. In den Höhen sollte die Nahrungsmenge herabgesetzt werden; und dies geschieht ganz natürlich, weil der Organismus nicht viel verlangt. Doch in den unreinen Städten ist Nahrung erforderlich.

       Auch in Höhen von 7.000 Fuß, während eines Experiments mit feuriger Energie, war ein größerer Gewichtsumfang angezeigt, damit die Nerven nicht zu sehr freiliegen. In alten Lehren wird immer auf den ”Goldenen Mittelweg” oder das Gleichgewicht hingewiesen. Und von jenen, die sich dem großen Wissen nähern wollen, wird erwartet, daß sie nicht dem Extrem verfallen. Nichts wird so entstellt wie der Begriff Gleichgewicht. Es scheint, daß dies bei den Leuten hauptsächlich wegen der Schwierigkeit, Disziplin zu üben, geschehen ist und noch geschieht. Es scheint für sie leichter zu sein, ins Extrem zu verfallen, sich einem erschöpfenden Fasten hinzugeben und sich Fesseln aufzuerlegen, sowie allgemein Strenge zu üben, als Wachsamkeit und Selbstbeherrschung zusammen mit voller Erhaltung der Kraft zu erlangen. Doch ohne Selbstbeherrschung kann nichts erreicht werden.

       Und wieder muß ich hinzufügen, daß Nahrung und Schlaf absolut notwendig sind, daß es aber verschiedene Normen für verschiedene Organismen gibt. Es ist ratsam, als warnendes Zeichen auf plötzlichen Kräfteverfall zu achten, nicht erst, wenn er allmählich offensichtlich wird. Deshalb vermeiden Sie jeden Abbau, und versuchen Sie mit all Ihrer Macht, die kostbare Substanz der feurigen Energie zu erhalten.

19. Juni 1933

       Ich erhielt Ihren ”Aufruf an die Frauen” und muß sagen, daß ich ihn sehr gutheiße. Es ist gerade das, was notwendig ist und wie Sie sagen, wird er an das Bewußtsein der Menschen appellieren. Es ist wirklich notwendig, diesen Aufruf soweit wie möglich zu verbreiten, damit die Ideen von vielen aufgenommen werden. Die Zeit ist kurz und manchmal fürchte ich, daß wir nicht alles werden erfüllen können. Die neue Welt naht, und wir müssen Gruppen von Menschen vorbereiten, die imstande sind, die neuen Vorstellungen einzuführen. Das Erwachen der Frau geht auf der ganzen Welt vor sich. Schon seit 1920 begannen die Frauen des Fernen Ostens, für ihre Rechte zu kämpfen und das gleiche trifft für die Frauen Indiens zu. Die indischen Frauen erreichen trotz Schwierigkeiten wunderbare Ergebnisse.

* * *

       In dem mir zur Begutachtung übergebenen Satz wäre es mir lieber, wenn Sie das Wort ”kriegerisch” durch das Wort ”angriffsfreudig” ersetzen würden – wenn Sie nichts dagegen haben. Erstens, weil in diesem besonderen Fall das Wort ”angriffsfreudig” einen größeren Schwung hat, und zweitens, weil ich persönlich den Begriff Krieger sehr liebe und man ihn nicht im negativen Sinn verwenden kann. In allen religiösen Lehren werden die Menschen, die den geistigen Pfad beschreiten, Krieger genannt. Alle Bodhisattvas und auch Buddha sieht man auf den meisten heiligen Bildern mit einem Schwert in der Hand oder neben sich – als unverletzliches Attribut.

       Denken wir an unsere eigenen Heiligen – Michael, den Archistrategen und den Hl. Georg, den Siegreichen. Auch an den großen Beschützer und Erzieher des russischen Landes, den Hl. Sergius von Radonega – segnete er nicht Prinz Dmitry zu Beginn des großen historischen Kampfes gegen die Tartaren, und sandte er nicht seine eigenen Mönche zu Hilfe? Wahrlich, sind nicht alle heldenhaften Weisen Krieger für das Allgemeinwohl? Und hören wir nicht oft von den gegen die Finsternis und die satanischen Horden ausgesandten leuchtenden Pfeilen? Der Kampf gegen das Chaos ist die wahre Lebensgrundlage des Kosmos. Und dieser Kampf verstärkt die Spannung im Verhältnis zum Aufstieg und wechselt nur in der Qualität und in den Motiven. Nichts ist vergleichbar mit der Härte des Kampfes gegen das unsichtbare Chaos.

       Ich will eine Seite aus der Lehre zitieren: ”Manche Menschen mögen denken, wie leicht es für die Herrscher ist, wenn Sie die Grenzen der irdischen Lasten überschritten haben! Doch wer immer dies ausspricht, kennt den Bereich der Wirklichkeit nicht. Genauso wie es auf Erden ist, so ist es auch im Himmel. Die irdischen Lasten werden zurückgelassen, doch unvergleichliche kosmische Sorgen nehmen ihre Stelle ein. Wirklich, so schwer es auf Erden ist, um so schwerer ist es im Himmel. Laßt uns die Augenblicke des Devachan nicht zählen, wenn Illusion die morgige Arbeit verdeckt. Doch die Tätigkeit inmitten des Chaos kann nicht leicht sein. Ihr leidet durch Finsternis und Chaos. In allen Aufenthaltsorten ist es aus vielen Aspekten der Finsternis und desselben Chaos genauso schwer.

       Doch glücklicherweise fühlt ihr nur die Angriffe des Chaos und seht nicht seine düsteren Bewegungen. Freilich, wegen der Unwissenheit und ihrer sklavischen Unterwürfigkeit der Finsternis ist es schwer für die Menschen. Aber besonders schwer ist es, wenn man die Bewegungen der Massen der Materie sieht, die sich in Chaos verwandelt. Wenn das zerstörerische unterirdische Feuer versucht, die Erdkruste vorzeitig zu durchdringen, oder wenn die Gasschichten den Raum vergiften, überschreiten die Schwierigkeiten jede irdische Vorstellung. Nicht Lasten, sondern nur Vergleiche helfen jetzt über die Schwierigkeiten zu sprechen, denn die Unwissenden denken, daß Hymnen und Harfen das Los der Himmelsbewohner sind. Solch ein Irrtum muß zerstreut werden. Nirgendwo gibt es Hinweise, daß es nur auf der Erde schwer ist; zum Vergleich muß gesagt werden – wenn man hier von Teufeln belästigt wird, so wird der Erzengel vom Satan selbst bedroht. So muß man die Tat und die immerwährende Schlacht mit dem Chaos verstehen. Man muß es als den einzigen Pfad erkennen und lieben lernen als das Zeichen des Vertrauens des Schöpfers.” (Feurige Welt, Bd. II)

       Deshalb liebe ich das Wort ”Krieger” so und bewundere jede heldenhafte und mutige Tat. Von Natur bin ich selbst ganz mutig und kriegerisch. Nirgends ist gesagt, daß wir uns dem Übel nicht widersetzen sollen, und hat nicht selbst Christus jene davongetrieben, die spotteten und die Heiligkeit des Tempels verletzten?

       Daher muß jede Mutter ihre Kinder im Geist großer Taten, Heldentat und Selbstverleugnung für das Allgemeinwohl erziehen. Dies ist keine Billigung des Krieges im üblichen Sinn, doch wir können uns nicht täuschen – wir leben inmitten des schrecklichsten und vernichtendsten aller Kriege, denn der geistige Krieg ist weit erbitterter als jeder andere. Daher ist es so wichtig, Mut und Furchtlosigkeit zu pflegen, die Eigenschaften, die der Schüler der Meister des Lichts vor allem entwickeln sollte. Jedoch, wenn eine starke Verbindung mit der Hierarchie besteht, bilden sich Mut und Furchtlosigkeit vollkommen von selbst, da die Hand der Hierarchie die Menschen immer vor Gefahr zurückhalten und den Weg des Sieges aufzeigen wird. Doch ich wiederhole, dies ist nur dann so, wenn das Bild des Meisters ständig im Gedächtnis gehalten wird. Öfter als einmal hatten wir Gelegenheit, diese wundervolle Einwirkung zu erfahren. In einem Moment der Gefahr wurden wir plötzlich außerordentlich ruhig, und wir wußten, daß alles gut ausgehen würde.

       Ich persönlich ziehe die mutige selbstaufopfernde Erfüllung einer patriotischen Pflicht dem Verhalten der heutigen Jugend eines bestimmten Landes vor, die sich in einer Resolution äußert, im Kriegsfall für ihr Land nicht zu kämpfen. Sie mögen fragen, wie sich dies mit dem Friedensbanner verhält, und sie mögen auch denken, daß ich insgeheim eine Befürworterin des Krieges wäre! Nein, für mich ist Krieg unaussprechlich schrecklich! Ich kann mir keine schlimmere Manifestation der Unwissenheit vorstellen! Doch da wir in einer Welt leben, in der die physische Macht noch höher eingeschätzt wird, müssen wir der jungen Generation den Gedanken der Ungesetzlichkeit des Tötens und der Gewalttätigkeit einflößen, doch gleichzeitig müssen wir lehren, sich nicht davor zu fürchten, die Pflicht für sein Land zu erfüllen, da dies schön und mutig ist. Wer wollte ein wehrloses Schaf gegen einen Wolf oder Tiger sein? Aber Tiger und Wölfe lauern in jeder ungeschützten Ecke. Solange es keine wirkliche Zusammenarbeit unter den Völkern gibt, werden wir ständig von Kriegen und Angriffen bedroht sein. Nur die Weltliga der Kultur könnte, richtig verstanden, die vielen Probleme der Zukunft, die heute unlösbar scheinen, lösen.

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       Mögen die Frauen im Kampf um ihre Rechte an den so notwendigen Mut denken. Doch mögen sie Mut nicht als Gewalttätigkeit verstehen, wie im Fall der Suffragetten, die Fenster einschlugen und Briefkästen verbrannten! Solche Maßnahmen sind sehr häßlich. Doch es gibt andere Wege, um wirklichen Mut zu zeigen. Vor allem wird dies im ernsten Streben nach Wissen und Schönheit zum Allgemeinwohl sein.

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       Laßt uns jetzt über das Gefühlswissen sprechen. Jemand sagte: ”Oft hat eine einfache Frau ein besseres Gefühlswissen als eine Universitätsabgängerin.” Hier muß ich bemerken, daß solch eine Frau vielleicht in dem Sinne ”einfach” ist, als sie keine soziale Stellung oder Ausbildung besitzt, doch nicht einfach in dem Sinne, daß es an geistiger Gelassenheit mangelt. Die Menschen verwechseln meist das Gefühlswissen, das ein Ergebnis von Erfahrungen vieler Inkarnationen ist, mit einem bestimmten Psychismus. Dieser offenbart sich in mehr oder weniger richtigen Vorahnungen, Träumen und bestimmten, dem Bewußtsein entsprechenden Wahrnehmungen des astralen Planes. Auf der anderen Seite erkennt Gefühlswissen unfehlbar, es erkennt geradezu das Wesen der Dinge, sowohl die Richtung der Evolution als auch die Zukunft. Gefühlswissen ist die Synthese der Geistigkeit, und natürlich besitzt es nur ein entwickelter Geist mit einem gespeicherten Kelch, unbekümmert dessen, wie bescheiden seine Stellung im Leben ist. Oft wird die bescheidene Stellung zweckdienlich für eine bestimmte Aufgabe gewählt. Wer der Stimme seines Herzens lauscht, wird um so leichter sein Gefühlswissen erwecken. Das Herz ist der beste Lehrer in allen Lebensfragen.

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       Und jetzt wollen wir uns dem Thema Abtreibung zuwenden. Sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen, ist jetzt sehr zeitgemäß. Hier erscheinen laufend die schauderhaftesten Artikel darüber, und einige von ihnen sind mit der Billigung des Klerus geschrieben. Zu diesem Thema möchte ich einige Paragraphen aus der Lehre anführen: ”Im Moment der Empfängnis erhält der Geist Verbindung mit dem Embryo. Er tritt zu Beginn des vierten Monats ein, wenn sich die ersten Nerven- und Gehirnkanäle bilden. Mit der Kräftigung der Wirbelsäule setzt die nächste Stufe der Besitzergreifung des Körpers ein. Wundervoll ist der Moment der Geburt, wenn das Bewußtsein des Geistes leuchtend aufblitzt und sich dann mit der Materie verbindet. Es gibt auch Fälle,wo bei der Geburt Worte gesprochen werden. Die endgültige Besitzergreifung des Körpers findet im siebenten Lebensjahr des Kindes statt.” Es ist gesagt: ”Genauso, wie die Hungernden zur Nahrung getrieben werden, so wird der Geist zur Inkarnation gelenkt, denn nur die Materie kann neue Impulse verleihen.”

       Ist es daher nicht hart, wie viele Leiden der zur Inkarnation vorbereitete Geist auf sich nimmt durch den erzwungenen Abbruch von bereits begonnenem Leben, wodurch die von Karma geplante Inkarnation verhindert wird? Welch ein schweres Karma bereiten sich die unwissenden und verbrecherischen Eltern!

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       Ich möchte mir erlauben, einige Worte über die Kunst von N. K. hinzuzufügen. Seine Kunst wird wegen ihrer Reinheit, Durchsichtigkeit und einer unendlichen Mannigfaltigkeit an Farbenkombinationen geschätzt, die zusammen mit einer ungewöhnlichen Macht und Tiefe des Tones wirken. Jedes Gemälde ist eine schöne, harmonische Farbensymphonie. Wir wissen, daß die Farben, die Schattierungen und ihre Harmonie auf den Betrachter eine okkulte Wirkung ausüben. Es ist bekannt, daß schöne Gemälde Heilkraft ausstrahlen; und wir hatten viele Gelegenheiten, dies zu bezeugen. Für solche Wirkungen muß man jedoch ein offenes Herz und ein offenes Auge besitzen. Es ist gesagt: ”Wenn Finsternis in uns ist, kann es sein, daß wir vor den schönsten Kunstwerken in tiefer Finsternis verharren.”

       Doch nicht weniger Beachtung sollte der außergewöhnlichen Begabung von N. K. für Komposition geschenkt werden, die in ihrer Art ganz selten ist. Alle eigenartigen – um es gelinde auszudrücken: Abweichungen im Leben der Kunst, die wir zeitweilig bemerken, entstehen hauptsächlich aus Mangel an Begabung für Komposition. Doch jedes Werk von N. K. fällt auf durch seine Harmonie in der Kombination aller seiner Teile, und diese Harmonie verleiht wirkliche Überzeugungskraft. Es kann weder etwas hinzugefügt noch hinweggenommen werden. Alles ist gerade recht. Diese Harmonie von Formgebung und Farbe, diese Meisterschaft ist jene Gabe, die einem großen Schöpfer eigen ist. Die Werke von N. K. sind vor allem auch wegen der Schönheit ihrer Gedanken, die in Erhabenheit doch einfach und manchmal tief ergreifend in den Bildnissen zum Ausdruck kommen, unvergleichlich.

       Für mich, einer ständigen Zeugin seiner Kunst, ist sie eine Quelle nie endender Bewunderung – die unerschöpflichen Gedanken, kombiniert mit Kühnheit und unerwarteten Farbkombinationen! Genauso bemerkenswert ist die Leichtigkeit und Sicherheit, mit der er seine Bilder entwirft. Sie sprechen wirklich, leben auf seiner Leinwand, und sehr selten mußte er von seiner ersten Skizze etwas ändern oder weglassen.Wahrlich, den Verlauf seines Schaffens verfolgend, weiß man nicht, was bewunderungswürdiger ist – die Schönheit des Gemäldes oder die Meisterschaft der Ausführung.

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       Ich stimme nicht zu, daß es der griechischen Kunst an Geistigkeit mangelt. Ich glaube, daß die Geistigkeit der alten Griechen höher war als unsere heutige, was durch ihre hohe Philosophie und die Leistungen ihrer großen Schaffenden, Schöpfer und Denker bewiesen ist. Ihre Philosophie brachte große Ideen in schöne edle Formen. Es scheint mir, daß wir es sind, denen die Geistigkeit verlorenging und damit die Fähigkeit und der Sinn, Schönheit zu schätzen. Die Tatsache, daß Kunst der Ausdruck des Charakters eines Volkes und der Bedingungen der Natur ist, aus denen sie hervorging und sich entwickelte, wird von anderen Menschen, die in unterschiedlicher Umgebung leben und schaffen, sehr oft nicht verstanden. Zum Beispiel würde die Marmorstatue der Griechen nicht in unser nördliches Klima passen, doch sie war schön unter der strahlenden Sonne, auf dem purpurnen Sand mit einem Hintergrund von türkisblauer See und den dunklen Zypressen Griechenlands.

       Kunst in all ihren Offenbarungen und in all ihren herkömmlichen Formen bleibt grundsätzlich geistig. Sie erweckt unser Sehnen nach Schönheit, nach dem Höchsten, und hier liegt ihre hauptsächliche und große Bedeutung. Wie Sie richtig schreiben: ”Das wahre Problem der Kunst ist, den Menschen zum Begreifen der Schönheit zu lenken”. Wahrlich, das echte Streben zum Schönen wird uns zum Verständnis für die höhere Schönheit der Gesetze lenken, die das Universum regieren und im vollkommenen Geist und im vollkommenen Herzen zum Ausdruck kommen.

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       Und so erfüllen Sie Ihre Aufgabe, physische Gesundheit zu regenerieren und die Saat geistigen Wissens auszustreuen, wo immer es erforderlich ist. Die Hauptsache ist, dies entsprechend dem Bewußtsein Ihrer Patienten zu tun! Zuviel zu geben ist noch gefährlicher, als zu wenig zu geben. Fragen Sie Ihr Herz!

       Schreiben Sie über sich, und denken Sie daran, daß unsere Gedanken oft bei Ihnen sind. Sagen Sie den Freunden, sie mögen alle Zweifel vertreiben, denn diese sind unsere gefährlichsten Feinde!

       Und welche Zweifel könnten wir hegen, wenn die reine Lehre uns solch klare und schönen Lösungen bietet, wo nichts und niemand benachteiligt, sondern alles unbegrenzt erhöht und erweitert wird. Der Segen der Kräfte des Lichts sei mit Ihnen!

1934

8. Februar 1934

       Ihre ausgezeichnete Arbeit brachte uns viel Freude. Gerade das ist heute besonders notwendig. Wir müssen das Bewußtsein der Menschen wecken, das in modrigen Vorurteilen stagniert und durch die bedrohlichen Ereignisse niedergedrückt wird. Das Morgenlicht der Neuen Zeit dämmert aus der Ferne, und es ist erforderlich, ihm mit neuerwachtem Geist gegenüberzutreten. Ich sehe der Fortsetzung Ihres Werkes entgegen, das gedruckt und weithin verteilt werden sollte.

       ”… Mitarbeitern möge vorgeschlagen werden, sich an solche Arbeiten zu gewöhnen. Sie können ihnen entsprechende Abschnitte aus der Lehre wählen und sie mit anderen Vermächtnissen vergleichen. Auf diese Art können die Eindrücke der Zeiten auf die eine Wahrheit beobachtet werden. Die Erforschung dieser Evolution wird an sich eine sehr notwendige Arbeit sein. Wir sind gegen Verurteilung, doch der Vergleich kommt dem Polieren des Steines gleich. Durch Liebe zur Sache kann man neue Vergleiche ziehen und schöne Berührungspunkte finden. Solche Meditationen sind wie Blumen auf einer Wiese.” (Feurige Welt, Bd. II) Behalten Sie dieses Programm im Gedächtnis.

       Sie schreiben: ”Kein Wunder, daß Christus es nicht für möglich befand, diese Wahrheit (das Gesetz der Wiederverkörperung) den unentwickelten menschlichen Gemütern direkt und offen zu enthüllen”. Doch ich glaube, es wäre richtiger zu sagen, daß, obwohl das Gesetz der Wiederverkörperung ein Eckpfeiler jeder alten Religion des Ostens war, die Religion der Juden natürlich nicht ausgenommen, es bereits zur Zeit Jesu durch die Priesterschaft übel entstellt wurde und seine Reinheit nur bei einzelnen Sekten erhalten geblieben ist. Im Neuen Testament haben wir viele Beweise für das Wissen der Juden; Christus selbst bestätigt es. Zum Beispiel im Matthäus-Evangelium (17:10,13): ”Da fragten ihn die Jünger: Die Schriftgelehrten sagen aber doch, zuerst müßte Elias kommen. Und Jesus antwortete ihnen: ‚Wohl wird Elias kommen und alles erneuern. Doch ich sage euch: Er ist bereits gekommen, nur haben sie ihn nicht erkannt, sondern ihm angetan, was sie wollten. So wird auch der Menschensohn durch ihn leiden.‘ Da verstanden die Jünger, daß er zu ihnen von Johannes dem Täufer redete.” Und im Evangelium des Hl. Johannes (9:1-3): ”Einmal sah Jesus im Vorübergehen einen Mann, der von Geburt an blind war. Seine Jünger fragten ihn: ‚Meister, wer hat gesündigt, der oder seine Eltern, daß er blind geboren ist?‘ Jesus antwortete: ‚Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern es ist geschehen, damit Gottes Werke an ihm offenkundig werden.‘ ” In der Tat, wie konnte eine von Geburt an blinde Person für ihre Sünden verantwortlich sein ohne das Gesetz der Wiederverkörperung! Es gibt andere sehr klare Hinweise, doch die sollten Sie selbst herausfinden.

       Sie schreiben, daß der ”östliche Mensch aufgrund seines Wissens von Wiederverkörperung so passiv wurde, was schließlich in einem langsamen Lebenstempo, Stagnation und Leblosigkeit endete.” Dies ist nicht ganz so. Viele andere Gründe sind für diese Stagnation verantwortlich. Gewiß, all dies härtet und entwickelt die Kraft des Menschen: Härte der Natur, Härte der klimatischen Bedingungen und der Kampf ums Dasein fehlen beinahe gänzlich im Osten. Auf der anderen Seite begünstigten klimatische und andere Bedingungen das beschauliche Leben. Doch das Hauptübel Indiens, das in Stagnation und Degeneration endete, liegt nicht im Wissen über die Wiederverkörperung, sondern im toten System der Kasten. Dieses System mit seinem Verlust an wahrem Wissen um die Vergangenheit und mit der Korruption der herrschenden Klassen wurde wie zu einem Schraubstock für ein sehr fähiges Volk von vielen Millionen. Wer nicht in Indien lebte, kann sich diesen Schrecken der Sklaverei nicht vorstellen! Zur Zeit gibt es, abgesehen von den vier Hauptkasten, eine ungeheure Zahl von so vielen verschiedenen Unterteilungen – so viele wie es Beschäftigungen und Berufe gibt. Jede Kaste ist begrenzt durch alle Arten sinnwidriger Verbote, und je höher die Kaste, desto mehr Verbote; daher die bekannte Degeneration der höheren Kasten.

       Auch wenn wir die unübertrefflichen Höhen ihrer geistigen Grundlehren nehmen und auf der anderen Seite die Habsucht und Unwissenheit der meisten Vertreter ihrer gegenwärtigen Priesterschaft, ist es schwer zu verstehen, wie solche Sinnwidrigkeit, solch schreiende Rohheit, solch verbrecherische Mißgestaltung von Formen stattfinden konnte! Doch das ist die traurige Wirklichkeit. Abgesehen vom Kastenwesen bringen die Kinderehen Degeneration. Man sieht nicht selten, daß ein neunjähriges Mädchen mit einem sechzigjährigen Mann verheiratet ist; es ist bereits eine verkrüppelte Mutter von einem noch ungeborenen Kind. Ja, es gibt viele Wunder in Indien, doch auch viele schreckliche Dinge! Es ist, als würde sich das Gesetz bestätigen: ”Je leuchtender das Licht, um so tiefer die Finsternis”. Das erklärt, daß man nirgendwo anders solcher Geistigkeit und Verfeinerung begegnet wie hier. Könnte dieses schöne Land im Heilen der schrecklichen Geißel, die es zerstört, Fortschritte erzielen, so würde die Entwicklung dieses Landes die ganze Welt in Staunen versetzen. Es gibt Anzeichen der Wiederbelebung. Die Frau Indiens ist erwacht, und ihr Herz reagiert auf die Leiden der Entwürdigten; deshalb ist es ihr beschieden, ihr Land wiederzubeleben.

       Jederzeit will ich Ihnen gerne helfen, falls für Sie irgendwelche Fragen oder Mißverständnisse auftauchen sollten. Ihre Arbeit, in der Sie so klar die Fundamente des Seins besprechen, ist sehr wertvoll, und wir hoffen, daß Sie mit dem Schreiben in dieser Richtung fortfahren werden. Die Lehre des Lebens zeigt so viele neue, unberührte Themen auf!

       Wir freuen uns zu sehen, daß Sie die Lehre so gut anwenden. Wenden Sie sie frei und auf breiter Ebene an; diese Samenkörner sind für großartiges Säen gegeben. Darüber hinaus ist vieles nur in Andeutungen gegeben und wird nur teilweise enthüllt, doch die breite Masse muß vorbereitet werden, und es sind detaillierte Erklärungen erforderlich, um ihre Aufnahmefähigkeit zu steigern.

       Das Studium der Werke von H. P. Blavatsky würde Ihnen helfen, viele Dinge zu verstehen.

17. Februar 1934

       Alles, was Sie über die sogenannten okkulten Gruppen sagen, überrascht uns nicht, sondern bestätigt nur unsere Vermutungen, da wir die traurige Lage in vielen Organisationen kennen und wissen, daß die Natur des Menschen überall die gleiche ist. Es ist immer das gleiche Übel: Mangel an Toleranz und eine schreckliche Exklusivität, die alle Grundlagen zerstört. Die Vorsitzenden von vielen Gesellschaften und Logen erheben das Recht auf ein ausschließliches Monopol und eine Autorität über alles, was die von der Großen Bruderschaft gegebene Lehre betrifft, wobei manche der einzige Kanal sein wollen, durch den die Hohe Lehre übergeben werden kann. Doch in ihrer armseligen Vorstellung übersehen sie, daß die Große Bruderschaft die Evolution der ganzen Menschheit lenkt, sich nicht auf einen oder selbst zehn Ströme oder allenfalls vorübergehende Empfänger beschränken kann.

       Die Große Bruderschaft arbeitet unaufhörlich für das Allgemeinwohl der ganzen Welt und nutzt daher alle Möglichkeiten, um ihre rettende Lehre voranzubringen. Das Schiff der Menschheit sinkt, und nur der Blinde und Einfältige bemerkt die ganze Gefahr des heutigen Lebens nicht.

       Gewiß, die Große Hierarchie des Lichts hat auf dem irdischen Plan Mitarbeiter verschiedener Stufen, bewußte und unbewußte und auch die besonders Bevollmächtigten und Teuren. Es gibt außerdem eine ganze Anzahl von Personen, die schöne Mitteilungen empfangen, ohne oft selbst das wahre Bild ihres Boten zu kennen, doch sie alle tragen Körner für die große Saat bei. Es wäre sehr unwissend, die Große Hierarchie des Lichts mit irgendwelchen Beschränkungen oder herkömmlichen Formen in Verbindung zu bringen! Die Hierarchie lebt und wirkt, das Gesetz der großen Zweckdienlichkeit nutzend, das einzige Gesetz, das wahre Evolution gewährleistet.

       Es gibt auch keinen Zweifel darüber, daß die Große Bruderschaft für die Erneuerung des menschlichen Bewußtseins und die Einführung einer neuen Stufe der Lehre zur gegebenen Zeit eine oder zwei Personen ausersieht. Dies war bei Frau Blavatsky der Fall und nach ihrem Tod bei Frau Francia la Due, durch die der Meister Hilarion seine Lehre übergab. Leider starb Francia la Due im Jahre 1923. Sie war die Begründerin einer Gesellschaft in Kalifornien und die Herausgeberin der Zeitschrift ”Temple Artisan”, in der die Botschaften veröffentlicht wurden. Doch ich wiederhole, daß es neben solchen Hauptempfängern, die das ”Meer der Lehre” empfangen, wie es einer der Großen Meister ausdrückte, viele andere gibt, durch die kleine individuelle Mitteilungen gegeben werden, und wir kennen eine ganze Anzahl von feinen kleinen Büchern, meist automatisch geschrieben, oder was seltener vorkommt, nach Diktat. Und die Schönheit des ethischen Wertes solcher Bücher ist nicht etwa geringer, weil sie ohne Zustimmung von bestimmten Autoritäten geschrieben wurden! Soviel ich weiß, erleuchtete auch nicht nur ein einziges Buch, das ihnen aus der Großen Quelle gegeben wurde, eine dieser ”Autoritäten” in ihrem ganzen Leben. Im Gegenteil, solche Bücher wurden von ihnen systematisch kritisiert, verurteilt und verbannt. Wäre es nicht ganz zweckmäßig, sich darüber zu informieren? Warum bringen sie nicht die Fortsetzung des ”Buches Dzyan”? Eine Fortsetzung gibt es. Es wäre auch interessant zu wissen, was solche Lästerer der LEBENDIGEN ETHIK (die sie gar nicht studiert haben) über die von Francia la Due und William Dower gegründete Gesellschaft und die von ihnen erschienenen Bücher denken. Diese Gesellschaft wurde in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts gegründet und hat in anderen Ländern ihre Gruppen.

       Die von ihnen gegebene große Lehre widerspricht den Ausführungen der LEBENDIGEN ETHIK nicht. Wir stehen in freundschaftlichen Beziehungen und schließen einander nicht aus! In den Vereinigten Staaten besteht die Arcane School, die für das Studium der Bücher des Agni Yoga eigene Klassen unterhält. Die Bücher der LEBENDIGEN ETHIK sind in vielen Ländern verbreitet und ziehen viele neue Gruppen an. Es gibt heute viele suchende Seelen, doch gewiß, Unduldsamkeit wird niemanden anziehen.

       Einige Autoritäten fanden, nachdem sie ein Buch des Agni Yoga gelesen hatten, darin eine große Gefahr und verboten ihren Anhängern, es zu lesen. Wir werden natürlich nicht versuchen herauszufinden, worin sie die Gefahr zu bemerken glaubten, da wir die gegebene Lehre niemals aufzwingen. Doch jene, die durch eine solche Feststellung verwirrt wurden, mögen sie für sich herausfinden. Was würden diese selbsternannten Autoritäten sagen – und einer von ihnen gibt vor, zur Großen Hierarchie der Sonne zu gehören –, wenn wir ihnen über die erstaunlichen Begegnungen und Erscheinungen erzählten, die wir erfahren haben und ihnen die heiligen Gegenstände zeigten, die uns anvertraut wurden? Wahrscheinlich würden sie uns als Betrüger ansehen. Und in ihrer ”rechtschaffenen Entrüstung” würden sie sich mit den Fanatikern und Bigotten der Kirche verbünden und uns jetzt und für immer verdonnern und verdammen!

       Es ist sehr bedauerlich, daß solche wertvollen Bücher wie ”Die Briefe der Mahatmas” und die Briefe von H. P. Blavatsky noch nicht ins Russische übersetzt wurden; sie sagen über die Umgebung von H. P. Blavatsky viel aus.

       Doch alle diese Angriffe sind nicht wichtig. Wirklich schrecklich ist dagegen die Unduldsamkeit mancher Kirchen. Wahrlich, ”… am schwierigsten von allem ist die Enthüllung der wahren Gestalt Christi”, wie es einer der Großen Lehrer ausdrückte. Die Hauptursache der Intoleranz ist Unwissenheit. Doch die Dinge können so nicht weitergehen, und die neue Generation verlangt bereits nach einer neuen Auslegung der Fragen des Geistes und des Seins, auf welche die geistigen Autoritäten ihre Antwort geben müssen, um nicht ganz ignoriert zu werden. Das Bewußtsein der Massen wächst und erweitert sich, man kann es nicht in mittelalterlichen Folterkammern eingesperrt halten! Die westliche Kirche ist bereits alarmiert, doch um ihre Autorität nicht ganz zu verlieren, beginnt sie, die Entwicklung der Wissenschaft sowie auch einige der östlichen Lehren zu verfolgen. Manche Priester lassen sogar das Vorhandensein der Großen Bruderschaft gelten. Und wahr gesprochen, was ist die Hierarchie des Lichts anderes als die ”Jakobsleiter”? – wieder andere schenken dem Gesetz der Wiederverkörperung Aufmerksamkeit. Das Neue Testament, die Worte Christi selbst, bestätigen dieses Gesetz, das ein Eckpfeiler der ältesten Religionen war. Aus diesen Quellen entlehnte die Christenheit später ihre sämtlichen Symbole und Zeremonien.

       Kürzlich wurde auf einer Bischofskonferenz in den Vereinigten Staaten vorgeschlagen, die Werke des großen Origenes zu studieren. Das ist ein großer Schritt nach vorn, da das Studium der Werke Origenes’ den kirchlichen Rahmen und die Dogmen zu sprengen vermag. Wir sollten nicht vergessen, daß das Gesetz der Reinkarnation erst im 6. Jahrhundert auf dem Konzil in Konstantinopel abgelehnt wurde. Und von uns wird erwartet, die Autorität der Kirchenväter als Offenbarung und Dogma anzunehmen, die mit großem Ernst solche Fragen wie ”Wie viele Geister auf einer Nadelspitze Platz finden” oder solche Perlen wie ”Ob die Frau eine Seele hat?” diskutierten. Und diese ehrwürdigen Väter, die Erzieher unseres Bewußtseins, schämen sich nicht, sich zu ohrfeigen und einander an den Haaren und Bärten zu ziehen. Auch jetzt gibt es Leute, ganz respektabel erzogen, die aufrichtig glauben, daß sie am Jüngsten Gericht in ihrem physischen Körper vom Tod auferstehen werden! Das ist der Hauptgrund, warum sie so gegen Kremation sind. Wie ist diese Selbsttäuschung zu verstehen, als Hypnotismus oder als Atavismus?

       Es ist Zeit zu verstehen, daß die Welt erneuerte Seelen braucht, die rasch, intensiv und gründlich erkennen, daß das Wesen der heutigen Ereignisse ein offensichtlicher Beweis der Nutzlosigkeit überholter Ideen und Strukturen ist und daß inmitten unerhörter Zerstörung die neuen Ideen der großen Toleranz und kulturellen Führerschaft geboren werden, die wie Blitze gegen einen schwarzen Himmel aufleuchten.

       Dennoch kennen wir unter den russisch-orthodoxen Priestern einige denkende und duldsame Leute. Sie waren unsere wirklichen Freunde. Ich bin sicher, daß wir auch in dem Neuen Land lichterfüllte Seelen finden werden. Nun, was die Freimaurerlogen betrifft, ist es ganz sicher, daß es unter ihnen viele rein politische und gefährliche gibt. In manchen Ländern, mit wenigen Ausnahmen, ist Freimaurerei in Kulissenzauber entartet. Solch ein Niedergang von ursprünglich hochethischen und schönen Anfängen ist sehr tragisch, und die Großen Lehrer grämen sich darüber unsäglich. Bedenken Sie auch, daß es heute unerhört viel schrecklichste Magie und Zauberei gibt, und dies fast überall. Oft werden nicht schlechte, aber unwissende Menschen in diesen schwarzen Netzen gefangen. Deshalb sind die Großen Lehrer gegen jede Art von Magie. Die schwarzen Logen sind gerade jetzt so aktiv, und daher ist es so wichtig, daß die Kräfte des Lichts sich unverzüglich vereinen und mit bewußter Aktivität gegen die dunklen Kräfte des Übels vorgehen. Doch leider, gegenwärtig herrscht unter ihnen viel weniger Einigkeit als unter den schwarzen. Diese sind in Furcht vereint und werden aktiv durch diese getrieben.

* * *

       Sicherlich, Lästerung gegen die Lehre ist keine Kleinigkeit, denn diese Lästerung richtet sich gegen den Heiligen Geist. Und furchtbar ist das Los der Lästerer in allen Welten. Doch um den Lästerern Einhalt zu gebieten, ist es notwendig, die Hörer aufzuklären. Groß ist die Unwissenheit! Das beweist jeder Schritt. Jedoch manchmal ist völlige Unwissenheit besser als geringes Wissen, denn gerade Halbwissen schafft Eigendünkel und versperrt so alle Möglichkeiten. Die Menschen haben sich an alle Arten von Verboten und Begrenzungen gewöhnt. Und vor allem fürchten sie das weite Denken, weil sie fühlen, daß weites Denken größere Verantwortung erfordert. Doch wer will Verantwortung auf sich nehmen? Jeder versucht, dies zu vermeiden und sich an einen anderen anzulehnen. Ganz allgemein, wenn es zur gegebenen Zeit weniger Verbote und Verneinungen gäbe und man die Notwendigkeit der Verantwortung stark unterstreichen würde, müßten viele den bitteren Kelch der Erniedrigung und des Leides nicht leeren. Deshalb kann an alle Verneiner der eine Rat gegeben werden: Verneinet nicht, sondern wisset mehr!

* * *

       Große Unwissenheit und einen erstaunlichen Mangel an Vorstellungsvermögen bekunden auch jene, die glauben, daß die gegebene Lehre in ihrem ganzen Umfang nur von einer Person niedergeschrieben wurde. Dies wäre unmöglich, unabhängig davon, wie geistreich diese Person auch sein möge. Wahrlich, Zeitalter an Lebenserfahrung und unermüdliches Studium des menschlichen Wesens, dazu all die kosmischen Einflüsse, waren erforderlich, um alle die in der Lehre angeführten Fragen und Probleme zu durchdenken und sie so vollkommen und allumfassend zu beleuchten.

       Wahrlich, das Leben ist erfüllt von Wundern, wenn wir an alles mit einem offenen Herzen und mit Streben nach Schönheit und Selbstvervollkommnung herangehen und nicht mit allerlei mechanischen Mitteln, wie künstlicher Meditation, Konzentration und dergleichen, sondern in der großen Tat des Alltagslebens. Diese große Lebenstat mit all ihrer strengen Schönheit übt N. K.. Sein Leben ist das Leben völliger Selbstlosigkeit: er lebt für den großen Dienst an der Menschheit. Nichts gehört ihm und er selbst gehört sich nicht. Die seinem Wesen eigene große Toleranz zieht wie ein Magnet ganz unterschiedliche Menschen an und schart sie um seinen Namen. Diese Weisheit des Meisters ist auch seine Weisheit. Wäre es anders, wie könnte er ein solcher Prophet sein? Wie könnte er in der ihm anvertrauten Aufgabe bei den furchtbaren Hindernissen durch die Finsteren – am Ende der Kali Yuga, in dem schrecklichen Harmagedon – so erfolgreich sein?

* * *

       Und nun muß ich Ihnen sagen, wie weise Sie sind, mit allem, was Ihnen anvertraut wurde, so vorsichtig umzugehen. Doch fürchten Sie die Feinde nicht, denn sie verhelfen uns zu phantastischen Kräften und Möglichkeiten, denn in ihrer ungestümen Bosheit ermatten sie und lenken auf ihre Art die Aufmerksamkeit der Leute auf sie. Wir sind in unserem Leben vielen Feinden begegnet, doch sie haben uns nur zum Erfolg verholfen. Laßt uns daran denken, was in den Büchern der Lehre über Verleumdung geschrieben steht: ”Mögen die Verleumder die Liste derer durchsehen, die von ihnen verleumdet wurden. Wird diese nicht Namen jener aufweisen, die die menschlichen evolutionären Entdeckungen gefördert haben? Laßt uns daher Verleumdung als die Fackeln der Wilden bezeichnen. Doch beim Durchschreiten der Nacht ist jedes Feuer von Nutzen!”

       So haben wir durch Erfahrung die Nützlichkeit der Feinde erkannt. Ich will mit dem Lob der Feinde enden.

* * *

       Was die Verbreitung der Lehre anbelangt, seien Sie bitte nicht zu sehr enttäuscht. Sie sollten nie jemanden zwingen. Durch solchen Druck entsteht nur großer Schaden. Denken Sie daran, wie die Lehre vor jedem Zwang warnt: ”Die Lehre ist sich ihres Wissens bewußt und wird sich nicht im Bazar zur Schau stellen … Die Grenzlinie zwischen Behauptung und Aufdrängen ist sehr fein. Man kann sich oft sehr leicht ohne jeden Nutzen erniedrigen. Jeder Tropfen, der danebenfällt, verwandelt sich in ätzende Säure. Doch ein erzwungenes Anschwellen bedeutet nur Wassersucht, und ihr wißt, daß diese unheilbar ist. Deshalb nur Qualität, nicht Quantität.”

       ”Wer anklopft, nimmt die Verantwortung auf sich, doch die Gezwungenen werden zum Mühlstein um den Hals des Glöckners. Deshalb laßt die Glocke nur zur rechten Zeit erklingen. So werdet ihr Zwang vermeiden.”

       Und so beunruhigen Sie sich nicht wegen der Verbreitung der Lehre des Lichts. Die Lehre wird auf unerwartete Weise verbreitet. Halten Sie nur Ihr Herz auf der Hut und ignorieren Sie das Klopfen der Leidenden und der Kommenden nicht!

17. April 1934

       Ihr Brief erreichte uns fast gleichzeitig mit der traurigen Nachricht über das Hinübergehen unseres lieben, unvergeßlichen Felix Denissowitsch. Wir haben einen wirklichen Freund und einen ergebenen, selbstaufopfernden Mitarbeiter verloren. Wir hatten viele Zeichen bezüglich des bevorstehenden Verlustes. Das Gehirn versuchte, sie nicht wahrzunehmen, doch das Herz zog sich in Schmerz zusammen. Dieser Verlust bedeutet für alle unsere Freunde und Mitarbeiter einen großen Schlag. Wie Sie sagen, er konnte mit seinem Herzen wirklich vereinen und wärmen. Die beste Ehrung zum Gedanken an F. D. wird natürlich die Vereinigung aller seiner Mitarbeiter sein sowie die Stärkung und Entwicklung des von ihm begonnenen großen Werkes. Daher schätze ich es sehr, daß Sie sich für alle in Angriff genommenen Werke so verantwortlich fühlen, und ich beeile mich, alle Ihre Fragen der Reihe nach zu beantworten:

       1.) Natürlich, die Gesellschaft für die Vereinigung der Frauen braucht die Hand einer Frau. Jedoch die Mitwirkung des Mannes ist nicht unerwünscht und kann sehr wohltätig sein. Oft ist der Mann ein besserer Mitarbeiter, Verteidiger und Beschützer der weiblichen Rechte als viele Frauen.

       2.) Die von Ihnen ausgearbeiteten Statuten über die Vereinigung der Frauen sind vortrefflich, möge Gott helfen, sie wenigstens teilweise zu verwirklichen. Ich befürworte vor allem den Punkt über die gleiche Bildung für beide Geschlechter, oder wie Sie es nennen, die ”Gleichberechtigung”. Dies ist eine sehr wichtige Sache. Gleiche Bildung zerstört das schädliche Gefühl des Vorrechts gegenüber den Frauen, und das verleiht in vielen anderen Beziehungen das notwendige Gleichgewicht. Gleichberechtigung sowohl der Geschlechter als auch aller Völker sollte einer der ersten Grundsätze jeder Regierung sein. Alles, was die Erziehung und Schulbildung der Kinder betrifft, ist mir sehr teuer, und ich werde meine Gedanken darüber mitteilen.

       3.) Sie haben ein sehr schmerzliches Problem unserer heutigen Zeit berührt – die Frage der legalen Abtreibung. Zu diesem Thema gibt es keine zwei Meinungen – Abtreibung ist in jedem Fall Mord. Deshalb sollte ihr nur stattgegeben werden, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Doch es ist falsch anzunehmen, daß eine Frau, die sich der Abtreibung schuldig machte, immer niedere Geister anzieht. Das Karma der ganzen Familie muß in Betracht gezogen werden. Oft kann man bemerken, daß in einer Familie, wo ein Kind dabei ist, das nichts taugt, die anderen Kinder nicht schlecht sind. Karma bindet Gruppen von Menschen für lange – für viele Tausende von Jahren. Und oft hat selbst ein hoher Geist keine unbescholtenen Eltern. Die Finsteren wehren sich besonders gegen die Reinkarnation von hoch entwickelten Geistern und versuchen alles, solche Inkarnationen zu verhindern, die für sie gefährlich sind. So ist es wieder einmal nicht das Fegefeuer der Feinstofflichen Welt, das die Wiederverkörperungen von Geistern verhindert, sondern nur das Verbrechen der Eltern. Es gibt kein mächtigeres Fegefeuer als das irdische Leben, wenn alle potenziellen Möglichkeiten der Individualitäten verstärkt werden. In der Lehre ist gesagt: ”Wie die Hungernden nach Nahrung verlangen, so verlangt der Geist, der bereit ist zu inkarnieren, eine neue Wiedergeburt. Man kann sich daher vorstellen, welches Leid – auf Grund von künstlicher Verhinderung – der Geist erdulden muß. Der Geist erhält im Moment der Empfängnis Verbindung mit dem Embryo und tritt im vierten Monat allmählich in den Körper ein, wenn sich die Nerven- und Gehirnkanäle bilden. Daher ist Abtreibung nur in Ausnahmefällen zulässig.

       4.) Natürlich sollte die Frau nicht nur physische Lebensspenderin sein; sie hat ihre anderen hohen Pflichten. Und zu diesem Zweck besteht die natürliche Enthaltsamkeit, die leicht durchgeführt und so der Zuwachs der Familie reguliert werden kann. Dies ist gut möglich, wenn das Herz und den Kopf hohe Interessen beschäftigen. Ich erwarte natürlich viele Einsprüche, doch ich bestehe darauf. Es besteht kein Zweifel darüber, daß dies beim gegenwärtigen sittlichen Zustand der Familien sehr schwer ist, doch es gibt bereits solche Familien, und sie werden in Zukunft zunehmen. In früheren Zeiten verstanden es die Menschen, die Geburtenregelung nach den Mondphasen zu bestimmen. Später wurde dies als schwarze Magie betrachtet, doch heutzutage wären solche Maßnahmen besser als die schrecklichen Abtreibungen, die Frauen zu Krüppeln machen und damit auch die kommenden Generationen.

       Jetzt will ich über zwei von Ihnen im Zusammenhang mit diesem Problem erwähnte Fälle sprechen. Ihr erster Fall betrifft eine Frau, die ”aus Liebe zu Kindern” den Beruf einer Lehrerin wählte. Der Fall ist sehr unlogisch; da sie es für ein Vorurteil hielt, sich vor einem unehelichen Kind zu fürchten, hätte sie bei dieser Meinung bleiben sollen. Und als sie sich nun doch zu einem unehelichen Kind entschlossen hatte, so konnte sie nicht erwarten, daß es legitimiert wird. Darüber hinaus müßte sie die Vorschriften der Schule gekannt haben. So offenbart sich in diesem besonderen Fall sehr viel Leichtsinn, und ich würde sagen, eine sehr gefährliche Leichtsinnigkeit, da sie in Verbrechen endete. Doch was mir sehr widersprüchlich erscheint, ist ihre ”große Liebe zu Kindern”, denn diese Liebe müßte sie vor solch einem unsinnigen Schritt zurückgehalten haben.

       Im weisen Indien wird die ausschließliche Liebe zum eigenen Kind als eine Art tierischer Egoismus betrachtet. Wo es so viele unglückliche Waisen um uns herum gibt, können wir da so teilnahmslos sein und keine großen mütterlichen Gefühle für sie haben? Diese Frau könnte mit ihrer ”großen Kinderliebe” eine dieser unglücklichen heimlosen Waisen adoptieren und so ihre Liebe zu Kindern unter Beweis stellen. In solch einer Tat wäre so viel Edles, und vielleicht würde sie ihren wirklichen Sohn oder ihre wirkliche Tochter aufziehen. Karma führt uns in erstaunlicher Weise mit Seelen zusammen, die aus der Vergangenheit Beziehungen zu uns haben.

       Sie schreiben, daß sie das Buch ”Schwester Beatrice” gelesen hat. Doch Schwester Beatrice wurde von einer großen Liebe getrieben, während diese Frau nur von dem Wunsch sprach, ein Kind zu haben. Das ist unvereinbar. Ich werde nie einen Stein auf eine Frau werfen, die aus grenzenloser Liebe alle Herkömmlichkeiten außer acht ließ, vorausgesetzt, daß sie ihr Glück nicht auf das Unglück anderer aufbaut. Verpflichtungen gegenüber einer Familie und Kindern erachte ich als heilig.

       Im zweiten Fall, den Sie schildern, verdient die Frau mehr Mitgefühl. Doch auch in ihrem Fall können wir, solange der Wunsch herrscht, ein eigenes Kind zu haben, den weisen Ausspruch über den Egoismus solcher Liebe anwenden. Um richtig urteilen zu können, ist es vor allem notwendig, die wirklichen Beweggründe und Umstände zu kennen. Doch immer und in allem ist die Harmonie des Herzens und des Intellekts sehr wichtig, dieses große Gleichgewicht, das die Grundlage der Vervollkommnung ist und von allen großen Lehren bestätigt wird. Ein starkes Muttergefühl kann sich nicht nur auf die Liebe zum eigenen Kind erstrecken, solche Beschränkung sollte ausgelebt werden. Und sehr oft stehen uns fremde Kinder geistig näher als die eigenen. Geistige Verwandtschaft bindet stärker als die Bande des Blutes.

       5.) Sie fragen ”Hat jede Frau das Recht auf ein eigenes Kind?” Wenn wir die Frage vom kosmischen Standpunkt aus betrachten, dann gewiß, ja. Doch mit den von Menschen vorgenommenen Entstellungen haben die kosmischen Gesetze nichts gemein.

       Daher möchte ich sagen, daß nicht jede Frau ein Recht auf ihr eigenes Kind hat. Der Begriff der Familie ist ein heiliger Begriff. Doch wie die Dinge heute liegen, gibt es nichts oder fast nichts Heiliges mehr in ihr. Viele Familien sind sündhaft. Und ich wiederhole, daß ich nie eine Frau verurteilen werde, die sich in aufrichtiger Liebe hingibt, da wir wissen, daß viele Herkömmlichkeiten und alle möglichen Umstände die Legalisierung solch einer Verbindung hindern. Viel sündhafter ist es, ein aus solch einer Verbindung geborenes Kind zu strafen. Doch heute gibt es viele Männer und Frauen, die es wegen tiefgreifender geistiger Verdorbenheit nicht verdienen, Kinder zu haben.

       6.) Die von Ihnen angeführten Zeilen aus dem Buch von Ernst Bergman geben künftige Gedanken wieder und befassen sich mit den nächstliegenden Aufgaben. Wird in der Lehre nicht auf die hohe Bedeutung der Frau in ihrer ganzen Tätigkeit im Leben hingewiesen? Ist nicht aufgezeigt, daß der Grund für so viele Mißstände unseres Planeten und der Menschheit auf den Mangel des Gleichgewichts zwischen den beiden Geschlechtern zurückzuführen ist? Der Kosmos gründet auf diesen Anfängen, und nach kosmischem Maßstab sind beide Anfänge gleich groß und notwendig, denn einer kann ohne den anderen nicht bestehen. Doch was sehen wir im Leben und in den von Menschen eingeführten Bräuchen? In manchen Ländern wird die Frau bis zur Sklaverei erniedrigt, und selbst in mehr zivilisierten Ländern werden dem Mann alle Vorrechte eingeräumt.

       Zweifellos ist es in vielen Beziehungen der eigene Fehler der Frau, besonders jetzt, wo sie versucht, die Rolle des Mannes nachzuahmen, anstatt ihr eigenes Wesen und ihre Originalität zum Ausdruck zu bringen. Das Ergebnis ist ein unwürdiges Zerrbild. Natürlich, es gibt keine Begrenzungen der geistigen Schaffenskraft des einen oder anderen Geschlechts. Die Schaffenskraft des Gedankens, der Kunst sowie des Lebensaufbaues ist geistiger Natur und daher beiden Geschlechtern eigen. Beide Geschlechter haben ihre eigenen Wesenszüge, und dies verschönert das Leben. Diese Wesenszüge sollten sehr stark zum Ausdruck kommen, um die vollkommene Schönheit des Romantischen und des Heldentums zu beleben. Nach Verfeinerung des Bewußtseins und der Gefühle wird die schöne Bestimmung beider Geschlechter lebhaft in Erscheinung treten.

       Zum Abschluß darf ich Ihnen sagen, daß viele Familien sich zu unrecht als solche bezeichnen, weil sie kosmisch gesehen ungesetzlich verbunden sind. Wahrlich, viele Verbindungen, die nur durch die menschlichen Gesetze bestehen, sollten als illegal betrachtet werden. Richtige, d. h. kosmische gesetzliche Verbindung ist eine große Wissenschaft der Zukunft. Diese Wissenschaft wird auf unveränderlichen kosmischen Gesetzen begründet sein. Vieles ist über die Seelenverwandtschaft gesagt worden. Doch wer kennt und versteht diese Wahrheit in der ganzen Größe des kosmischen Gesetzes? Sie erinnern sich, daß in den Büchern der LEBENDIGEN ETHIK gesagt ist, daß sich die Menschen entsprechend den Elementen verbinden sollten. Nur Eltern, die demselben Element angehören, können gesunden und ausgeglichenen Kindern das Leben schenken. ”Und im Leben sehen wir oft, daß Feuer mit Wasser oder Luft mit Erde verbunden ist. Der Niedergang ganzer Völker ist die Folge solcher Vermischung.” Die Zeit wird kommen, wo diese Wahrheit in ihrer ganzen Herrlichkeit verstanden wird und die Menschen sie als das Wesentlichste im Leben anwenden werden. Die Lebensformen und alle Funktionen der Menschheit müssen entsprechend den kosmischen Gesetzen erneuert werden. Dies wird dann geschehen, wenn die Menschheit um ihren Fortbestand und ihre Evolution auf diesem Planeten besorgt ist – andernfalls erwartet uns das Los der Lemurier – Zerstörung durch Feuer.

       7.) Gewiß, ich billige den Kampf gegen die Abtreibung, doch wie wollen Sie gegen dieses Übel ankämpfen? Es gibt keine Gesetze, die etwas erhalten oder verbieten können. Deshalb denke ich persönlich, daß man vor allem für die Hebung des Bewußtseins der heranwachsenden Generationen kämpfen und sie auf das Begreifen der menschlichen kosmischen Aufgabe des Allgemeinwohls nach kosmischem Maßstab hinlenken muß. Es ist wichtig, den Weltmaßstab festzulegen. Wieder kommen wir auf die gleiche fundamentale Frage zurück: Erziehung und Bildung. Wie der Große Geist es ausdrückte: ”Die Quelle allen Leidens ist Unwissenheit”, was so wahr ist; und die Geschichte der Menschheit mit allen ihren finsteren Seiten der Verfolgung der besten Vertreter des Wissens beweist es.

       8.) Ohne Zweifel hat jede Mutter und jedes Kind ein Recht auf Sicherheit, und so kann es auch keine Unterteilung in legitim und illegitim geben. Doch wir können noch weitergehen und sagen, daß jeder Bürger ein Recht auf Sicherstellung der Arbeit hat. So vieles muß geändert werden, und hier sollte die Stimme des Herzens der Frau helfend eingreifen.

       9.) Sie fragen, ob es im Plan der Weißen Bruderschaft liegt, die alten Familienformen zu erhalten und sie geistig zu beleben? Die Formen selbst sind natürlich bedeutungslos. Die Hauptsache ist das geistige Bewußtsein, das diese Formen beseelt. Ich beantwortete diese Frage bereits, als ich über die große Wissenschaft der Zukunft sprach, die auf unveränderlichen kosmischen Gesetzen beruht. Deshalb sollten wir uns um die neuen Formen nicht sorgen, sondern sollten die alten mit neuem Verstehen beseelen. Ich füge folgende Zeilen aus der Lehre hinzu: ”Wenn die Menschheit den kosmischen Gesetzen anstatt den sogenannten Neuerungen und Statuten mehr Beachtung schenken würde, könnte das Gleichgewicht hergestellt werden, das immer mehr und mehr verletzt wird, beginnend mit dem Gesetz des Entstehens und endend mit der ”kosmischen Krönung”. Die bestätigten Gesetze sind einheitlich. Auf allen Ebenen müßte die Einheit bestätigt werden. Der Weg der Evolution ist wie ein Faden, der sich durch alle physischen und geistigen Grade spannt; und deshalb können Regierungen und Gesellschaftssysteme die kosmischen Gesetze für ihre Verbesserungen anwenden.”

       10.) Und nun was die Gruppen betrifft. Es ist wünschenswert, die Gruppen entsprechend den Bewußtseinsebenen zu bilden. Doch der ideale Weg wäre, die Menschen entsprechend der Zusammensetzung oder Farbe ihrer Aura zu gruppieren, weil der die harmonischen Auren verbindende Strahl die Macht erhöhter Anziehung gewinnt, wogegen disharmonische Verbindungen einander abstoßen. Zwei harmonische Auren gewähren Erfolg, weil die Wirkung vereinigter Strahlen jedes Unternehmen fördert. Doch da wir von der Bestimmung und selbst der Farben der Auren noch weit entfernt sind, obwohl man in dieser Richtung einen Fortschritt erzielte, bleibt nur zu tun übrig, Leute zu vereinen, die miteinander sympathisieren. Der Lehrer sollte die Charaktere seiner Schüler aufmerksam beobachten.

       In der Lehre des Lebens gibt es auch darüber einen Hinweis ”Die Anweisungen sollten zweckmäßig sein. Dem, der einen geistigen Fortschritt zeigt, sollten Möglichkeiten weiterer Förderung geboten werden. Würde das schnellste Boot seine Segel einziehen, um die Frontlinie auszurichten, wäre das nicht eine Verringerung seiner Möglichkeiten? Der Lehrer sollte mit wachsamen Augen jene erkennen, die gute Fortschritte machen. Sie sollten nicht gelobt, doch ihr Pfad geebnet werden. Es ist ratsam, Interimskurse abzuhalten; diese Stufen anwendend, werden die Schüler schneller aufsteigen. Verberget ihnen die Schwierigkeiten nicht! Denn für einen bestimmten Bewußtseinstyp ist jede heroische Regung bereits eine Quelle des Lichts und der Freude. Es hängt auch vom Lehrer ab, die Richtung der Gedanken des Schülers zu bestimmen, da eine schlechte Wegzehrung sehr verderblich ist; sie kann die besten Arbeiter vertreiben. Jedes starre Programm ist wie ein Leichnam, der unter der Sonne des Wissens unerträglich wird.”

       Sie führen einige Paragraphen aus dem Buch ”Agni Yoga” an und vermuten ganz richtig, daß es zum Zusammenstellen von Gruppen notwendig ist, diese Weisungen zu befolgen. Man muß beachten, daß diese Anweisungen drei verschiedene Gruppen im Auge haben. Während die Anweisungen laut § 137 eine Gruppe eng verbundener Mitarbeiter betreffen, beziehen sich jene in § 310 auf Menschen im allgemeinen und nicht auf enge Mitarbeiter im besonderen, denen gegenüber man Toleranz üben sollte, denn von den engsten Mitarbeitern wird als selbstverständlich angenommen, daß sie nicht in ”verschiedene Richtungen” schauen und die Fabel vom Hecht, Krebs und Schwan illustrieren. § 311 handelt von einer Gruppe, die noch geformt und vorbereitet wird, um sich mit der Lehre zu vereinen.

       Die Vereinigung der Bewußtseine geschieht nicht sofort, sie wird durch große Anstrengung erreicht. Viel gegenseitige Geduld, Takt, Aufrichtigkeit und Edelmut sollten geübt werden. Doch wenn sie erreicht ist, wird wirklich alles möglich, da man ständig unter Höherer Führung steht.

       Es ist schwer, harmonische Gruppen zu bilden, doch noch schwerer ist es, einen passenden Lehrer zu finden. Besonders wichtig ist es, bereits für die Anfänger erfahrene Lehrer zu haben. Die Fähigkeiten des Lehrers entwickeln sich allerdings auch bei der gemeinsamen Arbeit. Auf diese Art lernen Lehrer oft von Menschen, deren Bewußtsein noch gering entwickelt ist, mehr als von jenen, die ungefähr auf der eigenen Ebene liegen. Dies kommt daher, weil die Einfachen uns durch ihre Fragestellung zwingen, Findigkeit zu üben, um unsere Erklärungen ihrer Aufnahmefähigkeit anzupassen. Es ist eine ausgezeichnete Übung für klares Denken. Wahrlich, indem wir lehren, lernen wir.

       Ja, in allen Fragen sollten wir unser Gefühlswissen oder Herz sprechen lassen, es gibt keinen anderen Maßstab. Jeder Fall ist unterschiedlich und ursprünglich, besonders wenn es ein außergewöhnliches Zusammentreffen von Umständen gibt. Und für alles muß das Herz die richtige Entscheidung treffen.

       Nun haben Sie die Schwelle neuer, verantwortlicher Arbeit betreten. Das ”brennende Herz” – wie Sie es so schön ausdrücken –, das es verstand, Freude zu bereiten, hat uns verlassen. Doch jeder sollte lernen, diese Freude in sich zu finden, denn in uns ist Licht. Das ”brennende Herz” entfachte das Feuer. Es ist Ihre Pflicht und jene der engsten Mitarbeiter, dieses Feuer zu bewahren und es zu einer unauslöschlichen Flamme anzufachen. Das begonnene Werk ist so groß, so schön, so allumfassend und wichtig, daß man wirklich frohlocken sollte angesichts der Tatsache, daran teilzuhaben. Was kann größer sein als Arbeit für das Allgemeinwohl und für die Hierarchie des Lichts?

       Große Ereignisse nahen, und es werden viele Mitarbeiter benötigt. Jene, welche die Grundlagen der LEBENDIGEN ETHIK erfaßt haben, sollten helfen, das Gleichgewicht des Lebens zu erhalten und die kommende Epoche zu bestätigen, die auf wahrem Begreifen des Geistes der Schönheit und Zusammenarbeit beruht.

       Und daher – viel Glück in Ihrer neuen Aufgabe; seien Sie tapfer und freudvoll, denn die Führende Hand wird jene nicht verlassen, deren Streben aufrichtig ist.

11. April 1934

       Sie fragen um Rat, wie Sie in der Arbeit und in der persönlichen Entwicklung erfolgreich sein können. Sie besitzen doch die Bücher der LEBENDIGEN ETHIK, in denen die wertvollsten Anweisungen und Ratschläge gegeben sind, und wenn nur ein Zehntel davon befolgt wird, werden größte Ergebnisse nicht ausbleiben. Ich kann nur hinzufügen, daß für rascheste Selbstvervollkommnung und Entwicklung der Geistigkeit ein stetes Denken an den Höchsten Hierarchen das Wesentlichste ist; das ist jene heilige Konzentration, über die so viel geschrieben und die so oft mißverstanden wird. Wenn wir Tag und Nacht jeden Augenblick an das Leuchtende Bildnis denken und alle unsere Arbeiten in Seinem Namen ausführen, werden wir allmählich jene heilige Einheit herstellen, die uns schließlich die große Macht der Hiero-lnspiration verleiht.

       Da ich Ihre schriftstellerischen Fähigkeiten kenne, würde ich Ihnen raten, sie für feurige Invokationen zur Erweckung und Belebung des Geistes zu nutzen. Wahrlich, die Zukunft liegt in der Auferstehung des Geistes! Nachdem Sie die Bücher der Lehre gelesen haben, dürften Sie zweifellos erkannt haben, in welch kritischer Zeit wir leben, und um den langsamen Fortschritt des Bewußtseins wissend, werden Sie verstehen, daß kein Augenblick vergeudet werden soll. Selbst das Bestehen unseres Planeten wird auf der kosmischen Waage gewogen, und allein die Menschheit kann die eine oder die andere Waagschale entscheidend beeinflussen. Die Umgestaltung der Welt geht vor sich, und wir müssen uns ernst entscheiden, ob wir mit dem Kosmischen Magneten voranschreiten oder das Los kosmischen Niedergangs auf uns nehmen wollen.

       Die Schwierigkeit besteht bei den meisten Menschen, die mit der Lehre bekannt wurden, darin, daß sie die allumfassende Weisheit und Schönheit zwar bewundern, doch sie betrachten sie nur als schöne poetische Schöpfung; sie verstehen das Wesentliche der Lehre nicht und bemühen sich auch nicht, sie im Leben anzuwenden; sie legen keine einzige Gewohnheit ab und verzichten nicht auf die geringste Bequemlichkeit. Währenddessen sind die bedrohlichen Zeichen des feurigen Sturmes, von dem in der Lehre soviel gesprochen wird, bereits offensichtlich, und jene, die geistig nicht erwacht und gestärkt sind, werden durch die nicht zu verhindernden schrecklichen Epidemien zu Tausenden dahingerafft werden.

       Es ist Zeit, an die Hygiene des Geistes zu denken. Hygiene des Körpers ist nicht so wichtig wie Hygiene des Geistes. Weder Vitamine und Injektionen noch Impfungen werden den retten, dessen psychische Energie erschöpft oder erstarrt ist. Wie wichtig ist das Verständnis für die tiefe Bedeutung des Wortes ”Dienst”, großer Dienst, große Taten für die Rettung der Menschheit! Das Wort ”podwig” ist so schön! (”podwig” läßt sich aus dem Russischen schlecht übersetzen; das Wort bedeutet große oder heroische Tat in Zusammenhang mit geistiger Errungenschaft). Es birgt den Gedanken der Selbstvervollkommnung und Selbstverleugnung in sich, was nicht nur den Fortschritt des persönlichen Bewußtseins bewirkt, sondern den des ganzen Landes. Wahrlich, die Zeit ist da, zu ”podwig” (Heldentat) aufzurufen! Die ganze Welt, alle Länder befinden sich in einem schrecklichen Kampf, und nur der geistig Starke wird siegen. Wir sollten nicht der Täuschung unterliegen, daß alles sich von selbst entscheiden wird. Nein, jedes Land muß erkennen, daß es nur überleben kann, wenn seine besten Vertreter begreifen, daß der Kampf gegen die Unwissenheit und gegen die Kräfte der Zerstörung nicht hinausgeschoben werden darf. Alle Länder werden geprüft. Werden viele durchkommen? In den Feinstofflichen Welten ist die Landkarte der Zukunft bereits entworfen, doch vielem kann noch abgeholfen werden.

       Und so, seien Sie feurig beseelt! Schreiben Sie feurige Artikel für die Verteidigung der Kultur des Geistes; preisen Sie ”podwig” und Heldentum, denn in der Lehre ist gesagt: ”Wo der Gedanke an das Heldentum verschmäht oder gar als ungebührlich erachtet wird, gibt es tatsächlich Verfall. Nach diesen Merkmalen kann man die Gebrechlichkeit der Völker beurteilen. Die letzten Worte des Großen Geistes zu Seinen Brüdern, als Er die Erde verließ, waren: ”Schaffet Helden!”

       Die Zeit ist gekommen, wo wir heldenhaft sein und Helden schaffen müssen.

26. April 1934

       Ich war so glücklich, von meinen fernen Mitarbeitern Briefe zu erhalten. Wir sind alle durch dieselbe Lehre vereint und sollten uns wie eine große Familie fühlen. Wenn es auch noch nicht möglich ist, physisch beisammen zu sein, so ist es gut zu wissen, daß diese Zeit kommen wird. Und so wollen wir uns auf diese große Zeit des Feiertages des Geistes und des Herzens vorbereiten. Wir wollen uns strenges geistiges Fasten auferlegen, damit wir in vollkommener Reinheit des Körpers und des Geistes am Osterabend eine Auferstehung des Geistes willkommenheißen können. Laßt uns in unserem ganzen Denken dieser nahen Zukunft entgegenstreben, viele der mühseligen und schwierigen Dinge des Alltags werden leichter zu ertragen sein, denn wir werden in unserem Herzen die unvermeidlichen Mühen und Schwierigkeiten als Teil einer großen Prüfung und der Freude der Zukunft erleben.

       Bitte sagen Sie den lieben Mitarbeitern, sie mögen die Flamme ihres Herzens bewahren und alle ihre schöpferischen Kräfte aufwenden, um den sehnsüchtigen Herzen die frohe Botschaft der Lehre zu vermitteln. Alle, die nach Wissen streben, sind uns sehr teuer. Ohne schwere Prüfung kann der Mensch nicht zur Erkenntnis gelangen, und glücklich sind jene, die solche Prüfungen bereits in der Jugend erfahren. In der uns zugeteilten Arbeit sollten wir alle unseren Geist erprobenden, schwierigen Augenblicke schätzen und uns mit dem Leben und der Seele eines Volkes vertraut machen. Es ist ganz richtig anzunehmen, daß die Menschheit durch ein großes Wunder der Erleuchtung gerettet wird. ”Das Wunder wird zur vorbestimmten Zeit geschehen!”

       Ich bin froh, daß Sie sich für das von den Großen Lehrern geplante Werk des Allgemeinwohls ernstlich entschlossen haben. Ohne solch einen Entschluß kann man auf dem Pfad nicht vorankommen. Uns wurde folgendes Gebet gegeben: ”Dir, o Herrscher, will ich in allem dienen – immer und überall. Möge mein Pfad eine Heldentat der Selbstlosigkeit sein! Möge dies auch Ihr Gebet sein und das eines jeden, der mit ganzem Herzen den Pfad des Dienstes an der Menschheit betritt. Im Zusammenhang damit möchte ich aus der Lehre nachfolgendes anführen: ”Wenn der Schüler in seinem Herzen die Freude des Pfades erkennt, eines Pfades ohne Schwierigkeiten, weil sich alles in die Freude des Dienens verwandelt, dann können ihm die Großen Tore erschlossen werden. Bei den höheren Erscheinungen muß der Schüler in seinem Herzen der gewaltigen Leistungen des Lichtes gedenken. In den schrecklichen Erscheinungen muß er die Anstrengungen der Finsternis erkennen. Der Schild des Lichtes trägt die Inschrift: ”Herrscher, ich komme allein, ich komme in einer geoffenbarten Heldentat. Ich will das Ziel erreichen, und ich werde es erreichen!” Weiter steht auf dem Schild des Lichts geschrieben: Ehrlichkeit, Hingabe und Selbstverleugnung. Doch furchtbar ist der Ansturm der Finsternis. Möge die Hand des Schülers davor bewahrt bleiben, auf diesen bleibenden Schriftrollen: Lüge, Scheinheiligkeit, Verrat, Selbstsucht … einzuschreiben.

       ”Unter den für den Aufstieg besonders schädlichen Erscheinungen sei halbherziges Dienen hervorgehoben. Man kann nicht vorankommen, ohne diese fürchterliche Halbheit auszumerzen. Es muß daran erinnert werden, daß der Schüler, sobald er einen Lehrer erwählte, immer mit Rücksicht auf die schädlichen Folgen der Halbheit handeln muß. Nicht nur ein offensichtlicher Verrat ist gefährlich (dagegen kann man offen mit dem Schwerte ankämpfen), sondern diese verderblichen Schliche der Halbheit sind so schädlich.”

       ”Das Bewußtsein der Menschen muß auf den Pfad der Ehrlichkeit gelenkt werden. Die Menschen müssen verstehen, daß aufrichtiges Dienen das Wichtigste ist. Womit kann man das Wachsen des Geistes festigen, womit kann man die Hingabe zur Hierarchie bekunden, womit kann man das Bewußtsein läutern? Nur durch dieses eine Gesetz – Ehrlichkeit des Dienens. So laßt uns immer an die Schädlichkeit der Halbheit denken. Die Leistungen der Finsteren zeigen alle nur halbe Entscheidungen und Taten; daher sollte man auf dem feurigen Pfad an die Folgen der Halbheit denken. Wäre es möglich, alle Errungenschaften der Feinstofflichen Welt zu offenbaren, die Menschheit wäre entsetzt über die grauen Schatten der Zerstörung, Halbheit, des Verrats, der Streitsucht, Heuchelei, Unduldsamkeit und Selbstsucht. So laßt uns auf dem feurigen Pfad an die gefährliche Unterminierung durch Halbheit denken.” (Feurige Welt, III. Band).

       Daher mögen alle Neuankommenden nicht sofortige Erleichterung und besondere Ergebnisse erwarten, wenn ihr Herz und Geist noch nicht reif sind, dem Lichte zu dienen. Es ist gesagt ”Man sollte die Lehre wie das letzte Feuer, das letzte Stück Brot, das letzte Wasser hegen. Man muß Liebe offenbaren und hüten – als die letzte Möglichkeit und den letzten Tropfen Wasser.” Solch ein Streben würde unsere Möglichkeiten vermehren. Ein wahrer Schüler strebt vorwärts, getrieben von der unwiderstehlichen Liebe zum Lehrer des Lichts.

       Nun möchte ich Ihre Fragen beantworten:

       1.) Sie haben natürlich recht, daß man die Lehre vor allem im Leben anwenden muß, um sich zu vervollkommnen. Wie können wir sonst andere, aufrichtig bestrebte Seelen anziehen? Jeder, der sich der Lehre nähert, ist verpflichtet, diese empfangenen Saatkörner auszustreuen. Doch wie könnte diese Saat erfolgreich sein, wenn wir selbst nicht fähig sind, die uns anvertrauten Saatkörner zu erproben und zu schätzen? Wird es viele geben, die unsere Saatkörner werten? Viele von ihnen werden die Keimlinge dieser Saatkörner sehen wollen. Daher ist das konkrete persönliche Beispiel jener, welche die Saatkörner besitzen, sehr wichtig. Es ist wichtig, die Wirklichkeit der Lehre zu bekunden, zu beweisen, in welchem Maß sie den Charakter und das Leben eines Menschen zu verändern vermag. Vor langem wurde gesagt ”Glaube ohne Tat ist tot”. So wird die Lehre, im Leben nicht angewendet, keinen Nutzen bringen.

       2.) Sie fragen, ob Sie die Meditationen fortsetzen sollen. Alles, was die Gedankenkonzentration fördert, ist nützlich. Zur Klarheit und Kristallisation des Denkens sollte angeregt werden. Gerade jetzt nimmt das chaotische Denken überhand, und man sollte besonders auf der Hut sein. Man sollte sein Denken anspannen und kein unkontrolliertes Denken zulassen. Konsequenz des Denkens und Handelns sind für die Erweiterung des Bewußtseins so wichtig.

       Ich habe Ihre Meditationen gelesen; das Thema über den Gedanken ist sehr umfangreich. Wahrlich, der Gedanke ist das Universum! Daher ist es ratsam, diese Frage ausführlich zu behandeln und so konkret wie möglich zu gestalten. Es ist auch sehr nutzbringend, darüber zu meditieren: Der Gedanke als Gestalter des Karma. Das Thema ”Und Wir öffnen die Tore” sollte ausführlich behandelt werden. Versuchen Sie, den ganzen Pfad des Aufstiegs in sieben Tore zu unterteilen und die Aufeinanderfolge der Eigenschaften aufzuzeigen, die entwickelt werden müssen, um diese Tore zu erschließen, wenn nicht alle, so wenigstens vier. Ein anderes Thema – ”Lächle über die Schwierigkeiten auf dem Pfad” – sollte ebenfalls erörtert werden. Sie sollten klar hervorheben, was uns wirkliche Kraft verleiht, alle Schwierigkeiten zu meistern, ”über sie zu lächeln” und aufzeigen, aus welch unerschöpflicher Quelle Freude entspringt; so vermögen Sie die Gedanken ”Freude als die höchste Weisheit” zu vertiefen. Dies sind nur kurze Vermerke. Solche Meditationen über Themen aus der Lehre sind sehr wertvoll. Sehr gut wäre es auch, die Themen ”Einfachheit” und ”Heldentat” (Podwig) zu wählen. Diese beiden Begriffe werden in den Büchern der Lehre besonders hervorgehoben.

       Nun möchte ich über ihre vierte Meditation sprechen:”Die Eigenschaft der Luft und die Gelassenheit des Geistes”. In dieser Meditation kann ich dem Satz ”Zuerst müssen wir den Tempel vorbereiten und dann die Seele erziehen” nicht zustimmen. Der Geist baut den Tempel und nicht umgekehrt. Allerdings sind das Psychische und das Physische eng verbunden, und zur Vervollkommnung ist völlige Ausgeglichenheit nötig; ohne den Körper können wir bestehen, doch ohne Geist sind wir völlig tot. Ich zitiere aus der Lehre: ”Es wurde richtig gesagt, daß der Geist ohne den Körper leben kann, denn ein mißgestalteter Körper kann eine leuchtende Seele bergen, doch ein Körper kann, trotz aller äußeren Vollendung, keinen Geist enthalten, der nicht den Aufspeicherungen der Vergangenheit entspricht. Es ist richtig, da der menschliche Geist vielfach unterdrückt wird, sind Krankheiten oftmals ein Segen, denn sie vereinen den Geist mit der Feinstofflichen Welt. Jede Erscheinung gründet auf zwei Grundsätzen, die den Maßen der feinstofflichen sowie denen der physischen Welt entsprechen. In der Tat, diese Maße sind oft gegensetzlich proportioniert.” In den Büchern der Lehre gibt es eine Stelle über die Gefahren, unentwickelten, sündhaften Seelen einen gesunden Körper zu verleihen; wahrlich, das Übel würde noch mehr triumphieren. Daraus ergibt sich, daß wir uns mehr auf die Entwicklung des Geistes konzentrieren und den physischen Körper nur so weit pflegen sollten, wie es allgemein erforderlich ist. Und den bekannten Ausspruch ”Nur in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist” würde ich umgekehrt anwenden: ”Ein gesunder Geist besitzt einen gesunden Körper”. Wenn wir uns nur um die Stärkung des Körpers bemühen, werden wir nie vorankommen. Ich ermutige alle Mitarbeiter, meditieren zu lernen.

       Ist jemand schriftstellerisch begabt und hat er das Wesen der Lehre in sich aufgenommen, dann ist es sehr nützlich, kleine Broschüren zu verfassen, in denen die Gedanken der Lehre für die breite Masse kommentiert werden. Diese kurzen Kommentare sind sehr wichtig! So wäre es beispielsweise sehr wertvoll, über die Bedeutung des Lehrers zu schreiben, über die Macht und Bedeutung der Gedanken, über psychische Energie usw. Die in der Lehre gegebenen Erklärungen müßten gesammelt und vereinfachende Kommentare hinzugefügt werden. Im allgemeinen gibt es endlose Möglichkeiten, in der Lehre mitzuarbeiten, und ich begrüße es immer, wenn schriftstellerische Fähigkeiten genutzt werden. Soviel Arbeit sollte in nächster Zukunft getan werden, so viele Hände werden auf allen Gebieten benötigt. Immer sollte man versuchen, so viel wie möglich zu lernen, entsprechend der Reichweite des Fassungsvermögens und mit dem Vorsatz, das Wissen zu nutzen und anzuwenden.

       3.) Sie fragen, ob Sie sich mit dem Studium der Heilkräuter befassen sollen? Alles Wissen ist nutzbringend, und dieses Gebiet ist wirklich edel und äußerst interessant.

       4.) Sie möchten wissen, wie die Lehre im Leben anzuwenden ist. Mit aller Einfachheit, mit dem ganzen Herzen, genauso wie es in den Büchern der Lehre aufgezeigt ist. Allerdings können sich Mißverständnisse und Fragen bezüglich bestimmter Ausführungen in der Lehre ergeben. Zögern Sie nicht zu fragen, ich werde mich immer darüber freuen, Ihnen helfen zu können. Die Lehre wurde fürs tägliche Leben gegeben und enthält oft Antworten, Fragen und Erklärungen für bestimmte Ereignisse, und so mögen diese Stellen für jene, die mit der Lehre nicht so vertraut sind, nicht immer klar sein. Ich bin oft auf Auslegungen gestoßen, die in bestimmten Stellen das Gegenteil von dem aussagten, was in der Lehre gemeint ist. Dies ist unvermeidlich, und daher bin ich immer froh, Ihre Fragen in bezug auf die Lehre beantworten zu können. So werden wir die notwendige geistige Verbindung herstellen; wo es keine Fragen gibt, kann es keine Lehrer geben. Und da wir in verschiedenen Erdteilen leben, hilft ein direkter Kontakt sehr, weil es so wichtig ist, ständige und lange Verständigung zwischen Auren zu unterhalten. So wollen wir die Gedanken und Bestrebungen des Herzens austauschen und uns unsere auf Papier festgehaltene psychische Energie senden.

       Mein Herz ist voll des Wunsches, Freude zu bereiten und jedem Hilfe angedeihen zu lassen. Bitte denken Sie an den Ernst und die Feierlichkeit des Augenblicks und verstärken Sie alle Kräfte für die Selbstvervollkommnung. Die Zukunft ist groß und schön.

5. Mai 1934

       Es ist unrichtig, den feinstofflichen Körper als formlos zu bezeichnen, da seine Gestaltlosigkeit relativ ist. Die Lehre spricht von Unkörperlichkeit, doch nicht von Gestaltlosigkeit. Darüber hinaus wird in den esoterischen Lehren behauptet, daß diese uranfänglichen feinstofflichen immateriellen Körper schöne Formen hatten. Man kann nicht sagen, daß sie mit unserer gegenwärtigen physischen Form nichts gemein hätten. Wir sollten daran denken, daß ja der feinstoffliche Körper der Prototyp des physischen Körpers ist. Natürlich, der primitive, physische, hochtierische Typ war in seiner Erscheinung vom feinstofflichen Körper oder von der ihm eingelagerten geistigen Wesenheit weit entfernt.

       Viel richtiger und verständlicher wäre es zu sagen, daß das menschliche Wesen am Beginn der irdischen Evolution zwar keinen Intellekt besaß, doch in seiner geistigen Entwicklung uns voraus war. Geistigkeit ist vor allem Bewußtsein, und Bewußtsein ist die Grundlage des Universums. Jedes Atom hat sein Bewußtsein, denn wo immer es Leben gibt, gibt es Bewußtsein; allerdings sind die Abstufungen endlos. Es ist wahr, daß es in der feinstofflichen Welt halbbewußte oder auch unbewußte posthume Zustände gibt, doch nur in Fällen, wo Geistigkeit entweder schlummert, nicht vorhanden ist oder wenn eine Person im irdischen Leben versäumte, höhere Fähigkeiten zu entwickeln und so die Verbindung mit ihren geistigen Zentren löste. Allein diese Verbindung verleiht uns die wahre Unsterblichkeit eines Gottmenschen oder Archaten; wenn die Einheit des Gemüts geistiges Bewußtsein erlangt, vermag man die Bezeichnungen ”Gefühlswissen”, ” Hellsichtigkeit” und ” Hellhörigkeit” zu verwenden. Wenn man daher von der Geistigkeit des ursprünglichen Menschen spricht, ist es besser, Ausdrücke wie ”geistiges Bewußtsein”, ”geistiges Sehen” und ”geistiges Hören” zu verwenden.

       Ich will jetzt einige Aussprüche aus meinem Buch, das ich nun bald zusammenstellen möchte, anführen, die Ihnen von Nutzen sein könnten: ”Die geheime Lehre besagt, daß der Hermaphrodit in Wirklichkeit nie existierte. Es gab einige individuelle, mißglückte Fälle, die aber bald verschwanden. Doch die Theorie von den Zwillingsseelen hat eine reale Grundlage und ergänzt in gewisser Weise das Symbol des Androgyn. Alle Symbole des Androgyn bezwecken, auf die Notwendigkeit der Zwillingselemente im Kosmos nebst allen Ergänzungen für die Erhaltung des Lebens und des Gleichgewichts hinzuweisen. Alle Legenden über die Seelenverwandtschaft gründen auf einer großen Wahrheit, weil im ursprünglichen Gesetz die Einheit der zwei Elemente im Grunde bestimmt ist … Feuer ist seiner Natur nach dual, daher war in den alten Mysterien über jedem Kelch eine duale Flamme. Alle Götter der alten Mysterien hatten ihre Gattinnen, welche die kosmische Energie personifizierten. Alle Schriften und heiligen Bildnisse weisen auf dieses fundamentale kosmische Gesetz hin. Differenzierung resultiert aus der Trennung der Elemente, und getrennte Elemente werden in ferne Sphären getrieben. Der Magnet, der in den Elementen seit Äonen bestand, wird nach vollständiger Umwandlung und Reinigung der Elemente diese sammeln und wieder vereinigen. Dies wird die ”Große Krönung” oder ”Die Krone des Kosmos” genannt.

       Bis jetzt wurde dieses Wissen zweckdienlich verborgen gehalten, weil die Menschen nicht bereit waren, es in seiner ganzen Reinheit und Schönheit anzunehmen. Doch die Menschheit hat in dem Augenblick ihren Wendepunkt erreicht, wo Geistigkeit herrscht, andernfalls droht dem Planeten der Untergang. So muß dieses geheime kosmische Gesetz allmählich Eingang finden und aufgenommen werden, damit die fürchterlichen sexuellen Ausschweifungen gebändigt und gereinigt werden.

       In der geistigen Vereinigung der Dualelemente liegt eine große Schönheit, doch auf der physischen Ebene sind die Dinge vom Geistigen weit entfernt. Ein Formenwechsel kann sich in Übereinstimmung mit der Bewußtseinserweiterung vollziehen. Schöne Gefäße sollten nur in schöner Umgebung verwendet werden. Doch in allem muß der Befehl des Geistes vorherrschen. So hat der häßliche Hermaphrodit oder die Menschen mit zwei Wirbelsäulen oder anderen phantastischen Besonderheiten, die in den Vorstellungen einiger unwissender und häßlich denkender Schreiber leben, keinen Platz in der künftigen Evolution. Evolution schreitet fort auf dem Weg der Schönheit, und die künftigen Rassen werden entsprechend ihrem geistigen Fortschritt verbessert und verfeinert werden. Zu Ende der sechsten und zu Beginn der siebenten Rasse wird sich die Materialisation des Astralkörpers vollziehen. Diese Verbesserung der Formen und das Wachsen der Geistigkeit könnte durch richtige Vereinigung oder Ehe beschleunigt werden. Die Große Bruderschaft ist bereit, der Menschheit zu helfen, dieses heilige Wissen zu nutzen.

       Jetzt gehe ich zur nächsten Frage über. Trennung der Geschlechter bedeutet, daß nach dem Versenken in die grobe Materie der Magnet der Elemente schwach wurde und die Menschen begannen, sich zu vermischen und unrichtig zu vereinigen, nicht dem Naturgesetz entsprechend. Der große Märtyrer Origenes drückt es wunderbar aus: ”Witwen sind jene Seelen, die den unzulässig angetrauten Gatten verließen, aber Witwen bleiben, weil sie noch nicht so vollkommen sind, um mit ihrem Himmlischen Bräutigam vereint zu werden.” Allerdings müssen wir in Betracht ziehen, daß gemäß Ruffin, dem Biographen des Origenes, dessen Schriften viele ”Berichtigungen” erfuhren; andernfalls wären sie nie veröffentlicht, ja sogar vernichtet worden. Es ist offensichtlich, daß auch hier eine ”Berichtigung” vorgenommen und das Wort ”Bräutigam” (Bridegroom) mit dem Großbuchstaben ”B” geschrieben wurde, um zu verstehen zu geben, daß Christus gemeint war. Doch an anderer Stelle desselben Werkes – ”über die Elemente” –, wo auch von Frauen gesprochen wird, die nicht mehr mit ihrem legitimen Gatten leben, sondern allein gelassen als Witwe betrachtet werden, weil sie ihren Bräutigam noch nicht verdienen, ist das Wort ”Bräutigam” (bridegroom) mit kleinem Anfangsbuchstaben geschrieben. Sicherlich gibt es auch entgegengesetzte Fälle, wo der Bräutigam seine Braut noch nicht verdient, doch konnten solche Dinge früher geschrieben werden!? Ist es nicht ein Verspotten der heiligen Dinge, wenn die heutige Kirche erklärt, daß ökumenische Heirat (obwohl symbolisch), Christus im Auge hat? Ich war darüber immer empört. ”

       Und jetzt zu Ihrer Frage über Karma. Ein Mensch kann in jedem Leben einen bestimmten Teil seines alten Karma, das ihn in einer Inkarnation ereilt, abtragen; und er schafft natürlich auch neues Karma. Doch ist sein Bewußtsein fortgeschritten, kann er das aufgespeicherte Karma schneller ausleben und das von ihm neu geschaffene Karma wird von höherer Qualität sein. Darüber hinaus wird infolge des gereinigten Denkens das alte Karma nicht mehr so schrecklich für ihn sein, und die gereinigte Aura wird auf die Rückschläge ganz anders reagieren. Auf diese Weise kann sich der Mensch aus dem scheinbar verhexten Kreis des Karma befreien. Doch das trifft nur für das irdische Karma zu, das den Menschen zur Erde zieht, denn solange es Bewußtsein und den Gedanken gibt, kann Karma nicht ausgelöscht werden. Karma, das sich in Übereinstimmung mit den kosmischen Gesetzen vollzieht, wird seine Qualität unendlich verbessern und neue Kreise ziehen, sich aus ihnen befreien und so bis ins Unendliche.

       Individuelles Karma ist immer das grundlegende und wird erstens durch Veranlagung, Gedanken und Beweggründe des Menschen gebildet – Taten sind sekundäre Faktoren. Die Buddhisten sagen ”Karma ist der Gedanke”. Wäre es anders, könnte der Mensch sich nie von Karma befreien. Wahrlich, das individuelle Karma, das fundamental und bestimmend ist, kann sowohl die Entstehung als auch die Tilgung aller anderen Arten von Karma beeinflussen. Indem der Mensch sich selbst schadet, schadet er anderen. Im Kosmos ist alles verbunden und verflochten, und vom gesamten Rest des Karma kann nichts abgetrennt werden. Individuelles Karma kann daher von anderen Karmaarten, wie Gruppenkarma, Rassenkarma etc., nicht getrennt werden. In der Lehre ist gesagt, Funken des Schaffens sickern auf dem Pfad des Karma nur mit Schwierigkeit durch und noch weniger wird die karmische Wahrheit verstanden. Die eigene Einschätzung des Karma kommt nicht von außen. Jede Zelle birgt Karma. Der Geist trägt seinen Erfolg und seine Rüstung mit sich.”

* * *

       Wenn die Einteilung in Klassen und Kasten in der Vergangenheit ihren Zweck erfüllte, so ist sie heute doch vollkommen unsinnig und stagnierend. Klassen und Kasten sind für das große Mißverständnis zwischen der sogenannten ”gebildeten” Klasse und dem gemeinen Volk verantwortlich. Diese schreckliche Kluft, dieser Bewußtseinsunterschied, ist sehr tragisch und bedroht nun unsere ganze Kultur. Es gibt jedoch einen großen Fortschritt im Bewußtsein der breiten Massen; die Menschen fühlen instinktiv die fundamentale Gleichheit des Geistes. Doch in ihrer Unwissenheit können sie das große Prinzip der wahren gesetzmäßigen Hierarchie, das dem Gesetz der Evolution zugrunde liegt, nicht wahrnehmen, und so nehmen ihre schrecklichen Proteste auf dem ganzen Planeten kein Ende. Das Hauptproblem der Regierungen sollte daher die Bildung der Massen sein, andernfalls wird die Hydra der Finsternis alles verschlingen. Wissen allein sollte ein Vorrecht einräumen, nicht Klassenbewußtsein. Die Anhänger der Klassensysteme berauben sich des wahren Wissens und entfachen die Leidenschaften des finsteren Bewußtseins. Furchtbar, schrecklich ist die Hydra der Finsternis und Unwissenheit!

       Es ist unrichtig zu denken, daß das Vermischen der Klassen das Karma der Menschen negativ beeinflussen könnte. Gegenwärtig bietet die gesunde, geistig vernünftige Bauernfamilie die beste Umgebung für einen hochentwickelten Geist. Ob einer in einem Palast oder in einem Winkel einer Schusterhütte geboren wurde, sollte nicht als das Ergebnis der Klassenvermischung angesehen werden, denn dies geschah eher zum Zweck der Erfüllung eines persönlichen Karma oder eines anderen bestimmten Auftrages. So war Jakob Böhme ein Schuster, doch dies aus dem einen Grund, weil er zu jener Zeit damit seine große Aufgabe am besten erfüllen konnte, – im vergleichenden Frieden. Das schreckliche Karma der Menschheit ist die Folge der Verletzung der kosmischen Gesetze, beginnend mit der Geburt, doch es ist nicht die Folge der Vermischung der sozialen Schichten. So wird die Heirat in Zukunft wissenschaftlich gehandhabt werden. Es ist gesagt, daß die Menschen sich entsprechend ihrer Verwandtschaft mit bestimmten Elementen verbinden sollten.

       Durch Mißachtung dieser fundamentalen Gesetze schuf sich der Mensch das bittere Karma des Niedergangs. Der Kontrast zwischen den Aufspeicherungen eines hochentwickelten Geistes und der bescheidenen Umgebung, in die er hineingeboren wurde, ist nicht von solcher Bedeutung wie die Disharmonie zwischen den Grundelementen der Eltern. Diese ist die Ursache aller Arten geistiger Degeneration. Nur durch Armut und Not wird die Macht eines starken Geistes entwickelt. Die Anstrengungen, die er vollbringt, um die Schwierigkeiten zu bewältigen, sind wertvoller und wohltätiger als Erfolg.

       Nun über die HERREN des KARMA. Viel Verwirrung umgibt diesen Begriff. Kann man sich vorstellen, daß durch die Herren des Karma den Milliarden von inkarnierten Seelen das Karma zugeteilt wird? Doch wir hören solche Absurditäten. In den Büchern der Lehre lesen wir: ”Für den Dienst des Lichts offenbarte Kräfte greifen nicht in Karma ein, wie manche, die in die Bedeutung des Karma nicht eingeweiht sind, glauben. Die Kräfte des Lichts verfolgen die menschlichen Taten, weisen die Richtung, doch sie greifen nicht in das Leben ein. Dafür gibt es viele Beispiele. Es erscheinen Boten, Warnungen werden gesandt, die Richtung wird aufgezeigt, der Pfad gewiesen, doch die Wahl unter den vorbestimmten Möglichkeiten wird vom menschlichen Willen bestimmt. Auf diese Weise wird die Zusammenarbeit zwischen zwei Welten offensichtlich.”

       Gerade Selbständigkeit des Geistes kann ein besseres Karma zur Folge haben. So erklärt es sich, warum die Kräfte des Lichts den Geist nicht von verschiedenen Handlungen abhalten, die oft das zunichte machen, was festgesetzt war. Oft sind die Menschen verwirrt darüber, daß andere Pfade nicht aufgezeigt werden. Gleicherweise wundern sie sich, daß die Sendungen über verschiedene Kanäle bestätigt werden. Sie wundern sich darüber, warum die Kräfte des Lichts verschiedene Strömungen nicht abwehren. Laßt Uns darauf antworten: ”Die Kräfte des Lichts berühren das menschliche Karma nie. An dieses Gesetz muß auf dem Pfad zur Feurigen Welt gedacht werden.

       Das Gesetz des freien Willens verbietet Uns, eine Erscheinung zu klären, die finster zu sein scheint. Dasselbe Gesetz weist auf unsere sich kreuzenden Wege hin, wenn der freie Wille ein Herz zu einem Herzen lenkt.” (Feurige Welt, III)

       Die Verbreitung von Karma in der Feinstofflichen Welt im Zwischenstadium der Seele könnte stärker hervorgehoben werden. Ich führe einen Paragraphen der Lehre an: ”Karma erstreckt sich auf alle Handlungen in allen Welten. Genauso wie Karma beschleunigt werden kann, kann es auch hinausgeschoben werden. Eine Verstärkung des Karma wirkt sich auf das nachfolgende Leben aus. Auch alle Zwischenstadien werden von einer Erschwerung des Karma beeinflußt. Die Feinstoffliche Welt ist mit der irdischen in enger Verbindung, und es ist notwendig, das Denken in dieser Richtung zu verstärken. Wer die Bedeutung der Verbindung dieser zwei Welten versteht, wird in seinen irdischen Taten vorsichtig sein. Vorsicht gegenüber allen Energien kommt dem strebenden Geist zugute. Ein Haupthindernis ist Unverständnis gegenüber der Wirklichkeit des räumlichen Lebens, daß nämlich alles umgewandelt wird und daher alles gesühnt wird. Richtig ist auf das Gesetz des Karma hingewiesen worden, auf das Gesetz des Karma in Unendlichkeit. Vollkommene Bestrebung reicht bis in die Unendlichkeit, und so unbegrenzt sind auch die Möglichkeiten. Laßt uns auf dem Pfad zur Feurigen Welt ein bewußtes Verhalten zum Karmagesetz bekunden …

       Umwandlung der Zentren stärkt die schöpferischen Energien, die für den Übergang in die Feinstoffliche Welt erforderlich sind. Jedes geistige Streben erzeugt Ablagerungen, die beim Übergang in die Feinstoffliche Welt einen Aspekt von feinen Energien annehmen. Daher ist es so wichtig, in die höheren Sphären zu streben. Entzückung des Geistes und Freude des Herzens verleihen jene Energien, die den feinstofflichen Körper nähren. In der Tat, nur ein mit höheren Impulsen erfülltes Gefühl verleiht die nötigen Energien. Man muß verstehen, daß Imperil und grobe irdische Wünsche häßliche Geschwüre erzeugen, die der Geist im feinstofflichen Körper heilen muß. Geschwüre des Geistes werden in die feinstoffliche Welt hinübergenommen, wenn man sich nicht auf Erden von ihnen befreit. Befreiung von der physischen Hülle bedeutet nicht Befreiung von geistigen Geschwüren. Wenn der vor der Trennung von der Erde stehende Geist erkennt, wie er seine Energie genutzt hat, dann hat das Bewußtsein einen großen Teil gutgemacht. Doch das Bewußtsein muß zum Gedanken an die höheren Welten gelenkt werden. Selbst der schwerste Verbrecher kann auf das Verständnis für die Last des Karma hingelenkt werden, doch dafür ist es notwendig, die sozialen Zustände zu ändern. So sollte man sich auf dem Pfad zur Feurigen Welt an den Gedanken der Umwandlung der Zentren gewöhnen, denn Befreiung vom Körper bedeutet nicht Befreiung von geistigen Geschwüren.” (Feurige Welt, III)

       Bitte verwenden Sie okkulte Literatur mit äußerstem Unterscheidungsvermögen. Und werden Sie nicht zu abstrakt; die Dinge müssen so konkret wie möglich vorgestellt werden.

6. Mai 1934

       Sie sagen, Sie seien monogam. Dies ist zweifellos sehr wichtig für jeden ernsthaften Schüler. Doch für den wahren Fortschritt sollte die hingebungsvolle Liebe auf einen einzigen Lehrer gerichtet sein. Es gibt einige Lehrer der Großen Bruderschaft, die Schüler annehmen und sie lenken. Jeder, der den Pfad der Schülerschaft betritt (und dies bedeutet nicht nur Studium okkulter Schriften), muß sich zuerst in der Tiefe seines Herzens für den ihm am nächsten stehenden Lehrer der Bruderschaft entscheiden und sich ohne jedwede Einschränkung oder Bedingungen der Hohen Führung völlig hingeben. Doch sehr oft vergeudet der Gerufene und Strebende im Wunsch nach unverzüglichem Fortschritt seine Kräfte und sucht gleichzeitig nach anderen Großen Lehrern und Lehren. Durch diese Zwei- und Dreiteilung verwirkt er seinen Platz in der Stufenleiter des Aufstiegs. Überlegen Sie alles, was in der Lehre über die Wahl des Lehrers gesagt ist!

       Ich will nun einen Paragraphen aus der Lehre anführen: ”Sich im Herzen auf den Herrscher zu festigen, ist die erste Bedingung auf dem Pfad zur Feurigen Welt. Ohne diese feurige Forderung kann man die bestimmten Tore nicht erreichen. ”Führung” muß allerdings im Geist und im Herzen erkannt werden, denn nur die Hand des Herrschers anzunehmen, ohne ihm mit dem Herzen ergeben zu sein, ist unzulänglich. Das Gesetz, das den Lehrer mit dem Schüler vereint, muß verstanden werden, denn ohne feurige Hingebung an den Herrscher kann es keine Verbindung geben. Eine völlige Annahme der Führung bedeutet eine bewußte Verwandtschaft, denn man muß im Herzen die Wärme fühlen, die aus den Tiefen des Geistes aufsteigt. Es ist besonders notwendig zu fühlen und zu erkennen, wodurch das Wesen des Herrschers mit jenem des Schülers verbunden ist. So muß man daran denken, daß auf dem Pfad zur Feurigen Welt Schwingungen und Karma verbindende Glieder darstellen.” (Feurige Welt, III)

       Ja, es ist äußerst gefährlich, auf den ersten Stufen seine Kräfte zu zerstreuen. Vergessen Sie die Jahre der Bewährung und die Anpassung des Organismus nicht. Alle echten Schüler, die den Pfad des Dienens beschreiten, müssen diesen Prozeß durchmachen. Selbst ganz hohe Geister sind davon nicht ausgenommen. Alles vorher Gesagte ist für einen theoretischen Okkultisten natürlich nicht durchführbar. Doch wenn ich Sie recht verstehe, wollen Sie in die Gruppe echter Schüler eingereiht werden, und wie Sie sagen, ist es Ihr einziger Wunsch, dem Lehrer zu begegnen und unter seiner Führung zu arbeiten. Ich bin bestimmt noch niemandem begegnet, der, nachdem er, wenn auch nur oberflächlich, mit der Lehre bekannt geworden ist, nicht seine irdischen Lasten abwerfen und sich mit dem Lehrer und seiner Gemeinschaft verbinden wollte. Gewöhnlich wollen jene, die von der Lehre nur ganz oberflächlich etwas hörten, gleich in die Gemeinschaft der Großen Bruderschaft aufgenommen werden! Viele von ihnen haben nicht die geringste Vorstellung davon, daß ihr physischer Körper der ungeheuer angespannten Atmosphäre, die dieses Bollwerk umgibt, wohl kaum gewachsen ist. Man muß bedenken, daß hier auf Erden, inmitten der geistigen Kämpfe, inmitten aller Lasten und Schwierigkeiten des Lebens, inmitten aller prüfenden Kleinigkeiten des Alltags, eine Umwandlung des Organismus und der Nervenzentren vor sich gehen muß. Nur dieser Kampf erweckt die notwendigen Energien für die Umwandlung und das Ausleben aller primitiven Gewohnheiten und Neigungen. Das irdische Leben ist wahrlich ein Fegefeuer, und ohne dieses zu durchschreiten, ist es nicht möglich, ins Paradies einzutreten oder in die Bruderschaft zu gelangen. Diese Feuer der höheren Energien würden sonst die überlastete Aura verbrennen. Die Gemeinschaft der Bruderschaft ist von der allgemeinen irdischen Umgebung zu weit entfernt, um den notwendigen Prüfstein abzugeben.

       Darüber hinaus greifen die Herrscher ohne Ausnahme nie in das Karma des Menschen ein. Allein Karma kann eine Person in Ihre Gemeinschaft führen. Wenn daher solch ein Karma reif ist, kann nichts seine Verwirklichung aufhalten, ausgenommen der Mensch selbst. Möge dieses Gesetz Sie anfeuern! Wenden Sie Ihre ganze Bestrebung auf, um im Leben das zu üben, was Sie den Büchern der Lehre entnommen haben; überlassen Sie das übrige Ihrem Karma und dem großen Wissen des Herrschers.

       Nicht immer war es den Großen Seelen, die bestimmte Aufgaben zu erfüllen hatten, möglich, in ihrem irdischen Leben die Gemeinschaft der Großen Bruderschaft aufzusuchen. So ist beispielsweise Apollonius von Tyana in die Bruderschaft gerufen worden, doch da Er in seiner Inkarnation als Origenes die sehr schwierige Aufgabe auf sich nahm, die Reinheit der Lehre Christi zu erhalten, litt er im Gefängnis, anstatt in der Heimstätte der Bruderschaft zu weilen und hier an der freudvollen Arbeit teilzunehmen.

       Sagen Sie den Freunden, daß sie das Ende der Welt nicht 1936 zu erhoffen haben, wie dies vorausgesagt wird. Dergleichen wird nicht geschehen; es werden zwar wichtige Ereignisse eintreten, doch seien Sie versichert, daß es für jene, die mit ihrem ganzen Herzen an den Großen Lehrer gebunden sind, keine Gefahr gibt, durch kosmische Kataklysmen und Katastrophen vernichtet zu werden. Zur gegebenen Zeit werden alle verstreuten Weggefährten gesammelt werden, doch nicht gerade im Himalaja, weil es auch andere, nicht minder wichtige Orte gibt. Man sollte den Raum nicht mit festgesetzten Fristen belasten; doch es ist ratsam, geistig immer wachsam und zum Hinübergehen bereit zu sein. Obwohl es für die Zukunft die beste Übung ist, vorbereitet zu sein, um sich jederzeit trennen zu können, sollte man umso mehr Gewissenhaftigkeit und Fürsorge im täglichen Umgang bekunden.

* * *

       Die Errungenschaften des Hatha Yoga sollte man nicht überschätzen und glauben, daß ”die Adepten des Hatha Yoga in der Fähigkeit, Kundalini zu entfachen und verschiedene Siddhis zu erreichen, mit jenen des Raja Yoga auf einer Stufe stehen oder daß sie Seligkeit und Überwindung der Materie erlangen”. So ist es nicht! Die erlangte Stufe der Glückseligkeit solcher Adepten ist sehr relativ, und durch Hatha Yoga erlernen sie es nie, die Materie zu überwinden (in dem Sinn, wie es die Großen Lehrer verstehen). In der Lehre ist gesagt: ”Wir kennen keinen, der durch Hatha Yoga das Ziel erreichte.”

       Auch die Entwicklung der niederen Siddhis, welche die Hatha Yogis durch beharrliche und furchtbar schwierige mechanische Übungen erlangen (die westliche Literatur kennt nicht die Hälfte von diesem Entsetzlichen), ist nicht dauerhaft, und in ihren späteren Inkarnationen können diese Siddhis alle wieder verlorengehen. Wertvoll und von Dauer sind nur jene Errungenschaften, die sich ganz natürlich vollziehen, denn sie sind das Ergebnis innerer geistiger Entwicklung und können nicht verlorengehen. Nur auf diese Weise können die mächtigsten Erscheinungen erreicht werden. Hatha Yoga-Übungen sollten ein leichtes und sehr vorsichtiges Pranayama, das die Gesundheit stärkt, nicht überschreiten, andernfalls können sie schaden und zu Mediumismus, Besessenheit und Wahnsinn führen.

       Ganz richtig erachten die Inder von hoher geistiger Entwicklung den Hatha Yoga als sehr unangebracht und sagen, daß er bestenfalls für ”fettleibige und kranke Menschen” geeignet erscheint. Auch Vivekananda, von dem man jetzt sehr viel spricht, obgleich er Beispiele von gräßlich dämonischen Personen anführte, von denen er wußte, daß sie erstaunliche Wunder vollbrachten und aufgegebene Kranke durch einen Blick heilen konnten, war sehr gegen die sogenannten Siddhis und diese Wunder eingenommen.

       Für alle geistigen Lehrer ist daher der Magnet ihres Herzens die wesentlichste Prüfung, ihre okkulte Fähigkeit, die Umgebung geistig zu verändern und das Bewußtsein sowie das ganze Wesen ihrer Schüler zu verwandeln. Ihre Fähigkeiten liegen nicht in den sogenannten Wundern. Den feurigen Strahl der Synthese erlangt man durch offene Zentren und nicht durch niedere Siddhis. Wenn das Bewußtsein nicht mit dem Hohen Ideal in Wechselbeziehung steht, kann Pranayama nie die notwendige Reinigung verleihen und gute Ergebnisse zeitigen. Die höheren Yogaarten benötigen kein Pranayama. Jeder Kuli in Indien kennt Pranayama; der Durchschnittsinder vollführt es täglich, und trotzdem ist man von geistiger Errungenschaft weit entfernt. Verlassen Sie sich daher nicht nur auf Pranayama.

       Die höchste Errungenschaft eines Yogi ist das Öffnen des Auges Dangma; dies darf jedoch nicht mit Hellsehen verwechselt werden. Es ist das Erwachen der Wahrnehmungsfähigkeit, die nicht durch mechanische Mittel entwickelt werden kann, sondern das Ergebnis von Aufspeicherungen unaufhörlichen geistigen Strebens in Tausenden von Jahren ist, und dies offenbart sich durch im ”Kelch” gespeicherte feinste Energien. Ein echter Yogi sollte sein Bestes versuchen, diese alten Aufspeicherungen zu heben und neue zu sammeln und zu bewahren, andernfalls ist er nur ein belesener Okkultist.

       Ganz irrig ist es auch zu glauben, daß ”ohne die selbstlose Arbeit der Hatha Yogis die okkulte Wissenschaft nie die richtige Vorstellung von der Astralebene erlangt hätte…” Solch eine Behauptung gleicht einer Feststellung, wonach Ruhmkorff und Crookes ohne die Arbeit heutiger unerfahrener Kollegen die Grundlagen der Physik und Chemie nicht zugänglich gewesen wären! Oder daß ein Agrarfachmann von der Zusammensetzung des Bodens weniger verstände als ein gewöhnlicher Bauer.

       Darüber hinaus ist der Unterschied zwischen Raja Yoga und Hatha Yoga gerade ein qualitativer und nicht ein quantitativer, wie Sie glauben. Hatha Yoga kommt über niedere psychische Phänomene nicht hinaus und es gibt keinen Fall, wo ein Hatha Yogi zum Raja Yogi wurde – ihre Wege sind gänzlich verschieden. Die wahren ”wirksamen Perlen” enthalten Raja, Jnana, Bhakti und Agni Yoga, aber nicht Hatha Yoga, wie manche unwissende Leute glauben. Auch kann man künstliche Perlen den echten nicht gleichsetzen. Folgende Gedanken sind mir darüber hinaus nicht ganz verständlich: ”Nichtsdestoweniger verleiht auch Hatha Yoga seinen Adepten wirksame Perlen hoher Errungenschaften; ähnlich muß jeder Okkultist die Errungenschaft des Agni Yoga als einen ungeheuren Sieg des Geistes über das Fleisch erachten …” Hier wird Agni Yoga mit Hatha Yoga wieder auf dieselbe Ebene gesetzt, wogegen diese zwei Yogasysteme einander doch diametral gegenüberstehen. Es ist gesagt: ”Wahrlich, es muß gründlich erkannt werden, daß Agni Yoga mit Hatha Yoga nichts gemein hat!” Agni Yoga befaßt sich mit der höchsten feurigen Umwandlung der Zentren, was durch keine mechanischen Methoden erreicht werden kann, sondern eine direkte überwachende Einwirkung des Großen Lehrers erfordert. Die große Errungenschaft des Agni Yoga kann nur von einem Geist erlangt werden, der im Zentrum des Kelches über in Jahrhunderten gesammelte geistige Aufspeicherungen verfügt, während gerade das für Hatha Yoga völlig unwichtig erscheint.

       Eine andere für Agni Yoga sehr wichtige Sache ist es, daß die Errungenschaften im täglichen Leben erreicht werden müssen, wohingegen alle anderen Yogasysteme (ausgenommen Karma-Yoga) die Zurückziehung aus dem Leben verlangen und so für die gegenwärtige und künftige Evolution unzulänglich sind.

       Es ist ebenfalls ein Irrtum, jeden Anfänger im Yoga als einen ”Yogi” zu bezeichnen. Yoga – oder Vereinigung – wird nur durch harte und ständige geistige Übungen erreicht und kann, wie oben gesagt, nur durch karmische Aufspeicherungen beschleunigt werden. Daher ist es unrichtig zu sagen, daß ein Raja Yogi manchmal zum Fanatiker wird, ein Jnana zum intellektuellen Spekulanten und ein Bhakti zum Glaubenseiferer, der sich über ”gerechte Bestrafung” der Ketzer freut. Es wäre richtiger zu sagen, daß ”jene, denen entsprechende Veranlagungen anhaften, in ihren späteren Inkarnationen Raja Yogi werden können, was sich vorerst in Fanatismus äußert; daher jene, die zu Jnana neigen, als intellektuelle Pedanten erscheinen, und jene mit Hang zum Bhakti heute Bigotte sein können.” Hat man jedoch einmal die Stufe des echten Yoga erreicht (ob Raja, Bhakti oder Jnana), kann es eine Entartung der führenden Grundsätze auf solch starke Weise wirklich nicht mehr geben. Ein König des Geistes kann nicht fanatisch werden, und ein Jnana-Philosoph, der über das Auge Dangma verfügt, kann kein eitler intellektueller Pedant sein, noch kann ein Bhakti – ein Herrscher des kosmischen Magneten des allumfassenden Herzens – sich über ”gerechte Bestrafung” freuen. Wenn die Lehre andeutet, daß ”Zeichen des Hatha Yogi in einem unerträglichen Athleten, Zeichen des Bhakti Yogi in einem Bigotten und Zeichen des Raja Yogi in einem Fanatiker” vorhanden sind, wird auf die charakterlichen Veranlagungen hingewiesen, die zu der einen oder anderen Art von Yoga führen können, sobald sie durch geistiges Feuer umgewandelt werden. Doch nicht umgekehrt!

       Man sollte auch einsehen, daß Hatha Yoga vor allem deshalb gefährlich ist, weil er den Astralkörper stärkt, so daß dieser für eine lange Zeit in den niederen Astralebenen festgehalten wird, was die Evolution des Geistes hindert. In den Tempeln Indiens war und ist es auch heute noch Brauch, für bestimmte niedere Phänomene astraler Art Hatha Yogis zu halten. Diese werden angehalten, ein sehr reines Leben zu führen, in höhere geistige Mächte werden sie aber nie eingeweiht. Und wenn solch ein Hatha Yogi aus dem Tempel scheidet, wird er nie wieder aufgenommen, denn es kann sein, daß er, frei geworden von der hohen Überwachung, in die niederen Sphären der Feinstofflichen Welt gerät, und solch ein Yogi wird ein Opfer und oftmals Werkzeug der finstersten Kräfte. Das ist der Grund, warum die Hierophanten in Ägypten es vermieden, medial veranlagte Schüler sowie lymphatische Diener aufzunehmen. Kein einziges Medium, kein Lymphatiker kann ein echter Agni Yogi werden.

       Die Großen Lehrer sorgen sich über das Vorherrschen des niederen Psychismus auf Kosten echter Geistigkeit. Ohne das Verstehen und die Anwendung der LEBENDIGEN ETHIK, ohne Geistigkeit, kann der niedere Psychismus zu beklagenswerten Folgen führen. Um als Schüler aufgenommen zu werden, ist es daher vor allem notwendig, Selbstvervollkommnung zu üben, sich moralisch und geistig zu bessern und die Lehre im Leben anzuwenden. Dies wird das Bewußtsein erweitern und das notwendige Gleichgewicht verleihen. Die Lehre ist schön und wahr, wenn sie erkannt wird, doch Tricks des Pseudookkultismus sowie der Magie führen nicht zur echten Schülerschaft.Wenn das Gefäß aus der Höheren Quelle gespeist werden soll, muß die entsprechende hohe Schwingung hergestellt werden. Die Anwendung der LEBENDIGEN ETHIK im Leben ist der schnellste Weg zum Ziel.

       Groß ist die Aufgabe, das Bewußtsein der Menschen durch Heldentat (”Podwig”) zu entfachen, weil das menschliche Wesen dadurch verwandelt werden kann. Vielleicht war nie im Leben der Gedanke an die Heldentat von solcher Bedeutung wie gerade jetzt. ”Podwig” – welch schönes Wort! Wie ausdrucksvoll! Ungeachtet dessen, wie bemerkenswert es ist, gibt es in keiner anderen westlichen Sprache ein Äquivalent dafür. So bedenken Sie bitte, daß Vereinigung mit dem Lehrer nur über das Herz, durch reines Denken sowie die stete unermüdliche Arbeit der Selbstaufopferung erreicht werden kann.

       Und nun eine weitere Warnung: Theoretischer Okkultismus ist sehr gefährlich. Der Markt ist mit vielen schädlichen Büchern überfüllt. Vielleicht (und es ist gut so) wurden nicht alle in die russische Sprache übersetzt. Es ist gesagt, daß ”viele von ihnen durch Hände geschaffen wurden, die jeder Schönheit, jedes Wissens und jeder Ehrlichkeit ermangelten.”

       Vom großen Lehrer wurde gesagt, daß ”nur Frau Blavatsky echtes Wissen besaß”, und es ist unsere Pflicht, das Gedenken an diese große Märtyrerin zu rehabilitieren. Würden Sie alle verleumderischen Schriften über Frau Blavatsky kennen sowie den ganzen Verrat und die Hinterlist, von der sie umgeben war, Sie wären entsetzt. Soviel Undank, Verwerflichkeit und Unwissenheit! Und vor allem aus letzterer rührt die ganze Niedertracht her.

* * *

       Sie fragen, ob Sie in dem Artikel ”Das Friedensbanner” nicht zuviel gesagt haben. Meine Antwort ist: Durch zu viele Untersagungen kann man Furcht erregen und die Bestrebung hemmen. Oft mag sogenannte Sorglosigkeit, wenn die Absichten gut sind, gut ausgehen, doch machen Sie daraus keine Regel. Sorgfalt und Vorsicht gehören zu den ersten Eigenschaften jedes Schülers, denn es muß ihm bewußt werden, mit welchen Energien er es zu tun hat.

       Ich bitte Sie, über meine Bemerkungen nicht ungehalten zu sein. Ich weiß, daß Sie mutig sind und ein echter Schüler und Mitarbeiter werden können, und daher schreibe ich Ihnen ohne Sentimentalität und Komplimente. Sie wissen, was die Lehre sagt: ”Die Lehre ist kein Honiglecken… nur wer stark ist im Geist, kann das Ziel erreichen und als Schüler angenommen werden.” Die Lehre der LEBENDIGEN ETHIK ist in ihrer Lebendigkeit und Strenge sowie in der Kürze ihrer klaren Regeln schön.

25. Mai 1934

       Sie schreiben, daß die Menschen heute unfähig sind, geistige Ideen wahrzunehmen. Doch gab es je bessere Zeiten? Es scheint mir, daß es heute ein stärkeres Suchen nach Wahrheit gibt als je zuvor. Ernste Schwierigkeiten zwingen viele, über bestimmte Dinge nachzudenken und den gegenwärtigen Ereignissen tiefer auf den Grund zu gehen. Wir hatten das Glück, herrlichen Seelen zu begegnen, und viele von ihnen, obwohl sie großes Elend durchzumachen hatten, blieben standhaft und gaben ihre selbstlose Arbeit für das Allgemeinwohl nicht auf.

       Sie haben recht: Wir brauchen Synthese in unserer Zeit, doch die Menschheit kann sie nicht annehmen oder erkennen, denn Synthese oder Erleuchtung des Geistes ist eine der seltensten Errungenschaften. Diese Synthese ist eine Aufspeicherung vieler Energien, die in vielen selbstlosen Leben kristallisiert wurden. Gibt es aber viele selbstlose Arbeiter für das Licht? Daher kann die öffentlich gelehrte und gepredigte Synthese nicht die richtigen Ergebnisse zeitigen. Wie Sie selbst sagen, werden die Vorträge von vielen besucht, die dafür nicht reif sind und oft nur aus Neugierde kommen. Echte Suchende sind erwünscht, die soviel wie möglich aufnehmen können. Die geistigen Führer sollten natürlich über geistige Synthese verfügen und sie weise offenbaren. Sie sollten jeden Fall individuell studieren und entsprechend der Aufnahmefähigkeit gerade soviel mitteilen, als notwendig erscheint. Der Führer sollte für jeden die richtigen Worte finden. In seinem allumfassenden Herzen sollte für jeden Platz sein, der aufrichtig seine Hilfe sucht. Niemand sollte ihn mit dem Gefühl verlassen, durch die Breite seines Standpunktes beklemmt zu sein. Er sollte genau wissen, was eine Person aufnehmen kann, dann kann er Freude vermitteln.

       Sie schreiben, daß es in ihrem Land vielleicht leichter sein wird, die Synthese herzustellen. Wollen wir hoffen, daß der erwählte Führer solche Synthese besitzt, denn wahrlich, man kann in erster Linie nur durch Synthese aufbauen; das Unheil der jetzigen Zeit entsteht durch Mangel an Synthese im Geist der Führer.

       Ich zitiere aus der Lehre: ”Der Führer steht auf dem Gipfel, der nie verlassen werden kann. Nur ein geborener Führer kann die Grenze zwischen entgegengesetzten Begriffen herausfinden. Hinter verborgenen Grenzen wird der Teppich des Sieges gewoben. Jeden Tag, jede Stunde bezwingt der Führer Rätsel. Hier findet er Nachsicht und da bedarf es der Strenge. Natürlich, eines ergibt das andere, doch dazwischen ist ein Schwert der Gerechtigkeit. Nachsicht kommt aus dem Licht, doch Charakterschwäche aus der Finsternis. Dazwischen liegt auf dem Gipfel das Schwert des Führers. Schmal ist die Stelle, wohin das Schwert gelegt werden kann. Genauso schmal ist die Grenze zwischen Mut und Grausamkeit. Nur das Herz des Führers kann die Grenze fühlen.

       Das Rätsel der Gerechtigkeit ist nicht nur in großen Dingen; das ganze Leben ist erfüllt von diesen Rätseln. Daher teilt der Führer die Dinge nicht in ”Großes” und ”Kleines”. Die Aufmerksamkeit des Führers ist allen Entscheidungen gegenüber gleich wachsam. Der Führer bittet nicht um Rat, doch er ist immer bereit, Rat anzunehmen. Er kommt nie zu spät und wird durch langes Verweilen niemanden aufhalten. Er kennt den Vorzug, unerwartet zu erscheinen, und er kann im voraus die benötigte Zeit berechnen. Er sorgt sich nicht über Verleumdung, und er versteht, jedes Wort richtig zu gebrauchen. Er läßt sich nicht bestechen, da er nicht der Versuchung irdischen Wohlstands unterliegt. Er versteht die Bedeutung der Farbe und des Tons, denn er ist ein Heiler der Menschenherzen. Er freut sich über die Wahrheit, doch Illusion lehnt er ab. So ist der Pfad des Führers der Pfad der Wahrheit ”.

       So viele Vorschläge werden den Führern auf den Buchseiten der LEBENDIGEN ETHIK gegeben. Jedes Buch spricht von Toleranz, von der Fähigkeit des Erfassens und Begreifens – sind diese nicht wirklich die Grundlagen der Synthese?

26. Mai 1934

       Beigefügt finden Sie die Antworten auf Ihre Fragen:

       1.) Die Vorstellung der Einheit des Kosmos wurde der Menschheit in frühesten Zeiten in der ”Ersten Offenbarung” gegeben – deren Andenken in vielen heiligen Überlieferungen von Bildern und Schriften des Altertums bewahrt ist.

       2.) In alten Zeiten gab es in allen Nationen – wie auch noch heute – immer zwei Typen von Religion: eine für die Eingeweihten und eine für die Massen. Mit anderen Worten, eine esoterische und eine exoterische; und erwägt man den Entwicklungszustand der Massen jener Zeit, so ist das ganz selbstverständlich.

       3.) Für die Eingeweihten waren die Götter nur Personifikationen bestimmter kosmischer Kräfte. Dies erklärt oft die seltsamen Aspekte dieser Götter wie auch die tierähnlichen Symbole.

       4.) Moses war wahrhaftig ein großer Führer, und Sie sagen ganz richtig, daß er der Schöpfer Israels war. Moses war jedoch nicht verantwortlich für die Vorstellung des Monotheismus; diese Vorstellung bestand seit ältesten Zeiten. Daher ist die Ansicht, das jüdische Volk habe diese Vorstellung in die Welt gebracht, unrichtig.

       Moses war als Schüler der ägyptischen Priester in deren geheimes Wissen eingeweiht: Einheit des Kosmos, Einheit in seiner ganzen Vielfalt. Und die Vorstellung der Einheit bestätigte er als Monotheismus – genau gesagt, den Massen gegenüber, indem er Jehovah als einen Aspekt der Göttlichkeit darstellte. Es gab aber auch andere Gründe, warum das Bild Jehovahs zum Herrschenden Element oder Gott für das jüdische Volk wurde. Denken wir nur daran, wie weit fortgeschritten die Wissenschaft der Astrologie im alten Ägypten war. Jehovah war mit Saturn verbunden und Israel wurde als individuelles Volk unter diesem Planeten geboren.

       Obgleich die Vorstellung des Monotheismus in der exoterischen Religion der Juden besonders hervorgehoben wird, ist ihr heiliges Pantheon so reichhaltig wie jenes anderer Menschen, einschließlich der Christen: die Hierarchie der Kräfte, die Jakobsleiter und alle von der katholischen Kirche verehrten Planetaren Geister.

       5.) Moses war ein Jude, und alle Hinweise auf seinen ägyptischen Ursprung sind falsch. Auch vom rein psychologischen Standpunkt aus ist solch eine Meinung sehr unkritisch; die ganze Wesensart, die gesamte Entwicklung widerspricht dieser Epik des Moses total.

       6.) Moses war ein Führer und Herrscher im wahrsten Sinne dieser Begriffe, und ihm oblag die schwierige Aufgabe, aus einem Nomadenstamm, der sehr lange versklavt war und folglich viele negative Eigenschaften entwickelte, ein einheitliches Volk zu schaffen. Aus solch einem Stamm mußte er einen Staat aufbauen und ihm die Grundlagen des Aufbaus sowie eine Staatsform verleihen. Alle Andeutungen über die Grausamkeit und Rachsucht seiner Gesetze sind ganz unbegründet; studiert man seine Gesetze objektiv, dann ist man erstaunt, wie weise und barmherzig sie sind. Sie sind in mancher Hinsicht edelmütiger als unsere heutigen Gesetze. Und wenn wir als Realisten unsere eigene von Schrecken und grausamsten Verbrechen erfüllte Zeit betrachten, müßten wir die Grausamkeiten Moses’ richtig zu beurteilen wissen.

       Darüber hinaus: Würden Sie die Vernichtung von wilden, tiergleichen Menschen als grausam erachten? Denn es gab unter den aus Ägypten ausgewiesenen Israeliten viele unzivilisierte, tierähnliche Kreaturen – auch die Bibel stellt dies fest. Der Führer hatte das beste Menschenmaterial zu retten, aus dem er die künftige Nation aufzubauen hoffte. Daher war Strenge aus Gerechtigkeit und Barmherzigkeit notwendig. Strenge und Barmherzigkeit beruhen auf demselben Prinzip.

       7.) Auch in bezug auf den viel zitierten Ausspruch ”Aug’ um Aug’, Zahn um Zahn” (Exodus 21:24), der immer als Beispiel der Rachsucht angesehen wird, glauben Sie nur nicht, daß dieser etwas mit dem unvermeidlichen Karmagesetz zu tun hat. Erwägen Sie folgende Worte Christi ”Ihr habt gehört, daß den Alten gesagt wurde: Du sollst nicht töten, wer aber tötet, der soll dem Gericht verfallen. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder zürnt, soll dem Gericht verfallen. Wer aber seinem Bruder sagt ”Raka” (= ein Ausdruck der Verachtung), der soll dem Hohen Rat verfallen, wer aber sagt Du Tor (oder Du Gottloser), der soll der Feuerhölle verfallen” (Matth. 5:21-22). Diese von Christus gesprochenen Worte finden wir weit strenger als die Worte Moses’, wenn wir dabei nicht das Karmagesetz in Betracht ziehen. Laßt uns daher gerecht sein.

       Dann im gleichen Kapitel (17-18) sagt Christus: ”Glaubt nicht, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten zu zerstören. Nicht zum Zerstören, sondern zum Erfüllen bin ich gekommen. Wahrlich, ich sage euch, bis der Himmel vergeht mitsamt der Erde, wird nicht ein Jota oder ein Strichlein vom Gesetz vergehen, bevor alles geschehen ist ”. Und die Juden lebten, wie wir wissen, nach dem Gesetz Moses’. Die folgenden Verse (38-39) im selben Kapitel mögen etwas widersinnig erscheinen: ”Ihr habt gehört, daß gesagt wurde: ”Aug’ um Aug’, Zahn um Zahn”. Ich aber sage euch: Widersteht dem Bösen nicht. Vielmehr, schlägt dich einer auf die rechte Backe, so halte ihm auch die andere hin”. Doch diese Feststellung Christi müssen wir auch mit dem Karmagesetz in Zusammenhang bringen. Ich will versuchen, dies noch näher zu erklären.

       Stellen wir uns vor, daß Moses sich dem Bösen nicht widersetzt und den übelsten und grausamsten Elementen erlaubt hätte, die Besten, die eine Vorstellung von Moral und Ordnung hatten, zu vernichten. Was wäre dann aus seiner Aufgabe geworden?! Seine Pflicht als Führer und irdischer Gesetzgeber war, sein Volk zu schützen und Ordnung aufrechtzuerhalten. Daher war es grundsätzlich notwendig, sich dem Bösen zu widersetzen. Alle Lehren des Altertums fordern, gegen das Böse aktiven Widerstand zu leisten. So pflegte Chinas weiser Gesetzgeber Konfuzius zu sagen ”Gutes für Gutes, doch für Böses Gerechtigkeit.”

       Im Kosmos tobt ein fortwährender Kampf zwischen dem sichtbaren und dem unsichtbaren Chaos. Es ist der Kampf der Kräfte des Lichts gegen die der Finsternis. Christus selbst widersetzte sich aktiv gegen das Böse, sofern wir dem Evangelium Glauben schenken wollen. Denken wir an die Vertreibung der Händler aus dem Tempel und an all seine strengen Anklagen gegen die Schriftgelehrten und Pharisäer. Müßten wir Ihn nicht des Widerspruchs bezichtigen? Und wieder werden wir, wenn wir uns bemühen, die Worte Christi objektiv zu lesen, eine in ihrer Barmherzigkeit strenge Lehre wahrnehmen. Daher betrachte ich die Worte ”Widersteht dem Bösen nicht. Vielmehr, schlägt dich einer auf die rechte Backe, so halte ihm auch die andere hin” vom Standpunkt des Karma aus. Wenn dieses Karmagesetz ”Aug’ um Aug’, Zahn um Zahn” unumgänglich und absolute Gerechtigkeit ist, so bedeutet es auf keinen Fall, daß wir es persönlich auf diese Weise erfüllen sollten. Tun wir es, so werden wir aus dem magischen Kreis von Karma nicht herauskommen. In der Tat, wir müssen unseren persönlichen Feinden vergeben, denn wer weiß, ob der erhaltene Schlag nicht ein nach dem Karmagesetz wohlverdienter Rückschlag ist? Doch durch Vergeltung eines solchen Schlages mit einem Rachegefühl im Herzen leben wir Karma nie aus, sondern wir verlängern und verstärken es auf für uns übelste Weise. Indem wir unseren Feinden vergeben, vermindern wir darüber hinaus die Summe des Übels im Weltenraum und werden gegen viele Schläge immun. Gleicherweise laßt uns die Worte ”Liebet eure Feinde …” verstehen. Jedoch trotz allem müssen wir uns dem Bösen widersetzen, wenn wir nicht ganz von ihm überwältigt werden wollen.

       Es gibt viele Arten, sich dem Bösen zu widersetzen. Vor allem durch die Kraft des Geistes und ohne Haß geleisteter Widerstand ist, okkult gesprochen, hundertfach stärker. Alle diese Behauptungen Christi beweisen, daß Er ein Eingeweihter war und die Stärke des Rückschlags kannte. In diesem Sinne sollte man auch die Worte im Deuteronomium (5. Buch Moses) ”Mein ist die Rache und Vergeltung” verstehen. Der Apostel Paulus verwendete diesen Denkspruch in seiner Epistel an die Römer. Wir sehen wieder, daß Christus nicht kam, um zu vernichten, sondern um das Gesetz zu erfüllen.

       Außerdem kennen wir die Gesetze des Moses nicht genau und vollständig. Laßt uns nicht vergessen, daß die ganze Bibel rekonstruiert ist, abgesehen von den vielen Ungenauigkeiten und Auslassungen in den zahlreichen Übersetzungen. Wir brauchen gar nicht das Alte Testament zu erwähnen, auch im Neuen Testament gibt es viele Widersprüche; zum Beispiel gibt es Unterschiede zwischen der englischen und russischen Version.

       8.) Die Kabbalah, wie jedes andere religiöse und philosophische System, ist ein Widerhall der Heiligen Lehren des Ostens – durch die Veden, Upanishaden, die Lehren von Ägypten, Chaldäa, Assyrien, von Orpheus, Pythagoras u. a. Auf jeden Fall ist das Substrat der Kabbalah anderen Systemen sehr ähnlich. Die Grundlagen der Kabbalah stammen aus dem fernen Altertum. In der ”Geheimlehre” von H. P. Blavatsky ist darauf hingewiesen, daß die Juden ihre Begriffe der Kosmogonie von Indien, Chaldäa und Ägypten entlehnt haben. Folglich mußte Moses, da er ein Schüler der ägyptischen Priester war, die Karmalehre gekannt haben. In der ”Geheimlehre” ist ebenfalls aufgezeigt, daß das jüdische Volk ursprünglich aus Indien kam. Einer der niederen Tamilenstämme kam aus Indien, und vermischte sich auf seinen Wanderungen durch Heirat mit den semitischen Stämmen.

       Weiter ist in der ”Geheimlehre” gesagt ”Da die Juden die Lehre Christi nicht annahmen, schlossen sie sich selbst von der weiteren geistigen Evolution aus.” Dies stellt einen Fall dar, der Seite an Seite mit anderen ähnlichen Fällen steht. Durch Ablehnung der von Christus gebrachten reinen alten Lehre sowie durch die Zulassung, daß er getötet und seine Jünger verfolgt wurden, haben die Juden sich ein schweres Karma aufgeladen. Auf die gleiche Art bereitete sich das indische Volk sein trauriges Schicksal durch Nichtannahme der Lehre Buddhas und durch Verfolgung seiner Schüler. Buddha brachte Indien Freiheit durch Ablehnung des Kastensystems; doch durch Ablehnung des Buddhismus wählte Indien Sklaverei. Die theoretische Annahme der Lehren Buddhas und Christi ist eine Sache für sich, doch es ist eine ganz andere Sache, sie zu befolgen und über das Herz zu verwirklichen. Ein wahrer Nachfolger Christi oder Buddhas ist, wer die einzige grundsätzliche und universelle Doktrin erkennt und danach lebt. Nur solch ein Nachfolger beschreitet den Weg der Evolution.

       Die Lehre Christi ist bis zur Unkenntlichkeit entstellt, und jetzt ist für die christliche Welt die Zeit gekommen, ihr Karma selbst zu bestimmen.

       9.) In dem Bestreben, ihre Kastenvorrechte zu wahren, fahren die Brahmanen fort, in unwissenden Gemeinschaften den fürchterlichsten Aberglauben zu hegen. In diesem Konglomerat von Aberglauben und Riten, deren ursprüngliche Bedeutung verlorenging, ist es schwierig, die Funken einstmals großen Wissens zu erhaschen. Doch die Brahmanen lehnen das Gesetz der Wiedergeburt nicht ab und fürchten es nicht, da sie davon überzeugt sind, daß jeder Brahmane als ”zweimal Geborener” in keiner niedereren Kaste inkarniert. In alten Zeiten bedeutete die Bezeichnung ”zweimal geboren” geistige Geburt oder Einweihung, doch später wurde sie zum kennzeichnenden Merkmal allgemein angeborener Eigenschaften jedes Brahmanen.

       Die meisten Brahmanen sind regelrechte Parasiten am kranken Körper Indiens. Die Degeneration dieses Landes ist ein unmittelbares Ergebnis des schrecklichsten, grausamsten Kastensystems. Doch heute lehnen sich die gebildeten Klassen Indiens bereits gegen die strenge Begrenzung der Kasten auf. In manchen Teilen Indiens ist es den unteren Kasten schon gestattet, die Tempel zu besuchen. Auch die Frauen Indiens erwachen bereits, und dies kann zum Hauptfaktor der Regenerierung des ganzen Landes werden.

       10.) Nun über die Schutzengel. Es ist wahr, daß jedes menschliche Wesen seinen eigenen Schutzengel hat. Doch wir dürfen diese Schutzengel nicht nur als Wesenheiten aus den höheren Sphären verstehen, sondern häufig auch als unseren eigenen Geist, unsere höhere Triade oder unser wahres individuelles Ego, das leider sehr selten eine Person befähigt, seiner Stimme zu lauschen. Manchmal ist diese Stimme als unser Gewissen bekannt.

       Wahr ist auch, daß viele Menschen durch verstorbene Freunde und Verwandte geführt werden, die ihnen Hilfe angedeihen lassen.

       Die wahren Schutzengel sind die Großen Geister der Hierarchie des Lichts, (die Große Heilige Bruderschaft), welche die menschlichen Nöte und die Evolution überwachen. Einige dieser Schutzengel werden (allerdings in den seltensten Fällen) zu Führern von außergewöhnlichen Individuen. Ihr Strahl sucht ständig nach neuerwachten Bewußtseinen und jenen entflammten Herzen, um sie zu schützen und zu lenken. Doch in unserer Zeit sind die vermeintlichen Schutzengel leider größtenteils finstere Besessene aus den niederen Sphären, deren Stimme viel leichter aufgenommen wird, da sie sich von den irdischen Wünschen nicht unterscheidet. Doch wehe denen, die solch einer Annäherung stattgeben!

       Hier möchte ich einen Paragraphen aus der Lehre anführen: ”So viele Entstellungen, so viele Ungenauigkeiten haben sich in die Lehren eingeschlichen. Wahrlich, jede Bestrebung zur Reinheit ist großer Dienst. Jedes Bestreben, die Wahrheit wiederherzustellen, wie sie der Menschheit übergeben wurde, ist feuriges Dienen. Die wahrgenommenen schwarzen Fäden stellen nicht nur die Finsternis der irdischen Atmosphäre dar, sondern auch jenes Gewebe, das das menschliche Gemüt und das Herz bedeckt. Man kann sich schwer vorstellen, wie viele Gemüter durch üble Auslegungen getrübt wurden; jeder Mensch ist mit Spannung erfüllt, neue Auslegungen zu suchen, geht jedoch weiter von der Wahrheit ab. Die Zersplitterung wird lebhaft bestätigt in den Religionen, in der Wissenschaft und im ganzen Schaffen. Jede Welt steht mit einer anderen in Wechselbeziehung. Jede Wahrheit entspringt einer anderen Wahrheit. Wahrheit wird nur dem offenen Herzen enthüllt. So gibt das gespannte Bewußtsein, das den Puls des Kosmos fühlt, mit leuchtenden Gedanken den eigenen Pulsschlag weiter. Wahrlich, großartig ist der dem feurigen Herzen enthüllte feurige Puls.” (Feurige Welt, Bd. III)

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