Kunstdrucke mit Motiven von Roerich Nicholas und Roerich Svetoslav

 

 


Briefe von Helena Roerich, Band II, 1929 - 1935 >> 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9.


       1. 4. 1937

       Uns ist jede Einigkeit in der Arbeit für das Allgemeinwohl teuer sowie die dazu notwendige Vorbereitung des Bewußtseins, die Neue Welt anzunehmen, die aber auf eine Weise naht, wie es sich viele von uns nicht vorstellen können. Der Luxus der Zerstörung in all seinen Methoden und Graden muß der Vergangenheit angehören. Erkenntnis der Verantwortung, Streben nach Synthese und Schaffenskraft in weitreichender Zusammenarbeit wird das rettende Gleichgewicht auf dem Planeten wieder herstellen.

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       Mit Traurigkeit habe ich Ihren Brief gelesen, in dem Sie die Krankheit eines Mannes schildern. Wie kann ich helfen, wenn sein Zustand fast hoffnungslos ist? Heilung ist nur zu Beginn der Krankheit möglich, aber es ist schwierig, helfend einzugreifen, wenn alles verneint wird. Was sich bereits in Zersetzung befindet, läßt sich nicht wieder herstellen. Ich möchte Ihnen einen Paragraphen aus dem neuen Buch anführen: ”Es gibt viele Fälle, wo Menschen für die dringendsten Anweisungen unzugänglich geblieben sind. Doch im Augenblick, wo Unglück eintritt, erinnern sie sich blitzartig, daß ihnen Hilfe geboten wurde, aber dann ist es zu spät. Gewöhnlich meinen die Menschen, daß in allen Stadien der Umstände gleiche Hilfe geboten werden kann. Kann man aber Heilung erhoffen, wenn sich der Organismus bereits zersetzt? Man kann eine fehlende Hand nicht wachsen lassen, ein bereits vertrocknetes Gehirn nicht wieder beleben. Viele Fälle können angeführt werden, wo Menschen nach Wiedererweckung von Verstorbenen flehten. So ein Verhalten beweist nur völliges Unverständnis dafür, wie mit den Energien umzugehen ist.”

       Ja, von außen gesandte Energie kann helfen, wenn eine solche auch im Kranken vorhanden ist, denn in allem ist Mitwirkung erforderlich. In der Tat, alle sogenannten ”Wunderheilungen“ können sich nur vollziehen, wenn die im Kranken vorhandene psychische Energie oder Nervenkraft durch den Kontakt mit einer mächtigeren Energie Auftrieb erhält. Ist aber der Vorrat dieser Energie in ihm erschöpft, wie oder wodurch soll dann die gesendete Energie empfangen werden? Wahrlich, es gibt keine Wunder! Für jede Energietätigkeit sind eigene Bedingungen notwendig, und ist die wesentliche Bedingung nicht vorhanden, wie kann man ein positives Ergebnis erwarten? Aus diesem Grunde wird so eindringlich zur geistigen und physischen Vorbeugung geraten.

       6. Mai 1937

       Wir begrüßen die Herausgabe von Sonderdrucken über ein bestimmtes Thema und erhoffen vor allem ernsthafte Artikel, die sich mit der Bedeutung und der Macht des Gedankens, der Gedankenübertragung auf Entfernung sowie der psychischen Energie befassen. Derzeit muß primär allem Aufmerksamkeit geschenkt werden, was die Gedanken auf neue Entdeckungen auf dem Gebiet der feinsten Energien vorantreibt. Die Zeit für diese Energie ist gekommen, überall auf der Erde blitzen verschiedene Erscheinungen auf. Allein durch Sammeln von Zeitungs- und Zeitschriftenartikel kann man eine Reihe von bemerkenswerter Erscheinungen und Entdeckungen erwerben.

       Nun will ich Ihre Fragen beantworten:

       1. Lebende Blumen, womöglich keine Schnittblumen, sind wegen ihres Duftes und ihrer Schönheit immer, zu jeder Gelegenheit, nützlich. Belebender Duft vertreibt die niederen Wesenheiten, die sich an Zersetzungsherden anklammern wollen. Daher wären bei Todesfällen Geldspenden für wohltätige Zwecke nützlicher als Kranzspenden. Könnten die Menschen sich doch dazu entschließen, den schönen Brauch, zum Andenken an die Verstorbenen die besten Geschenke auf Erden zu bringen, aufzugeben und sich damit begnügen, ein Viertel in eine Wohltätigkeitsbüchse zu geben.

       Es wird Sie vielleicht interessieren, daß man in Atlantis folgendem Brauch huldigte: Der Verstorbene wurde nicht berührt, sondern stark mit Eukalyptusöl besprengt, gleich darauf mit dem Leichentuch bedeckt und mit Blumen überhäuft. Neben der Leiche brannten drei Tage und Nächte in einem geschlossenen Kreis Feuer, und sobald der Astralkörper ausgetreten war, wurde der physische Körper verbrannt. Dies ist ein sehr weises Ritual. Ist der Wille träg, so tritt auch der Astralkörper sehr träge aus. Manche können alles zur rechten Zeit vollführen, andere hingegen brauchen in allem länger; das ist jedoch kein Grund, jemandem die Fersen zu versengen! In Indien werden die Leichen oft zu schnell verbrannt, und dadurch können dem feinstofflichen Körper beträchtliche Verletzungen zugefügt werden. Diese Information habe ich meinen Aufzeichnungen über Atlantis entnommen. Diese Rituale und das heilige Leichentuch nannte man ”Friedliche Läuterung“.

       2. Unnatürlich große Ohren an Buddha-Statuen waren eine spätere Neueinführung und symbolisieren Allwissenheit. ”Sie deuten auf die Macht Dessen hin, Der alles weiß und hört und von Dem segensreiche Liebe sowie Beachtung aller lebenden Kreaturen ausgeht.” Die Idee entlehnte man einer esoterischen Allegorie. Eine Nachahmung solch verlängerter Ohren kann man nur noch unter den Burmesen und Siamesen finden, die ihre Ohren künstlich entstellen. Im zweiten Band der ”Geheimlehre“ im Kapitel über Symbolismus, wo von den Statuen in Bamian (afghanische Landschaft im Hindukusch; riesige Buddhastatuen und Wohnhöhlen) die Rede ist, wird dies bestätigt.

       3. Da sich alle Phänomene durch Willenskonzentration vollziehen, ist es wesentlich, auf welchen Gegenstand man sich konzentriert. Das ist es, was H. P. Blavatsky meinte, als sie von der Konzentration auf den kleinen Finger sprach.

       4. Alle äußeren Impulse wirken sich im Kopf aus; daher wäre es richtiger, sie als ”Impulse der Chakras“ zu bezeichnen und nicht einfach als ”Chakras“. Darüber hinaus beeinflussen sie zwar die Nervenzentren, lenken sie aber nicht. Das Wesen aller Chakren ruht im Herzen.

       5. Wie kann man sich mit einem überholten Bewußtsein der Neuen Welt nähern? Neue Bewußtseine können nicht in alte Gefäße gesteckt werden. Das Nahen der LEHRE DES LEBENS, die zu den Grundlagen der Neuen Welt führt, erfordert ein klares und scharfes Bewußtsein. Man kann Errungenschaften nicht unterdrücken. In den Massen ist der Durst nach wahrer Freiheit, der in der Freiheit des Denkens und in der Gewissensfreiheit besteht, erwacht. Weder Weihrauch noch Weihwasser werden die Menschen in überwundene Ketten drängen. Nur WISSEN, erleuchtet von der vollen Macht der Entdeckungen neuer Energien, wird den Weg in ein geistig wieder auflebendes Land finden. Alles Schöne muß bewahrt werden, aber alle nutzlosen Anhäufungen und aller Tand der Jahrhunderte müssen vergehen. Wahrhaftig, das neue Verstehen der Testamente der Großen Lehrer muß ins verwandelte Leben eingehen.

       Hier einige Paragraphen aus dem neuen Buch: ”Worin besteht denn der Fortschritt? Manche meinen, er sei ein ausschließliches Erkennen des Neuen. Ist solch eine Deutung nicht einseitig, und muß man hier nicht hinzufügen: Ordnen und Einreihen des Alten? Mehrfach wurde darauf hingewiesen, daß die Menschen theoretisch zu Neuem hinstreben und dennoch fortfahren, im alten Schweinestall zu wohnen. Mancher hält Vorträge über Reinheit, ist jedoch selbst äußerst schmutzig. Wird solch ein Lehrgang überzeugen? Oder ein träger Mensch ruft zur Arbeit auf, wer aber wird ihm Aufmerksamkeit schenken? Fürchten wir uns daher nicht, solche einfachen Beispiele zu nennen, denn im Leben gibt es davon unzählige. Wer immer über Harmonie nachdenkt, weiß, daß ein Haus, in dem alter Kehricht lagert, nicht neu ist. Und dennoch kann man sehen, wie schöne Errungenschaften verdorren, weil sie im Unrat nicht gedeihen können. Es ist nicht nur bedauerlich, das Schicksal solcher nützlichen Errungenschaften mit anzusehen, sondern es ist traurig, daß ihre Zersetzung die bereits vor langer Zeit entdeckten Pfade verunreinigte. Aus diesem Grunde spreche Ich vom Gleichgewicht.

       Laßt es nicht zu, daß aufrichtiges Suchen mit guter Grundlage verleumdet wird. Fürsorge und Pflege sind nötig. Wie ein Gärtner neue Früchte heranzieht und den Boden düngt, so wollen auch wir bereit sein, dem Neuen zum Durchbruch zu verhelfen und das Alte zu ordnen.”

       Freuen wir uns und bewahren wir Feierlichkeit.

       14. Mai 1937

       Heute beobachten wir das wachsende Interesse am Studium der im Menschen verborgenen Kräfte. Außerdem sind viele teilwissenschaftliche und halb-dilettantische Gesellschaften für psychische Forschung gegründet worden und in manchen Ländern (England, Amerika, Schweden) werden an den Universitäten eigene Vorlesungen über psychische und parapsychische Phänomene gehalten. Leider befaßten sich die meisten Gesellschaften – und befassen sich immer noch! – ausschließlich mit den sogenannten kinetischen Phänomenen, Apporten und Materialisationen, ignorieren aber Erscheinungen derselben Grundenergie höheren Grades völlig, so z. B. das Aussenden von Gedanken auf Entfernung, das Ansteigen oder Abnehmen dieser Tätigkeit infolge verschiedener psychischer Spannungsgrade oder die Gedankenqualität der Teilnehmer an diesen Experimenten.

       Und dennoch kann man eine Reihe von Versuchen, sich ernsthaft mit Gedankenübertragung zu befassen, anführen. So führte Prof. Rhine von der Duke Universität in dieser Richtung erfolgreiche Experimente durch und lenkte durch Anwendung eines neuen wissenschaftlichen Namens für seine Experimente ”außersinnliche Wahrnehmungen“ die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Welt auf sich. Wie Sie wissen, wurde auch der Mesmerismus zu jener Zeit grausam verspottet und abgelehnt, aber sobald er unter einem neuen Namen in Erscheinung trat, Hypnotismus, anerkannte ihn auch die Wissenschaft. Wie H. P. Blavatsky schrieb, ”Mesmerismus ist eine neue Nase in einem sehr alten Gesicht”. In der Tat, man könnte eine wissenschaftliche Abhandlung über die Bedeutung der Terminologie und über ihre psychologische Wirkung auf bestimmte Bewußtseinsarten schreiben. Nichtsdestoweniger ist es dem sehr alten Fohat oder dem ägyptischen Tum bestimmt, in der kommenden Epoche anerkannt zu werden. So wird die psychische oder uranfängliche Energie schließlich Bürgerrecht erlangen, ohne Rücksicht darauf, unter welchen Namen oder in welcher Erscheinung sie sich vorher offenbarte. Eine solche Anerkennung wird den Eintritt der Menschheit in die neue Ära größter Entdeckungen kennzeichnen, die die so notwendige richtige Einschätzung der Werte bringen wird.

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       So ist es zu Beginn der Neuen Epoche, die einen ungewöhnlichen Zustrom an psychischer Energie bringen wird, notwendig, in uns selbst das rechte Verhalten gegenüber dieser zweischneidigen Macht zu wecken und zu entfalten. In den BÜCHERN DER LEBENDIGEN ETHIK (der AGNI YOGA-Serie) sind über diese Energie das erste Mal viele Erläuterungen gegeben worden, und es werden zum vernünftigen Herantreten an ihre Erforschung Methoden geboten.

       Ein hoher Geist, der sich in einem physischen Körper befindet und die Fähigkeit der Teilbarkeit des Geistes besitzt, kann bewußt gleichzeitig auf der Erde und im interplanetaren Raum wirken und sogar die nächsten Planeten besuchen. Diese Teilbarkeit des Geistes mindert in keiner Weise die Qualität seiner Erscheinung oder Tätigkeit im irdischen Körper, weil die durch ihn freigesetzten hohen Energien auf unserer Erde keine Verwendung finden.

       Um an der kosmischen Schaffenskraft mitzuwirken, ist es unbedingt erforderlich, die Gesetze der kosmischen Kräfte genau zu erfassen und in völligem Einklang mit ihnen zu wirken, andernfalls ist Vernichtung unvermeidlich. Wahrhaftig, handelt der Mensch in Einklang mit den kosmischen Gesetzen, dann wird er zum Schöpfer. Er ist der Schöpfer seines eigenen Schicksals, und im Ganzen gesehen, schafft er das Schicksal des Planeten. Alle Kräfte und Energien des Kosmos werden dem Menschen nur enthüllt, wenn er infolge mächtiger Aufspeicherungen höherer Energien die Fähigkeit unbegrenzten Aufstiegs erlangt hat. Man denke nur an die ungeheure Macht der uns umgebenden kosmischen Kräfte.

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       Es ist unrichtig zu sagen: ”Durch ihre Geisteseigenschaft sind alle Menschen gleich.” Gerade die Eigenschaft des Geistes ist in jedem Fall verschieden. Daher ist es richtiger zu sagen: ”Durch das geistige Grundprinzip sind alle Menschen gleich.” Sicherlich, psychische Energie ist die Eigenschaft des Geistes. Doch man kann sich die unbegrenzte Verschiedenheit dieser Energie vorstellen, die von den früheren Zuständen der Entstehung des Geisteskorns abhängt.

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       Für die Erweckung und Entwicklung der psychischen Energie muß auf die Bedeutung der Tätigkeit oder der Arbeit hingewiesen werden, denn die psychische Energie muß vor allem angewendet werden. Sie darf nicht auf gelegentliche Impulse beschränkt bleiben; nur stete, systematische und rhythmische Arbeit kann ihren Strom angleichen. Der rechte Austausch der psychischen Energie gründet auf Rhythmus. Unterstreichen Sie die schädliche Wirkung der Trägheit, welche die Tätigkeit der psychischen Energie in uns lähmt und dadurch unsere ganze Evolution stört, was schließlich zur völligen Vernichtung führt. In der Tat, es ist offenkundig, daß tätige Menschen am längsten leben – vorausgesetzt, daß sie den Rhythmus in der Arbeit beachten und den Organismus nicht übertrieben vergiften. Auch darauf muß hingewiesen werden, daß jede Arbeit mit vollem Bewußtsein geleistet werden muß. Ebenfalls ist das Bestreben zur Verbesserung der Arbeitsqualität sowie jeder Tätigkeit die beste Methode zur Steigerung der psychischen Energie.

       Es ist jedoch auch notwendig, festzustellen, daß übermäßige Abgabe an psychischer Energie gefährlich ist. In allem sollte das rechte Maß geübt werden. Eine Person, die ihre psychische Energie maßlos verausgabt, stört das Gleichgewicht ihres Organismus und öffnet sich so einer möglichen Ansteckung wie auch den Angriffen der bösen Kräfte, damit ihrer Gesundheit und Energie schadend. Wenn es heißt, daß der Geist, je mehr er abgibt, um so mehr empfängt, so ist damit nicht eine einmalige übermäßige Abgabe gemeint, sondern eine ständige rhythmische Auswertung. Sicherlich, die Meisterung der Teilbarkeit des Geistes kann nur erreicht werden, wenn die psychische Energie entsprechend entwickelt ist.

       Hier ein Paragraph aus dem Buch ”Bruderschaft“: ”Selbstaufopferung ist einer der wahren Pfade zur Bruderschaft. Warum heißt es gleichzeitig ‚Schonet eure Kräfte‘? Darin ist kein Widerspruch zu sehen. Der Goldene Pfad, der verbindende Pfad, bestätigt beide Eigenschaften – Heldentat und Vorsicht. Andernfalls würden alle zum Selbstmord getrieben. Heldentat wird in vollem Bewußtsein und in Verantwortlichkeit geschaffen. Wieder wird jemand einen Widerspruch vermuten; aber höhere Hingebung sowie allbesiegende Liebe können die Vereinigung höherer Eigenschaften lehren. Wahnsinn schafft keine Heldentat. Kleinmütigkeit entspricht nicht der wahren Vorsicht. Die bewußte Erkenntnis der Pflicht gibt einem den rechten Gebrauch der Energie ein. Mögen die Menschen den Gleichklang der Eigenschaften widerspiegeln. Wahnsinn und Kleinmut eignen sich für den Pfad nicht.” – Aber wenige Menschen erkennen, was Gleichklang der Eigenschaften bedeutet!

       Wir werden ständig an die sorgsame Abgabe der Energie erinnert, vor allem jetzt, wo die räumlichen Ströme unglaublich dicht sind.

       Gleicherweise sollte man sich bei der Teilung seiner Energie, sobald man eine Abnahme der Kräfte verspürt, nicht zum Arbeiten zwingen. Zur Erneuerung der Energie bedarf es einer gewissen Zeit. Gewiß, bei allen diesen Erscheinungen ist Ehrlichkeit sich selbst gegenüber unerläßlich, denn viele neigen dazu, die Dinge leicht zu nehmen und schreiben gerne einen Anfall von Trägheit einem Abfluß an psychischer Energie zu.

       Wo es keinen richtigen Austausch der psychischen Energie gibt, da gibt es auch keine Teilbarkeit des Geistes. Ist das Feuer nicht wirksam oder will es das ungeeignete Gefäß verlassen, dann ist natürlich Teilbarkeit des Geistes unerreichbar. Gleicherweise muß man bedenken, daß psychische Energie eine zweischneidige Kraft ist. Viele ungestüme finstere Kräfte verfügen über einen großen Vorrat dieser Energie, aber in ihren niederen Erscheinungsformen und Eigenschaften; die Wirkungen dieser Energie beschränken sich auf die niederen Sphären und haben einen geringen Wirkbereich im Vergleich zu der Energie von höherer Beschaffenheit.

       Es ist notwendig, so stark wie möglich die Bedeutung des Gedankens und der Beherrschung des Denkens für die Entwicklung höherer psychischer Energie zu unterstreichen.

       Auch Hypnotismus ist eine Erscheinungsform der psychischen Energie, und daher sollte der Einfluß dieser Eigenschaft der Energie erforscht und soweit als möglich verstanden werden. Vergessen Sie nicht die Gedankenübertragung auf Entfernung zu erwähnen, denn diese erfolgt mittels der gleichen psychischen oder uranfänglichen Energie.

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       Viele der besten Menschen, auch solche, die über ein verhältnismäßig erweitertes Bewußtsein verfügen, konnten das wahre Bildnis der Großen Lehrer nicht wahrnehmen. Beachten Sie die ungesunde Wirkung der meisten Menschen auf alles, was ihrer Vorstellung nicht entspricht – der Atavismus von Jahrtausenden ist stark!

       Ja, die Gegenüberstellung eines falschen Bildnisses zu einem anderen, nicht weniger phantastischen, ist eine ganz fürchterliche und verderbliche Erscheinung. Menschen, die dazu fähig sind, können wirklich nicht beide selbst in Einklang bringen, und das Ergebnis ist eine abschreckende, zwiespältige Persönlichkeit, etwas wie Schieläugigkeit, und schließlich geraten sie in ein völlig ”verkehrtes Denken“.

       Nach den östlichen esoterischen Lehren unterstehen wir während des ganzen Manwantara oder der großen Runde unseres Planeten einem Manu (dem Lehrer der Lehrer), der den Hohen Brüdern vorsteht. So eine Individualität nimmt für die Dauer des ganzen Manwantara die Verantwortung für den Planeten auf sich.

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       Es ist anständig, über einen Freund nur das Beste zu schreiben, besonders über einen verstorbenen. Denn wer würde es wagen, alle Beweggründe, alle verborgenen Gefühle zu beurteilen, die den Freund zu dieser oder jener Tat bewogen haben? Jede Herabsetzung, selbst eine unbewußte, führt nichtsdestoweniger zu schlechtem Karma. Der erste an uns erteilte Rat war, ”alles Gute zu verzehnfachen und das Schlechte zu verkleinern …”; nur dann ist eine mehr oder weniger richtige Beurteilung möglich.

       Ohne die Beweggründe oder inneren Gefühle einer Person zu kennen, erlauben sich die Menschen oft, über sie zu urteilen; so verstoßen sie ernsthaft gegen die Gerechtigkeit und belasten ihr eigenes Karma beträchtlich. Aus diesem Grunde ist es so schön und nützlich, nur in guten Worten über Abgeschiedene zu schreiben und zu sprechen. Auf diese Weise können die Menschen ihre Ungerechtigkeiten wenigstens zum Teil ausgleichen.

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       In dem von Ihnen erwähnten Land reift vieles heran. Vielleicht ist auch diesem Land, als es den Wendepunkt in seiner Geschichte erreichte, eine Warnung gegeben und Hilfe von den Kräften des Lichts geboten worden. Aber wie gewöhnlich, war unter den Mächtigen keine ausreichende Erleuchtung vorhanden und hauptsächlich keine geistig starke Persönlichkeit, um die rettenden Ratschläge zu nutzen. Und aus der ganzen Geschichte der Menschheit wissen wir, wo immer der Sendbote zurückgewiesen oder gar verfolgt wurde, hatte das ganze Land dafür zu zahlen. Der Bote erscheint in ernster Stunde, und ihn zurückzuweisen bedeutet daher, die volle Wucht des Karma auf sich zu laden. Sind nicht alle Nöte, die das Land heimsuchen, ein ernstes Vorzeichen? Wählte das Land nicht den härtesten Pfad? Wie hart jedoch ist das Karma jener, die die Hilfe der Kräfte des Lichts zurückgewiesen und damit die ganze Verantwortung für die Zukunft auf sich genommen haben! Es gab einzelne seltene Ausnahmen in der Geschichte, wo die großen Führer eines Volkes die Hilfe anzunehmen verstanden, wie die erstaunliche Entwicklung mancher Länder beweist. Aber in unserer Zeit der totalen Verneinung und der höchsten Herrschaft des Goldes verdeckt selbst eine kleine Münze die Sonne.

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       Ich habe das gesammelte Material über Harmagedon durchgesehen. Wahrhaftig, eine sehr eindrucksvolle Leistung, aber an die Behandlung dieses Themas muß man mit Vorsicht herangehen. Es wäre günstiger, alle gesammelten Warnungen auf einige wenige Seiten einzustreuen, als sie konzentriert zusammenzufassen; so könnten sie die kleinen Bewußtseine ängstigen oder gar unerwünschte Wirkungen auslösen. Die Menschen lieben es, mit rosigen Hoffnungen eingelullt zu werden und mögen es nicht, wenn man ihnen bei nahender Gefahr die Augen rechtzeitig öffnet. Jede rettende Warnung empfinden sie als persönliche Bedrohung. Darum rate ich, diese sehr nützliche Zusammenstellung für innere Gewöhnung und zum Lesen zu behalten.

       17. Mai 1937

       Ich begrüße es sehr, wenn Sie einen Aufsatz über das Thema ”Die Rechte der Frauen“ schreiben. In der Tat, dieses Problem wird der Eckstein der Neuen Epoche sein, und ohne die richtige Lösung dieser Frage wird es in der Welt keine Ordnung und Ausgeglichenheit geben. Wenn Sie schreiben, so lauschen Sie der Stimme des Herzens. Sogenannte Intuition oder die Stimme des Herzens ist in den Büchern der Lehre der LEBENDIGEN ETHIK sehr genau als ”Gefühlswissen“ bezeichnet. Aus meiner Erfahrung kann ich bestätigen, daß jede Erleuchtung gerade auf Gefühlswissen gründet, das zu wahrem Wissen führt.

       Mit Recht sind Sie über einige Zeilen aus den Schriften der Apostel entrüstet. Man könnte fragen, wo sich die Originale dieser Episteln befinden? Wer sie gesehen hat und wann? Und wer kann dafür bürgen, daß die Glaubenseiferer nicht Veränderungen in den Originalen vornahmen, sobald etwas nicht den herkömmlichen Sitten und Regeln entsprach? Geschah dies nicht mit allen Werken der großen geistig Schaffenden? Es heißt doch: ”Nicht ein Dokument des Altertums erreichte uns ohne Entstellung.” Und welche Ungenauigkeiten erlaubten sich die Übersetzer dieser Episteln! Man braucht nur drei Übersetzungen der Bibel durchzusehen: die russische, französische und englische. Ich hatte mich bei der Übersetzung bestimmter Werke damit auseinanderzusetzen; traten offenkundige Widersprüche auf, so mußte ich zwei oder drei Übersetzungen zitieren.

       Doch warum sollten eigentlich die Apostel als unfehlbar gelten? Nicht nur im Evangelium tritt es zutage, daß sie nicht jenes moralische Niveau besaßen, das von den engsten Schülern Christi erwartet wird, sondern auch aus ihren Schriften erkennt man bedauerlicherweise, wieviel Zwietracht und sündhafte Schändlichkeit in diesen ersten Christengemeinden, aus denen die Kirchenväter hervorgingen, an der Tagesordnung waren. Auch unter den Aposteln selbst gab es viel Uneinigkeit. Denken wir zum Beispiel an den endlosen Wortstreit zwischen Petrus und Paulus, der symbolisch die ganze Zwietracht unter den sogenannten christlichen Glaubenseiferern, welche die alleinige Lehre Christi in untereinander streitenden Sekten und Kirchen aufspalteten, überdauerte. Ich empfehle Ihnen, das Buch von D. Mereschkowskij ”Paulus und Augustinus“ zu lesen. Darin werden Sie interessantes Material finden. Dieser Verfasser bietet, wie stets, einen vollendeten Schatz wertvollster Information.

       Wollen wir daher daran denken, daß nur ein erleuchtetes Herz oder ein durch das Licht des Herzens erleuchteter Geist ein zuverlässiger Führer beim Lesen der Heiligen Schriften sein kann. Religionsformen, welche die Erniedrigung und Versklavung der Frau zuließen oder gar betätigten, sind zum Untergang bestimmt. Durch die Erniedrigung der Frau dienten die späteren Religionsformen wirklich dem Satan; der Fürst der Welt erkannte die Bedeutung der Frau bei der Erfüllung seines Planes; vor allem schmiedete er Ränke, um sie – die Trägerin der höheren Energie – zu erniedrigen.

       Aber als die Frau, die durch ein seltsames Paradoxon die Hauptstütze der Kirche war, erwachte und verstand, nachdem durch Jahrhunderte hindurch ihre Unterdrücker sich verbargen, setzte der Niedergang der Kirche ein. Religion, oder richtiger die Suche nach dem Geist, wird in der Menschheit nie verlorengehen, und das erwachte Bewußtsein wird nach neuen Formen und neuen Wegen, gewiesen von geistigen Lehrern und Führern, verlangen.

       Die ältesten Lehren schätzten das weibliche Prinzip immer hoch, und sie erachteten auch weibliche Gottheiten als das Heiligste. Spuren dieses ältesten Kultes können wir heute unter den amerikanischen Indianern finden, deren Priesterschaft eine Frau vorsteht; Frauen leiteten den Clan, und die ganze Nachkommenschaft wird von der fraulichen Seite her geschätzt. Gleicherweise gibt es in der Lehre Buddhas keinen Unterschied zwischen den beiden Uranfängen, und sowohl die Frau als auch der Mann kann die Archatschaft erlangen. Und selbst jetzt ist in Indien, trotz der Tatsache, daß die letzten Brahminen die Frau aus Habgier und Egoismus erniedrigten, der Kult der Göttin Kali weit verbreitet. Die letzten der bekannten Weisen Indiens, Ramakrishna und Vivekananda, verehrten den Göttlichen Ursprung in seinem Aspekt der MUTTER DER WELT. Wahrhaftig, durch die unwissende und habsüchtige Entstellung des kosmischen Gesetzes ist die Frau unterjocht worden. Sicherlich, die Schuld für die derzeitige Lage der Frau kann nicht allein dem männlichen Prinzip zugeschrieben werden, auch die Frau selbst fehlte. Viele Frauen empfinden die ständige Bevormundung als Beschützung, und genau das schwächt ihre Kraft und stumpft ihre Fähigkeiten ab. Daher ist heute ein Wandel nötig. Die Frau muß den Kampf mit den Hindernissen des Lebens aufnehmen, um ihre Kraft und offenbar ihre wahre Natur zu stählen. Freilich, der Kampf um ihre eingebüßten Rechte wird hart sein, aber durch Verfeinerung des Denkens und mit Hilfe der Wahrnehmung der höheren psychischen Energie wird vieles leichter. Wahrhaftig, ohne Vorhandensein des weiblichen Elements kann kein einziges höheres Experiment mit den feinsten Energien durchgeführt werden. Der bekannte Stein der Weisen kann ohne die Beteiligung der Frau nicht gefunden werden. So bestätigen der Kosmos, die Natur das Gleichgewicht der beiden Uranfänge, selbst in ihren höchsten Funktionen. Und man kann sagen: ”Rechte zu haben heißt noch nicht, sie zu besitzen.”

       Die erste Aufgabe, der die Frau in allen Ländern gegenübersteht, ist, das volle Recht der gleichen Bildung wie der Mann zu verlangen und bemüht zu sein, mit ihrer ganzen Kraft die Denkfähigkeit zu entwickeln und darüber hinaus zu lernen, auf eigenen Füßen zu stehen, ohne sich beim Manne anzulehnen. Im Westen gibt es viele Gebiete, welche den Frauen offenstehen, und man muß zugeben, daß sie sich in allen bewährt haben.

       Es ist unerläßlich, in der Frau selbst große Achtung vor ihrem eigenen Uranfang zu wecken, sie soll ihre hohe Bestimmung als Trägerin der höheren Energie erkennen. Wahrhaftig, die Intuition der Frau muß, wie in den besten Zeiten der Geschichte, die Menschheit auf den Pfad des Fortschritts führen. Heute indes kann man nur tief betrübt und mit unaussprechlicher Scham beobachten, wie sich die Frau, in ihrem Wunsch, die Bewunderung des starken Geschlechts zu erlangen, erniedrigt. Die Konstellation der Gestirne ist für das Erwachen der Frau günstig, und ich hoffe, daß ein neuer Zustrom an psychischer Energie von den Frauen für erhabene Aufgaben und das Suchen nach neuen Errungenschaften für das Wohl der Menschheit genutzt wird. Möge das Feuer der Heldentat im Namen des großen Dienstes in der Frau wirklich entzündet werden. Die Frau besitzt die Eigenschaft der Selbstaufopferung, aber sie sollte es lernen, ihre Selbstaufopferung nicht nur auf den engen Begriff des Lebens am häuslichen Herd zu beschränken, der oft nicht mehr ist als Förderung des Egoismus der Familie – sie sollte sie im Weltmaßstab anwenden. Ich glaube, daß die Frau sogar mehr gebildet und kultiviert sein sollte als der Mann, denn in Wirklichkeit ist sie es, die ihrer Familie die ersten Begriffe des Wissens, der Kultur und des Verstehens der Staatsherrschaft einflößt.

       Wenn Sie Ihren Aufsatz geschrieben haben, so möchte ich ihn gerne lesen, und ich hege keinen Zweifel, daß Ihr Herz Ihnen feurige Worte eingeben wird.

       Ich danke Ihnen für Ihre schönen Worte über Ihre Schüler. Herzenswärme ist jener Magnet, der den ganzen Aufbau zusammenhält. Die Fähigkeit zur Ermutigung ist die grundlegende Eigenschaft des Lehrens. Daher freue ich mich über Ihre Worte betreffs der Arbeit Ihrer Schüler. Die erste Ermutigung ist besonders wichtig, denn sie bestimmt weitestgehend den künftigen Pfad. Ist man bei der Beurteilung der ersten Arbeit zu streng, kann man das Wachstum außergewöhnlicher Fähigkeiten hemmen. Es geschieht sehr oft, daß die ersten unternommenen Versuche eines Schülers nicht die erhofften Erfolge zeitigen, auf der anderen Seite aber zeigt es sich oft, daß sich die ersten schwachen und sogar groben Versuche später zu etwas Seriösem und Wichtigem entwickeln. Die in uns schlummernden Fähigkeiten entwickeln sich zu verschiedenen Zeiten.

       ”Die Glückseligkeit des Lehrers besteht darin, den Schüler zu Schönem zu ermutigen. Lange Listen von langwierigen, stupiden Einfällen können nicht zu dieser Errungenschaft verhelfen. Der Lehrer muß selbst entflammt sein, so daß allein seine Nähe Feurigkeit auslöst. Diese tägliche Aufgabe ist schwer, jedoch die Menschen werden besonders im Alltag geprüft, der die Schwester der Unbegrenztheit ist.” – Darum freue ich mich über Ihr großmütiges Verstehen und Verhalten gegenüber Ihren Schülern.

       17. Mai 1937

       1. Sie fragen, ”ob jeder Mensch einen ständigen Lehrer hat”? Sie müßten allerdings erklären, was für einen Lehrer Sie meinen. Man kann sagen, daß fast jeder, ob er es erkennt oder nicht, mehr oder weniger eine dauernde Führung aus den überirdischen Sphären hat; diese Führer sind in bezug auf Qualität und Niveau sehr verschieden. Darüber hinaus bringen diese Führer im gegenwärtigen Zustand der Menschheit oft mehr Unheil als Nutzen. Es ist sogar schwer, sich die Zahl der Bewohner überirdischer Sphären, die versuchen, sich in irdische Angelegenheiten zu mischen, vorzustellen. Doch gelingt es einem Menschen, die Flamme reinen Strebens zum Licht zu entzünden und ist in ihm Hingabe verankert, dann wird sein Ruf zu den Älteren Brüdern der Menschheit gehört werden, und ganz allein von ihm wird es abhängen, das heilige Band mit dem erwählten Bildnis zu festigen. Nach unabänderlichem Gesetz wird sich der Schüler einer Prüfung unterziehen müssen, deren Dauer ebenfalls völlig in seinen Händen liegt.

       2. ”Ihr müßt auf Erden zu Uns gelangen …”, – damit ist sicherlich gemeint, daß man im irdischen Leben, durch Bewußtseinserweiterung und durch irdische Errungenschaften, tatsächlich den Großen Lehrern näherkommen kann.

       3. Dem Geist steht es natürlich frei, das Geschlecht seiner Wiederverkörperung zu wählen. Doch widmet sich ein Geist dem Großen Dienst, nimmt er die Inkarnation an, die ihm vom Großen Lehrer zugewiesen wird. Außerdem ist es manchmal notwendig, für eine bestimmte Inkarnation das Geschlecht zu wechseln, und zwar wegen des Gesetzes des Großen Gleichgewichts, das mit dem Mysterium der Existenz in Zusammenhang steht. Aber dieses Geheimnis wird vom Lehrer nur gelüftet, wenn der Schüler die auferlegten Prüfungen bestanden hat.

       4. Sie fragen: ”Angenommen, ich möchte nicht mehr zur Erde zurückkehren, was kann mich dazu veranlassen?” Die Antwort lautet: ”Das Kosmische Gesetz”. Wie Hunger den Hungrigen zur Nahrung treibt, so nötigt das Gesetz der Wiederverkörperung den bereiten Geist zur nächsten Wiederverkörperung. Ein Geist, der während des irdischen Lebens eine große Umwandlung seiner Energien erlangt hat, ist imstande, seinen Aufenthalt in den überirdischen Welten beträchtlich zu verlängern, aber nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt – dann kommt der Augenblick, in dem er die magnetische Anziehung für eine irdische Inkarnation ganz stark fühlen wird; denn allein die Erde ist die Esse, in der unsere Energien umgewandelt werden können, und zwar durch Erneuerung und Aufspeicherung neuer Energien.

       Wir können von der irdischen Inkarnation nur befreit werden, wenn sich unsere gesamten Energien so sehr verfeinert haben, daß ein weiterer Verbleib auf Erden uns nichts mehr bieten könnte. Genau gesagt, für einen Menschen endet eine Karmarunde, wenn alle Elemente oder Energien, die in die Essenz seines Wesens eingehen, in seinem Streben vereint werden und in dieser Spannung den für diese Runde gebotenen Zustand der Vollendung erreicht haben.

       Man sollte sich vor keiner Wiederverkörperung ängstigen, im Gegenteil, ein wahrer Schüler nimmt eine neue Erfahrung und neue Möglichkeiten zur Erlangung äußerst wertvoller Aufspeicherungen mit Freuden an. In der Tat, die Schüler der Weißen Bruderschaft gehen den kürzesten Weg, und mit Hilfe der Älteren Brüder beschleunigen sie ihre Wiederverkörperungen, um ihr Karma auszuleben und ihren zurückbleibenden Brüdern zu helfen.

       5. ”Was sollte man tun, um nicht für immer die Lehre zu verlassen und kein Verräter zu werden?” Die Antwort ist in allen Büchern der Lehre gegeben: Festigen Sie in Ihrem Herzen die Fundamente der Liebe und der Hingabe, und wenden Sie die Lehre im täglichen Leben an.

       6. Es gibt so viele Bewußtseine als es Erscheinungen gibt. Daher hat jeder das Recht, seine Gefühle völlig individuell zu äußern.

       7. Sie haben ganz richtig verstanden, daß es ungehörig ist, dann zum Höchsten um Hilfe zu flehen, wenn wir unser eigenes Können aufbieten sollten. Außer einem schrecklichen Mangel an Vergleichbarkeit vereiteln wir nicht nur alle Möglichkeiten, sondern stumpfen durch solch ein Warten auf Hilfe auch in unseren Fähigkeiten ab und schwächen uns damit. Ohne unaufhörliche Anstrengung im Festigen unserer Fähigkeiten und der Geschicklichkeit, Hindernisse zu überwinden, kann es auf der geistigen Ebene keinen Fortschritt geben. Nicht Verlaß ist nötig, sondern volles Vertrauen zum Lehrer und das Wissen aus seinem ganzen Wesen, daß, wenn die Grenze der Anstrengung erreicht ist, Hilfe kommt, indem sich uns die Möglichkeit bietet, unsere Anstrengungen auf neue und höhere Errungenschaften zu richten. Ohne dieses selbständige Überwinden von Hindernissen ist die Umwandlung unserer Energien nicht möglich. Nur wenn die Grenze höchster Anspannung erreicht ist, kann sich die gesegnete Verfeinerung einstellen. Die Gesetze sind in allem die gleichen.

       8. ”Was ist die Eins, und ist sie nicht eine konstante Größe?” Vom metaphysischen Standpunkt her ist die Eins das Symbol der Einheit, die alles in sich beinhaltet, folglich ist sie das Absolute, oder mit anderen Worten: sie ist eine konstante Größe.

       9. ”Was ist eine Zahl?” Eine Zahl ist ein Symbol der Teilbarkeit, folglich ist sie Bewegung und Rhythmus und ein offenbares Bewußtsein.

       10. Alle und jedwede Schuld muß bezahlt werden, denn eine Schuld ist eine Verpflichtung für den Geist.

       11. Karma wird durch Gedanken gewoben. Der Gedanke kann eine karmische Wirkung entweder abschwächen oder verstärken. Geläutertes Denken befreit vom schlechten Karma, denn es läßt keine bösen Wirkungen entstehen. Gedanke und Wille sind die Herrscher von Karma.

       12. Nur das Herz wird die Wahl des irdischen Lehrers treffen.

       13. ”Kann man auf Erden, noch in diesem Leben, die Bruderschaft erreichen?” Das hängt allein vom Menschen ab, von seinen früheren Aufspeicherungen und in manchen Fällen auch von der von ihm vor der Verkörperung übernommenen Aufgabe.

       14. Immer und bei allen Taten ist Gefühlswissen das einzige Kriterium. Aber wenn unmittelbares Gefühlswissen nur schwer wahrnehmbar ist und erst leise anklopft, dann sollte jede Tat auf der Waage des Herzens gewogen werden, Gefühlswissen ist dem Herzen am nächsten.

       15. Der Pfad wird in den Büchern der Lehre gewiesen; ohne Anwendung der Grundlagen der Lehre im Leben gibt es keinen Zugang zur Bruderschaft.

       16. ”Wann kommt der Zeitpunkt, an dem es keine Rückkehr mehr gibt?” Wenn die Feuer der Zentren entflammt sind und sich der Kristall der psychischen Energie gebildet hat.

       17. ”Wie kann man bewußt auf anderen Seinsebenen arbeiten und sich im physischen Körper daran erinnern?” Durch Befolgen der Lehre und durch Üben sich solcher Arbeit bewußt zu erinnern. Doch im physischen Körper ist es nicht immer möglich, sich der Tätigkeit seines feinstofflichen Körpers zu erinnern, weil die Dimensionen der Feinstofflichen Welt mit unseren nicht übereinstimmen und das physische Gehirn oft, ohne Schaden zu erleiden, diese feinsten Schwingungen nicht vermitteln kann. Nur Medien erinnern sich auf Grund ihrer besonderen Anlagen häufig an solche Tätigkeiten, aber man sollte sie nicht darum beneiden!

       18. Ihr Streben möge daher von Dauer sein und weiter ansteigen. Doch sollten Sie immer wieder Ihre Beständigkeit prüfen. Geduld ist eine der wichtigsten Eigenschaften, die man auf dem Pfad des Dienens erringen muß.

       19. ”Wie kann man den Großen Brüdern helfen?” Durch Anwendung der LEHRE im täglichen Leben, so daß man für andere ein Beispiel gibt. Das persönliche Beispiel ist die überzeugendste Tat.

       20. ”Wovon sollte man sich noch befreien?” Der schädlichste Wurm und der unmerklichste ist der Egoismus. Prüfen Sie sich daher öfter, denn dieser Wurm bemäntelt sich mit den ausgeklügeltsten Rechtfertigungen. Unter manchen Umständen mag Egoismus nicht so offensichtlich sein, doch in dem Augenblick, da die Umstände sich ändern, macht dieser Wurm sich bemerkbar.

       21. ”Wie sollte man handeln, um das Vertrauen des Großen Lehrers zu gewinnen?” Man sollte die Lehre im Leben anwenden und stets bereit sein, mutig alle Hindernisse hinzunehmen und dies auch durch die Tat zu beweisen.

       22. Wenn die LEHRE angewendet wird, wenn Geduld unverbrüchlich ist, wenn Mut, Furchtlosigkeit und Hingabe mit einer unauslöschlichen Flamme in Ihrem Herzen brennen, dann werden Sie Ihr Ziel erreichen, und der Große Lehrer wird nicht versäumen, sich auf irgendeine Art zu offenbaren.

       23. Wenn Sie die Anwesenheit einer unsichtbaren Wesenheit fühlen, sollten Sie völlige Ruhe bewahren, denn sinnlose Furcht kann das Sperrnetz der Aura schwächen. Wenn sich die Wesenheit, die Sie fühlen, mit bösen Absichten nähert, kann die Furcht dazu beitragen, Ihnen Schaden zuzufügen. Aus diesem Grunde bestehen alle Lehren so sehr darauf, die Furchtlosigkeit zu entwickeln. Bei völliger Selbstbeherrschung kann einem kein Astralwesen Schaden zufügen. Ich rate, sich in solchen Fällen auf das Große Bildnis des Herrschers zu konzentrieren und seinen Namen siebenmal auszusprechen. So umgeben Sie sich mit einem undurchdringlichen Panzer des Lichts.

       Und nun zu den Fragen aus Ihrem zweiten Brief:

       1. Zweifellos ist die Herausgabe der BÜCHER DER LEHRE eine große Hilfe für den Aufbau der Neuen Welt. Wozu sind die Bücher gegeben worden, wenn nicht für weite Verbreitung?

       2. Natürlich können Bestrebte, die aufrichtig suchen, aber die Bücher nicht bezahlen können, sie unentgeltlich bekommen. Doch gibt es ihrer viele? Aus langjähriger Erfahrung wissen wir, daß alles, was unentgeltlich gegeben wird, nicht geschätzt wird. Die meisten, die unentgeltlich ein Buch erhalten, werden sich kaum bemühen, es aufzuschlagen. Doch sobald sie wissen, daß etwas schwer zu bekommen ist, werden sie danach suchen, und es hat Fälle gegeben, wo Menschen Nächte nicht schliefen, um die BÜCHER DER LEHRE abzuschreiben. Großer Nutzen geht von jedem kleinen Hindernis aus. Es ist besser, das für die Bücher eingenommene Geld für weitere Veröffentlichungen aufzuwenden, als sie unentgeltlich abzugeben und ohne jeglichem Nutzen die Möglichkeit einzubüßen, weitere Ausgaben für jene herauszubringen, die darauf warten.

       3. Der Geist überwindet physische Krankheiten. Oft befähigen gerade körperliche Gebrechen den Geist, sich zu erheben.

       Ich freue mich von ganzem Herzen, daß Sie den Wunsch verspüren, die Qualität Ihrer Arbeit zu verbessern. Darin liegt bereits ein Unterpfand für Fortschritt und Erfolg. Wer immer auf Qualität bedacht ist, versteht, daß Vervollkommnung ein führendes Prinzip ist, und er befindet sich bereits auf dem Pfad.

       In der Tat, durch das Streben des Herzens kann alles erreicht werden, aber vergessen Sie die wesentlichste Eigenschaft nicht – Geduld! ”Ein großer Mensch ist, wer streng ist im Üben von Geduld.”

       Wenn Sie erkennen, daß jedes Hindernis ein Nutzen für das Wachsen des Geistes ist, sind Sie bereits auf dem Pfad. In der LEHRE heißt es: ”Laßt uns mit Bedauern auf die allgemein angenommene Vorstellung über Komfort und Sicherheit Bezug nehmen. Darin birgt sich Gefühllosigkeit und Leere. Wir lernen, alle Gedankenkeime zu begrüßen, und Wir schätzen immer den Drang voranschreitenden Strebens. Viele Beispiele können über physischen und mechanischen Druck als bewegende Kraft angeführt werden. Für viele ist es nicht leicht, zuzugeben, daß Drang nur die Pforte zum Fortschritt ist. Doch sobald die Menschen die Wahrheit erkennen, werden sie damit auch die Bedeutung des Fortschritts verstehen. Vom Standpunkt solcher Erkenntnis ist es nicht weit zur Bruderschaft.”

       Ich schätze es, daß Sie dafür Verständnis haben, wie sehr überlastet ich durch meine Arbeit bin. In der Tat, wenn ich nicht antworte, so nur deshalb, weil es oft nicht möglich ist, doch sonst bin ich immer gerne bereit, Fragen zu beantworten. Ich mag keine bedeutungslosen Briefe. Gibt es Fragen, so bedeutet es, darüber nachzudenken, was für die Entwicklung des Geistes besonders wertvoll ist; scharfes Denken bringt uns dem Höheren Bewußtsein näher und große Zusammenarbeit ist gegeben.

       4. ”Was versteht man unter einer verantwortungsvollen Aufgabe, deren Zurückweisung Karma besonders belastet?” Es gibt viele solcher Zurückweisungen. Der üblichste Fall ist, daß eine Person, die sich der LEHRE näherte, sich an die Großen Lehrer wandte, sie anflehte, in das Haus der Neuen Welt eingelassen zu werden – und dann nach kurzer Zeit aus irgendeinem Grund enttäuscht ist und abfällt. Doch es gibt noch andere sehr schmerzliche Fälle, wenn z. B. der Geist eines sehr fortgeschrittenen Studierenden, der sich Jahre für die Durchführung einer bestimmten Tätigkeit oder Aufgabe vorbereitete, plötzlich die übernommene Verpflichtung und auch die aufgewendeten Jahre bereut. Das nennt man Zurückweisung einer Aufgabe; denn jemand, der bereut, ist gänzlich unfähig, das zu erfüllen, womit er betraut wurde. Nachtrauern erstickt das Feuer, das jedem Erfolg zugrunde liegt. Solches Bedauern grenzt bereits an Verrat und belastet das Karma sehr.

       Mein junger Freund, aus allen Ihren Fragen ist klar zu entnehmen, daß Sie den Pfad des Großen Dienstes beschreiten wollen. Prüfen Sie daher ernsthaft ihre Kräfte. Dienen erfordert große Selbstlosigkeit und Anspannung aller Kräfte. Das irdische Glück wird ausgetauscht für Erkenntnis der Weisheit höherer Glückseligkeit, die den Studierenden nur in seltenen Lichtblicken zuteil wird. Verfolgung, Verleumdung, Hindernisse nehmen zu im Verhältnis zum Fortschritt, denn der Diener des Lichts beleuchtet die dunklen Verstecke der Knechte der Finsternis. Es gibt keine größere Heldentat als den Dienst für das Wohl der Menschheit, noch gibt es eine schwierigere. Sind Sie stark im Geiste, dann Heil Ihnen!

       Natürlich, auch eine teilweise Annäherung an die LEHRE DER LEBENDIGEN ETHIK erweitert das Bewußtsein, und wenn die Grundlagen der Lehre im Leben vernünftig angewendet werden, wird der irdische Pfad erleichtert. Doch denken Sie daran, daß Hingabe an den Dienst der Menschheit völlige Selbstaufopferung erfordert – nämlich wahre Heldentat. Gibt es viele, die imstande sind, die Last der Welt zu tragen? Prüfen Sie sich daher in allen Lebenslagen.

       Sind Ihre Absichten lauter, werden die Heimsuchungen nicht ausbleiben, und Sie werden vielen psychologischen Problemen gegenüberstehen, die Sie selbst werden lösen müssen. Wie es heißt: ”Wie Wasser in ungelöschtem Kalk Hitze erzeugt, so bringt die LEHRE jede im Schüler schlummernde unvermutete Potentialität heftig in Tätigkeit.” Genau gesagt, jeder Keim des Guten wie auch des Bösen wird sich in ihm offenbaren. Wenn Sie daher einen festen Entschluß gefaßt haben, so halten Sie sich für Prüfungen bereit.

       28. Mai 1937

       Ich bezweifle nicht, daß Sie mit Ihrem neuen Buch genauso Erfolg haben werden wie mit dem ersten. Bevor jedoch solch ein Werk in Angriff genommen wird, wäre es ratsam, ihm die größte Sorgfalt zu widmen und das Gebot der LEHRE des Neuen Lebens im Auge zu haben: ”… Auf dem Pfad zur Bruderschaft muß man die Gewohnheit der Herabsetzung aufgeben … Es möge selbst aus Unwissenheit kein Schaden entstehen …” Die gesammelten historischen Fakten werden deutlich für sich selbst sprechen.

       Die Anhänger der Lehre des Neuen Lebens sollten nur emporheben und bestätigen. Ihr Standpunkt, der keinesfalls eine Herabsetzung ist, wird sich durch weitere Erklärung von selbst offenbaren. Von den Aspekten der Dreieinigkeit, im philosophischen Sinn gesprochen, stellt jedes menschliche Wesen an sich, da Makrokosmos und Mikrokosmos eins sind, nicht nur den ersten, zweiten oder dritten Aspekt der Dreieinigkeit dar, sondern enthält in sich die ganze Dreieinigkeit, denn wie sonst kann man die Triade von Atma, Budhi und Manas in ihm verstehen? Man kann nicht den Sohn der Ewigkeit auf ein Bildnis der Trinität beschränken. Wahrhaftig, diese Teilung des Unteilbaren offenbart völliges Unverständnis.

       In Ihrem neuen Werk sollten Sie die Unwissenheit und Mißhelligkeiten, die unter den meisten selbsternannten Autoritäten und Führern des menschlichen Bewußtseins herrschen, besonders unter die Lupe nehmen. Und dann bestätigen Sie die allen alten Lehren wie auch den neuesten Errungenschaften im Gedankenbereich und der Wissenschaft zugrunde liegende Einheit aller Religionen, aller Philosophien oder Lehren sowie die Größe ihrer Heralde und Begründer.

* * *

       Gewiß, das Göttliche Element durchdringt alles Bestehende, durch seine Macht vermag es ganze Welten zu schaffen und zu zerstören. Daher muß sich das menschliche Bewußtsein zur geistigen Wahrnehmung auf dieses Niveau erheben, damit in voller Harmonie mit dieser Macht gute Ursachen geschaffen werden können. Jede Verletzung guter Gesetze zieht schwere Folgen nach sich. Ja, alles hat Bedeutung; der Wert jedoch besteht nicht in der äußeren Erscheinung oder Anwendung, sondern allein darin, daß er vom Bewußtsein erfaßt wird.

       Ich gebe zu, daß die Worte Jesu <>”Wenn einer zu mir kommt und nicht seinen Vater, die Mutter, das Weib, die Kinder usw. haßt …” grausam klingen. Sollten wir dieses Wortgefüge aber nicht jenen zuschreiben, die es niedergeschrieben oder übersetzt haben? Dennoch ist sein tiefer Sinn klar. Wenn der Mensch seiner Familie mehr dient als dem Geist der Lehre des Guten, was wird ihm da wohl Gutes widerfahren? In der Lehre der LEBENDIGEN ETHIK wird auf den Unterschied zwischen Blutsverwandtschaft und geistiger Verwandtschaft hingewiesen. Wann und wo ist jener, der Licht bringt auf einem Gebiet, von seiner Familie oder Zeitgenossen anerkannt worden? Man nenne ihn! Sind es im täglichen Leben nicht jene Nächsten, die uns sehr oft mißverstehen und herabsetzen? Wegen ihrer physischen Blutsbande verfügen sie über uns. Die Menschen wollen nicht begreifen, daß es über alle irdischen Verwandtschaften hinaus eine geistige Bindung gibt, und es ist ein Segen, wenn diese beiden Verwandtschaften, die geistige und die Blutsverwandtschaft auf Erden zusammentreffen, doch das ist sehr selten der Fall. Oft werden in einer Familie Geister mit gänzlich unterschiedlichen Aufspeicherungen zusammengeführt.

* * *

       Genau wie die Worte Christi ”Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen” die Wahrheit seiner Lehre beweisen (weil Wahrheit und Ewigkeit synonym sind), so weist ein anderer Ausspruch Christi ”… Was immer ihr auf Erden binden werdet, wird auch im Himmel gebunden sein, was immer ihr auf Erden lösen werdet, wird auch im Himmel gelöst sein” auf das Karmagesetz hin. Wie kann klarer ausgedrückt werden, daß wir hier auf Erden jedweden Zank mit unseren Nächsten zu schlichten und beizulegen haben und nicht in der Feinstofflichen Welt oder im Himmel. Was wir hier säen, werden wir dort ernten. Dieser Ausspruch wurde allerdings anders ausgelegt, nämlich so, als wenn Christus den Aposteln die Macht verliehen hätte, zu binden und zu lösen, oder mit anderen Worten, für immer und ewig zu bestrafen oder zu vergeben. Wie wir wissen, beruht auf diesem Ausspruch die Macht der Kirche. Liest man jedoch diesen Auszug im ganzen, so wird einem vieles klarer, denn man kann diese Worte nicht anders auslegen als Erklärung des Gesetzes von Ursache und Wirkung oder Karma.

* * *

       Was die Erlösung betrifft, so kann man nur im irdischen Sinn ein Erlösungsopfer bringen, das heißt, indem wir die durch eine andere Person ausgelöste Wirkung auf uns nehmen. Im geistigen Sinn jedoch wäre dies unmöglich, denn die von uns geschaffenen Ursachen widerspiegeln sich primär in unserem inneren geistigen Wesen. Daher kann allein geistige Wiedergeburt die Wirkung der von uns gelegten Ursache wandeln oder abschwächen. Ein Hoher Geist kann einem Menschen bei seiner geistigen Wiedergeburt nur helfen, wenn der Geist jenes Menschen den festen Entschluß faßt, alles, was er getan hat, gutzumachen. Aber keine Gebete einer Mutter können helfen, wenn ihr Geist nicht einen hohen Antrieb zur Läuterung verspürt.

       Nachdem ich über Vergebung und Erlösung von Sünden schon öfter geschrieben habe, möchte ich Ihnen diesen Auszug zitieren: ”Genauso wie ein chemischer Bestandteil das ganze Wesen einer Substanz, die sich aus anderen Substanzen zusammensetzt, verändern kann, so kann die Wirkung eines hohen Impulses oder einer wertvollen Eigenschaft die Ergebnisse einer Wirkung, die von den niederen Eigenschaften der menschlichen Natur herrühren, neutralisieren oder bewältigen und so den Charakter des Menschen total verändern, sein Wesen verwandeln.” Und wie Sie wissen, äußert sich die Umwandlung des inneren Wesens in der Veränderung der Ausstrahlungen, die geläutert die Wirkungen der früher geschaffenen Ursachen verschiedenartig beeinflussen. Der Mensch selbst ist der Schöpfer und zugleich die lebendige Aufzeichnung jedes Motivs, jedes Gedankens oder jeder Tat; wer könnte daher ohne seine persönliche und unmittelbare Teilnahme an seinem Wesen etwas ändern?

* * *

       Über Inkarnation. In jeder neuen Inkarnation erhalten wir einen von dem allgemeinen menschlichen Entwicklungsstand, von den karmischen Bedingungen sowie dem vererblichen Einfluß der Vorfahren abhängigen beschränkten Organismus. Wir werden gerade durch das Karma von jener für uns zugänglichen Umgebung angezogen. Daher kann sich unser Geisteskorn trotz vieler Aufspeicherungen in jeder neuen Hülle nur teilweise offenbaren. Man kann beobachten, daß ein früherer Musikvirtuose in seinem neuen Körper zwar das Verstehen und mehr oder weniger Hinwendung zu seiner Kunst beibehält, aber die notwendige Koordination der Zentren für besondere musikalische Fähigkeiten nicht so weit aufbringt, um ein Virtuose zu werden.

       Die von ihnen angeführte Stelle aus dem Matthäus-Evangelium ist schön, Sie sollten die Toleranz und die Ausführlichkeit in der Lehre Christi unterstreichen. Auch andere Stellen, mit ähnlichem Sinn kann man finden.

       In der ”Geschichte der Konzile“ kann man die Vorstellungen und Argumente der Kirchenväter nicht immer klar verstehen. Dazu muß man sich im Geist in jene Epoche versetzen, um die ganze Komplexität der Übergangsperiode, die sie schuf, erfühlen zu können. Aufgrund einiger weniger Fragmente ist es schwer, sich ein klares Bild davon zu machen, was sie ausdrücken wollten. Die Sprache sowie der Symbolismus der Begriffe ändern sich schon im Laufe von wenigen Dekaden sehr stark, weshalb man mit Auslegungen sehr vorsichtig sein sollte.

       Die Zitate des Athanasius des Großen sind vor allem reich an Schönheit, und wo Schönheit ist, ist Wahrheit. So bestätigt seine Behauptung ”Gott wurde Mensch, damit der Mensch Gott werden könne” die heilige Wahrheit, denn der Geist Jesu Christi ist in seiner geläuterten feurigen Göttlichen Essenz für uns wahrhaftig eine Verkörperung des Göttlichen Prinzips. Indem Er in einer ernsten Zeit des Niedergangs und Verfalls geistiger Werte einen irdischen Körper annahm, um dem menschlichen Geist einen neuen Impuls zu geben und so den Menschen an Seinem göttlichen Wesen teilhaben zu lassen, vergötterte Er ihn. Wir vereinigen uns in dem Maße mit dem göttlichen Wesen, als wir es in unser Bewußtsein aufnehmen. ”Wahrhaftig, durch das Sakrament des Geistes nehmen wir teil am Göttlichen Wesen” und erreichen so den göttlichen Zustand.

       Heißt es nicht in der Lehre, zeitgemäß gesprochen, ”daß wir die höheren Energien nur erreichen und beherrschen können, wenn wir sie ins Bewußtsein aufnehmen”.

* * *

       Ebenso wahr ist, daß wir uns durch Ablehnung des Geistes den finsteren Kräften öffnen, der Besessenheit, Verführung u. a. ”Wer getauft wird, gibt den alten Menschen auf, wer von oben geboren wird, wird erneuert durch den Segen des Geistes …” Wir dürfen nicht vergessen, daß in den ersten Jahrhunderten des Christentums solche Rituale wie Taufe und Kommunion eine große innere und geistige Bedeutung hatten und erst später zu staatlichen Einrichtungen entarteten, durch deren Nichtbefolgung man Rechte verwirkte. Taufe und Kommunion waren ursprünglich Symbole der Teilnahme am geistigen Leben. Vor allem die Mysterien des Altertums waren Rituale voll tiefer innerer Bedeutung, und die meisten der heutigen christlichen Rituale wurden tatsächlich den Ritualen und Symbolen der heidnischen Welt entlehnt. Alles hat jedoch nur eine geistige Bedeutung. Mechanische Manipulationen können uns keine geistige Wiedergeburt bringen und ohne Teilnahme des Geistes an etwas binden. Die Rituale dagegen trugen dazu bei, bestimmte Zustände und Stimmungen herbeizuführen und befähigten den Geist, leichter aufzunehmen und sich höher zu erheben. Selbst heute sollte man den Menschen nicht der Kirche mit ihren ganzen Zeremonien berauben. Wirklich notwendig ist eine Läuterung sowie geistiges Verstehen der Rituale, sie dürfen nicht nur aus obligatorischen Gründen hingenommen werden. Möge der Geist seinen Weg wählen. Wir dürfen nicht vergessen, daß das Ritual der Taufe in den früheren Jahrhunderten des Christentums in vielen Fällen an erwachsenen Menschen vollzogen wurde, die durch dieses Symbol ihren Bruch mit dem Alten unterstrichen und das Verstehen des Neuen besiegelten. Als dieses Ritual später obligatorisch und an Säuglingen, die naturgemäß noch des Bewußtseins ermangeln, vollzogen wurde, verlor es jeglichen Sinn. Vor allem war es entsetzlich, daß man die Leichen ungetaufter Säuglinge hinter die Friedhofsmauer verbannte. Friedhöfe sollten überhaupt aufgelöst werden, da sie Brutstätten von aller Art Epidemien sind.

       Wenige, sehr wenige Menschen erleben die Erhebung des Geistes und behalten sie in Erinnerung, außer sie werden von etwas Sichtbarem und Fühlbarem daran erinnert. Darum ist es die erste Pflicht, keine Tempel zu zerstören, sondern die Rituale sowie die Grundlagen der großen Lehren zu läutern und neu zu erklären. Für die Menschen ist es das wesentlichste, zu erkennen, daß ohne geistige Erhebung kein Ritual für uns Bedeutung hat. Es ist notwendig, ständig daran zu erinnern, daß Göttlicher Segen nur bewußt und freiwillig empfangen werden kann.

* * *

       Den alten Lehren gemäß erhalten die höchsten Kosmischen Vorstellungen ihre Form oder verkörpern sich als Ebenbild Gottes im Menschen. So sind die Höchsten Geistwesen Verkörperungen der höchsten Vorstellung. Die Sieben Kumaras, Sieben Logoi, Sieben Feuer oder Flammen, Sieben Söhne der Vernunft, Sieben Söhne Brahmas oder Gottessöhne – sie alle stellen diese Höchsten Geistwesen dar, die (gleich den Avataren) einen menschlichen Körper annahmen, um das Bewußtsein der Menschen zu erheben und seine Teilnahme an seinem Göttlichen Wesen zu verwirklichen.

       Es ist nicht ganz richtig, zu behaupten, daß die Menschen früher – in diesem Fall die Juden – ihre Sohnschaft oder das Gesetz der Reinkarnation nicht kannten und daß Christus der Eine war, der den Juden den Sinn, wie er heute in der Bibel steht, offenbarte. Freilich, den alten Lehrern des jüdischen Volkes war vieles bekannt, zum Teil vielleicht mehr, als man heute weiß. Aber damals waren viele Begriffe bereits getrübt durch die eifrigen Interpreten, die auf ihren Vorteil bedacht waren. Die Pharisäer waren mit den Ideen der Auferstehung der Engel und des Geistes vertraut, das geht aus der Apostelgeschichte hervor (23:6, 7, 8).

* * *

       Jemand behauptet, ”Man kann nur aus etwas etwas schaffen, aber nicht aus sich selbst heraus. Gott ist überall und nichts ist außer ihm, daher ist es nicht richtig, außerhalb seiner selbst zu schaffen.” Ich wundere mich warum? Erstens, wenn Gott allgegenwärtig ist und nichts außer ihm besteht, so daß man sagen kann, Er ist beides, Schöpfer und Substanz. Doch scheint es mir, daß es äußerst unwesentlich ist, ob wir sagen, daß er zeugt und schafft; denn alle Begriffe sind nur seine Offenbarungen. Aber auch jeder irdische Schöpfer schafft und erzeugt gerade durch seinen Geist außerhalb seiner selbst. Der Mensch kann von den auserlesensten Materialien umgeben sein, aber ist sein schöpferisches Feuer schwach, so wird er nichts schaffen. Wahrhaftig, der Gedanke und die Gedankenenergie schaffen. Denken Sie an die östliche Lehre von der schöpferischen Kraft des Gedankens.

* * *

       Die Zeit ist gekommen, um aufzuzeigen, daß der große GOTT aller Menschen, der EIN LEBENDIGER GOTT DER NATUR ist, die ALLEINIGE UNIVERSELLE GOTTHEIT – der GOTT des UNWANDELBAREN GESETZES, der GOTT DER GERECHTEN VERGELTUNG, aber wahrhaftig keine ”willkürliche Gnade“. Diese Hoffnung auf unverdiente Höhere Gnade dient vielleicht als stärkster Stimulus für wiederholtes Vergehen.

* * *

       Die Antwort Christi an seine Jünger: ”Zerstöret diesen Tempel, und in drei Tagen werde Ich ihn errichten” sollte richtig als seine Auferstehung im feinstofflichen Körper, in dem er seinen Jüngern erschien, verstanden werden. In fast allen alten Lehren wird der menschliche Körper mit einem Tempel Gottes verglichen; und Christus meinte wohl kaum einen wunderbaren steinernen Tempel als Beweis seiner Macht. Dies würde dem Geist Seiner Lehre gänzlich widersprechen.

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       Zwischen Erleuchtung und Erleuchtung gibt es einen Unterschied. Das Ausmaß unseres Bewußtseins bestimmt den Wahrheitsgehalt unserer Visionen und Gefühle. Wir können nur durch jene Symbole und Gefühle Erleuchtung erlangen, die uns vertraut sind und nicht mehr. Beachten Sie die Visionen der Heiligen, wie genau entsprachen sie dem Charakter und den Forderungen der Epoche. In gleicher Weise charakterisieren Visionen am besten die sittlichen und geistigen Aspekte des Menschen. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß die Menschen oft nicht die wichtigste Eigenschaft – Ehrlichkeit – besitzen und aufgrund dessen, was sie gehört oder gelesen haben, vieles erdichten. Visionen kosmischen Charakters werden dem Auge eines Hellsehers gesandt oder enthüllt; wenn in ihm Ehrlichkeit vorhanden ist. Und der kennzeichnende Wesenszug solcher Visionen werden schlichte Schönheit und Erhabenheit sein.

       Sie glauben, das Pascal ein hohes sittliches und geistiges Niveau besaß. Trotzdem dürfte er keine geistige Synthese besessen haben, und das könnte ein Stein des Anstoßes gewesen sein. Gibt es viele, die diese Fähigkeit erlangen? Große Intellekte haben sie oft vermißt. Man kann intellektuell ein Riese sein, aber dennoch keine Synthese besitzen.

* * *

       Warum erachten Sie den Vers der Korinther I (11:10) als so charakteristisch für den Geist der Lehre des Paulus? Aufgrund von zahlreichen Beweisen müssen wir zugeben, daß die Texte der Schriften dauernd entstellt wurden, und auch die Möglichkeit späterer Entstellung oder Hinzufügung zu dieser Epistel müssen wir einbeziehen. In der Tat, die Unterordnung der Frau und Sklaverei hatten sich im Lauf der dekadenten Jahrhunderte so tief eingewurzelt, – und vor allem in der Epoche intellektueller Finsternis, – daß es äußerst schwierig war, diese Prärogative aufzugeben. Freilich, der Apostel Paulus war ein sehr hoher Geist, und in seiner heiligen Botschaft konnte er diesen Barbarismus kaum geduldet haben. Aber Sie wissen, daß die Bedingungen dieser Epoche Zugeständnisse erforderten. Die ganze Wahrheit kann den Menschen nicht enthüllt werden, wenn sie nicht angenommen und daher mehr Schaden als Nutzen bringen würde. Es ist nicht zulässig, die unwissende Masse zu sehr zu verstimmen, da sie in ihrem Toben das Wertvollste vernichten könnte.

       Es scheint mir, daß es ratsam wäre, die Erlasse der Ökumenischen Konzile, der Reihe nach gesammelt, anzuführen. Sie enthüllen erstaunliche Verständnislosigkeit und Widersprüche, die allmählich immer mehr zutage treten. Die Erlasse wurden nicht von einzelnen klaren Geistern herausgegeben, sondern von den Vertretern der unwissenden Mehrheit, und dieser Umstand sollte besonders hervorgehoben werden, denn gerade die Erlasse wurden schließlich zu Dogmen unserer gegenwärtigen Kirche. In der Tat, alle gegenwärtig verehrten erleuchteten Geister unter den Kirchenvätern, wie Basilius der Große, Athanasius der Große und Johann der Göttliche, wurden von ihren eigenen Priestern verfolgt, weil sie sich mit den Erlassen nicht einverstanden erklärten.

       Gleicherweise mit einzubeziehen sind hier die Erlasse des Zweiten Konzils von Konstantinopel, nach dem die Lehre der Wiedergeburt und der Präexistenz der Seele annulliert wurde. Von Interesse sind auch die Bewegung der Bilderstürmer und alle Streitfragen über das Kniebeugen und andere Zeremonien. Warum sollte man jene Passagen aus dem Evangelium ausschließen, die auf die Reinkarnation klar hinweisen?

       Ihre Auslegung der Seligpreisung ”Selig im Geiste sind die Armen …” spricht mich sehr an. Diese Seligpreisung ist von tiefster Bedeutung. In der Tat, dieser Ausspruch ist ein Hinweis auf die Notwendigkeit demütiger Selbstaufopferung, der Ausmerzung jedweden Eigendünkels und der Selbstgefälligkeit, der Überwindung im Bewußtsein und im Geist jeder Hab- und Besitzgier und des Haftens an vergänglichen Dingen. Vor allem diese Entsagung im Bewußtsein haben alle großen Lehrer des Altertums nachdrücklich gefordert.

       Erinnern Sie sich an das in der LEBENDIGEN ETHIK gegebene Beispiel von den beiden Schülern? Einer besaß nichts, und dennoch tadelte ihn der Lehrer wegen seines Haftens an den Dingen; der andere aber war von Dingen umgeben, wurde aber vom Lehrer nicht getadelt.

* * *

       Neugierige werden vielleicht sagen: ”Erklären Sie uns das Bildnis Christi.” Darauf antworten Sie mit den Worten der LEHRE: ”Man kann die fernen Welten nicht messen. Wir können nur durch ihre Strahlung entzückt werden …” Die Geheimnisse des Geistes sind so herrlich, daß man nur raten kann, über das Unaussprechliche nicht zu sprechen. Allein das Herz kann vor Entzücken erbeben, wenn es von Höchster Schönheit geistig berührt wird.

* * *

       Sie haben völlig recht, daß furchtsame Elemente nicht herangezogen werden sollten, weil sie großen Schaden anrichten könnten. Nicht umsonst haben alle alten Disziplinen zuerst die Überwindung der Furcht gefordert. Nur in Furchtlosigkeit können wir uns dem Licht nähern und die gebotene Wahrheit in uns aufnehmen. Jedes Manwantara oder jede Lebensrunde enthüllt neue Fazetten des Diamanten Kosmischer Schönheit.

       Und so fahren Sie mit aller Fürsorge und Weisheit fort in ihrer nützlichen Aktivität. Lassen Sie sich durch die vereinzelten Schreie der Finsternis nicht beirren.

       4. Juni 1937

       Sie haben recht, die Menschen wandten sich mit Fragen über den KELCH DES OSTENS an mich. Jedoch unter ihnen gab es einige, die meinten, sie wären durch dieses Buch in ihrer Anschauung verletzt; manche waren sogar entrüstet.

       Seien Sie bitte gelassen und geduldig, denn es ist nicht so leicht, Ihren Brief zu beantworten. Erstens, wie ich bereits geschrieben habe, ist es zum klaren gegenseitigen Verstehen notwendig, über einen annähernd gleichen Bewußtseinsgrad zu verfügen, aber dieser besteht noch nicht. Zweitens stellen Sie keine direkten Fragen, sondern kritisieren einfach einzelne, dem Zusammenhang entnommene Sätze und stützen Ihre Bestürzung außerdem auf Beispiele aus täglichen Geschehnissen, die für die Themen, die diese ”Briefe“ behandeln, nicht immer anwendbar sind.

       Weiter möchte ich Sie daran erinnern, daß der KELCH DES OSTENS leider nur ein kleiner Teil des großen Bandes ”Briefe der Mahatmas“ an A. P. Sinnett ist. Oft sind einem ausführlichen Brief nur einige Stellen entnommen, und das bereitet einem unvorbereiteten Leser unvermeidlich Schwierigkeiten, die Antwort auf die vielen Themen, die berührt werden, zu verstehen. Darüber hinaus geben diese Briefe wirklich Antwort auf individuelle Fragen, sofern die Fragesteller mit der östlichen Philosophie schon etwas vertraut waren.

       In Beantwortung Ihrer Kritik möchte ich zum besseren Verständnis der Anordnung Ihrer Behauptungen folgen und die Sätze, die Sie verwirrten, zitieren. Ich werde auch die Übersetzung mit der englischen Ausgabe dieses Werkes, die ich besitze, vergleichen.

       1. ”… Und jetzt liegt es an Ihnen, für welchen Bereich Sie sich entschließen: für die höchste Philosophie oder die einfachen Bekundungen okkulter Kräfte.” Der Leser (in diesem Fall Sie selbst) antwortet: ”Ich wünsche beides, denn die Erscheinung der okkulten Kräfte müßte ein für allemal ihr Vorhandensein beweisen.”

       Obgleich mir Ihre Wünsche verständlich erscheinen, muß ich dennoch sagen, daß es unzweckmäßig ist, anzunehmen, die Menschen ließen sich von jedweden Phänomenen aus dem okkulten Bereich überzeugen, wenn sie ihnen zum erstenmal gegenüberstehen und keine Vorstellung vom Okkulten oder den noch verborgenen Gesetzen haben. Ich bin solchen Menschen noch nicht begegnet. Die ganze unerwartete Erscheinung dieser Phänomene sowie die Bedingungen, unter denen sie stattfinden, widersprechen der vorgefaßten Vorstellung und den Begriffen der Beobachter; deshalb erwecken sie in ihnen Argwohn und Zweifel. Und die Vermutung, daß eine hypnotische Kraft zur Anwendung kommt, hat darin ihren Grund. Es wäre für Sie von Nutzen, das Buch von Sinnett ”Die okkulte Welt“ zu lesen, in dem er die vielen bedeutsamen okkulten Manifestationen, die unter Mitwirkung von H. P. Blavatsky stattfanden, beschreibt. Doch alle diese Erscheinungen haben nicht einen überzeugt; im Gegenteil, H. P. Blavatsky ist wegen dieser Erscheinungen des Schwindels, der Fälschung und ähnlicher anderer Machenschaften beschuldigt worden.

       Ihre Frage: ”Ist nicht auch die höchste Philosophie eine Erscheinung der okkulten Kräfte?” ist nicht ganz unberechtigt. Der einzige Unterschied liegt darin, daß sich in der Philosophie diese Kräfte auf der entsprechenden geistigen Ebene offenbaren, die Skeptiker indes meinen, die Erscheinungen müßten, um sie zu beeindrucken, auf dem physischen Plan stattfinden. Weiter müßten sie den unzugänglichen Bedingungen angepaßt und von den nach ihnen verlangenden Skeptikern und Unwissenden festgehalten werden können, im Gegensatz zu den Gesetzen, denen solche Erscheinungen feiner Energien unterliegen.

       Bewußtseine, die die Wirkung der verborgenen feinsten Kräfte oder Energien nicht verstehen, wollen die Tatsache nicht wahrhaben, daß die feinstofflichen Kräfte auch den gleichen feinen und exakt wissenschaftlichen Zugang erfordern. Leider gehen die meisten Menschen an diese Erscheinungen gleichsam mit einer Axt heran und mit ihren eigenen mechanischen Berechnungen. Doch auf dem Gebiet der feinsten Energien ist jedwede physisch primitive Roheit unanwendbar. Darüber hinaus sollten Sie wissen, daß nicht nur jede Seinsebene über ihre eigenen Gesetze verfügt, sondern auch jeder wissenschaftliche Bereich gesetzlich gebunden ist und für die erwünschten Ergebnisse entsprechende Bedingungen erfordert.

       Jemand könnte fragen: ”Ist die Verwandlung von Wasser in Wein nicht eine Suggestion?” Oder: ”Wie kann ein Blinder sehen?” Aber solche Dinge fanden statt, finden statt und werden immer wieder stattfinden. Eine völlig ungebildete Person versteht, daß solche Phänomene geschahen. Wer will daher die ”Wunder“ Christi leugnen? Und wissen wir nicht aus demselben Evangelium, daß ”… Er aus Ungläubigkeit viele mächtige Werke nicht vollbrachte”? So bedurfte selbst Christus für die ”Wunderwirkung“ besonderer Bedingungen. Für uns jedoch bestehen die Wunder Christi weniger in diesen Erscheinungen als in der erneuten Bewußtseinsverschiebung und der erneuten Bestätigung der Heldentat!

       Und nun sagen Sie mir – gibt es derer viele, die sich vom Vorhandensein verborgener Kräfte, wie sie sich auf unserem physischen Plan noch nicht bekundeten, gerne überzeugen möchten und dazu die erforderlichen Ausstrahlungen (Aura) besitzen, die geeignet sind, die wesentlichen Bedingungen zu schaffen? Meinen Sie nicht, daß in den meisten Fällen die Ausstrahlungen der Menschen diese Möglichkeiten ausschließen oder bestenfalls die Qualität der Phänomene mindern oder entstellen? In den Auszügen aus dem Buch KELCH DES OSTENS ist im ersten Brief deutlich erklärt, daß okkulte Erscheinungen zum Zweck der Überzeugung von Menschen nutzlos sind.

       Oft vergessen jene, die an die feinstofflichen Erscheinungen mit einer Axt herangehen, daß selbst eine Berührung mit der feinsten Energie sie veraschen könnte.

       In unserer Zeit bestehen jedoch in vielen Ländern Gesellschaften für ”Psychische Forschung”, in denen mit Hilfe eines Mediums die sogenannten spiritistischen und parapsychischen Phänomene studiert werden. Gleicherweise werden in manchen Ländern zum Zweck des Studiums psychischer Phänomene, Gedankenübertragung auf Entfernung und ähnliches, an Universitäten Lehrstühle errichtet. Aber trotz allem bezweifeln die meisten Menschen das Vorhandensein dieser Erscheinungen.

       Es gibt auch eine umfangreiche Literatur über Spiritualismus; allerdings nur in Ländern, wo die Denk- und Gewissensfreiheit von eifrigen Verfechtern sowohl des alten als auch des neuen Regimes weniger unterdrückt wird.

       Da Sie aber ”Martha in die Küche gesandt haben, um zu offenbaren”, möchte ich Ihnen dazu ein Gleichnis aus der Weisheit des Ostens erzählen.

       ”Zu Ihm, dem großen Erleuchteten, kam ein Schüler, der nach einem Wunder suchte: ‚Das Wunder wird mir Vertrauen einflößen.‘ Traurig lächelte der Lehrer und enthüllte ihm ein großes Wunder. ‚Jetzt‘, rief der Schüler aus, ‚bin ich bereit, unter deiner Führung die Stufen der Lehre zu durchschreiten.‘ Doch der Lehrer wies ihm die Tür und sagte: ‚Ich brauche dich nicht mehr!‘” (AGNI YOGA, § 95).

       2. ”Wir möchten den Theologen fragen, was seinen Gott daran hindert, da er der angebliche Schöpfer alles Seins ist, die Materie mit der Denkfähigkeit auszustatten”, und wenn beantwortet, ”daß Ihm das offensichtlich nicht zu tun beliebte …” Sie merken wohl, daß ”das eine Antwort eines Verfassers wäre, der ein beschränkter Theologe ist, weil ein kultivierter und gebildeter Theologe seinen Gott nicht nur hindern würde, dies zu tun, sondern ihn ermutigen würde, so zu tun.” Und Sie zitieren das Beispiel des Heiligen Sergius von Radonega, der mit den Bären reden konnte, das Beispiel des Heiligen Franziskus von Assisi, der mit den Vögeln sprach, und schließlich weisen Sie auf den Stein hin, der auf Schwingungen reagiert. Zum Schluß führen Sie an: ”Dann würde das ganze künftige Gebäude des Verfassers zusammenstürzen …” Aber gerade diesen Einsturz sehe ich nicht, denn weder Sergius von Radonega noch Franz von Assisi waren Theologen. Außerdem hatten die Mahatmas in Ihren ”Briefen“ nicht die außergewöhnlichen Geistwesen oder die vereinzelt erleuchteten Geister unter den Theologen im Sinn, die heute noch unter dem Kirchenbann stehen, sondern sie meinten den Großteil der Theologen, die sich die Macht anmaßten zu belohnen und zu bestrafen. Sie sind nämlich die Nachfolger jener Mehrheit, die an der Herausgabe der Edikte, der Konzile beteiligt waren, die zu Dogmen der gegenwärtigen Kirche wurden. Und das erstaunlichste dieser Dogmen ist jenes, das Gott vom Universum trennt oder Ihn von der Materie absondert. Der östliche Pantheismus wird vor allem von unseren Geistlichen gehaßt. Es freute mich zu hören, daß es unter ihnen einige gibt, die die Herrlichkeit des Pantheismus, der der östlichen Philosophie zugrunde liegt, mit ihrem Bewußtsein erfassen können. Aber wenn jene, Ihnen bekannten aufgeklärten Geistlichen Gott als das in allem vorhandene Göttliche Prinzip auffassen, so möchte ich wissen, wie sie sich zum Alleinigen eingeborenen Sohn und dem zweiten Aspekt der Dreieinigkeit sowie der Unbefleckten Empfängnis verhalten? Ich korrespondiere mit einigen Erzbischöfen, und es würde mich interessieren, auch den Standpunkt Ihrer aufgeklärten Theologen kennenzulernen.

       3. ”Unsere Vorstellungen über das Böse. Das Böse hat keine Existenzberechtigung und ist nur das Nichtvorhandensein des Guten …” Und später klingt in Ihrer Frage in einigen Beispielen Ihre Bestürzung durch. Ich möchte Sie daran erinnern, daß Sie den Wunsch äußerten, wegen der höchsten Philosophie zu Füßen des Meisters zu verweilen, doch Sie bemühen sich kaum, dazu das nötige Wissen zu erwerben. Ohne grundlegende Vorbereitung kann man nicht an die höhere Mathematik herangehen; ebenso kann man höhere Philosophie nicht in alltägliche Diskussionen einbeziehen. Um obige Feststellung über das Böse zu verstehen, muß man sich das östliche Denken völlig zu eigen machen und die Grundprinzipien in sich aufnehmen, nämlich die Existenz der EINEN (ABSOLUTEN) TRANSZENDENTALEN REALITÄT, ihren dualen Aspekt in dem geoffenbarten Universum, und das Illusorische oder die Relativität alles Offenbarten.

       Wenn Sie über diese Begriffe nachdenken, werden Sie verstehen, warum es Böses als solches im höheren Aspekt des vollkommenen Seins nicht geben kann. Unvollkommenheit oder Relativität wird nur in der ewigen Bewegung der Kräfte des Lichts als die EINE – EWIGE REALITÄT wahrgenommen. Sie werden erkennen, daß es nur an unserem Bewußtsein liegt, daß alle Erscheinungen die eine oder andere Färbung und die eine oder andere Eigenschaft erhalten. Es gibt so viele Wissensgrade und Eigenschaften von Erscheinungen, als es Bewußtseine gibt.

       Aber lassen Sie uns auf die Ebenen herabsteigen, die uns am nächsten liegen. Unzweifelhaft besteht das Böse in der Welt des Menschen, und es entstand mit dem ersten Aufleuchten des Bewußtseins. Unvollkommenheit des Bewußtseins zusammen mit Willensfreiheit ließen alle Arten des Bösen entstehen. Und der Begriff Opfer kommt der ersten Erscheinung des Bösen gleich. Ebenfalls ist es wahr, daß es bewußte und unbewußte Opfer gibt. Aber dem von Ihnen gegebenen Beispiel stimme ich nicht zu. Sicherlich, in der üblichen Auslegung könnte man meinen, daß es ein Opfer der Bosheit und Unwissenheit gibt, aber der Mensch, der die Wirkung unabänderlicher kosmischer Gesetze kennt, wird auch erkennen, daß man ein Opfer seiner eigenen früheren Missetaten sein kann. Wahrhaftig, jede Erscheinung hat mehrere Aspekte und wird daher unvermeidlich relativ.

       4. ”Mit anderen Worten, wir glauben allein an die Materie …” und auch: ”Nur so und nicht anders stärkt und verfeinert sie jene geheimnisvollen Bande der Sympathie zwischen intelligenten Menschen, diese zeitweise getrennten Bruchstücke der Weltseele und der kosmischen Seele selbst, versetzt sie in Entzücken und bringt sie zur Einheit. Wird dies einmal angenommen, dann werden diese erweckten Sympathien wahrlich dazu dienen, den MENSCHEN mit dem, was ich in Ermangelung des europäischen wissenschaftlichen Wortes gezwungenermaßen mit mehr kompetenten Gedanken auszudrücken versuche, als jene energetische (dynamische) Kette, die den materiellen Kosmos verbindet.” ”Immaterieller Kosmos – welcher Unsinn? Das ist wahrhaftig vernünftige Materie und endet mit einem Gebet nach Ruhe für die Seele …” Soweit Ihre eilige Schlußfolgerung.

       Sie sind ungehalten, weil es Ihnen widersprüchlich erscheint, aber ist es wirklich so schwer, den Standpunkt des Ostens, daß Geist und Materie dasselbe sind, zu erfassen? Daß Materie nur eine Differentiation des Geistes ist und daß Geist, der Materie beraubt, nicht in Erscheinung treten kann, oder mit anderen Worten, nicht besteht? Wir können uns tatsächlich weder in Tätigkeit noch in Gedanken von der Materie lösen; wir wenden uns immer der gleichen Materie des höchsten oder gröbsten Aspekts zu. Materie oder die feinste Substanz – Geistmaterie – ist in den Differenzierungen ihrer sichtbaren und unsichtbaren Erscheinungen unbegrenzt, doch allein mit reinem Geist kann man nicht wirken. Unwissenheit trennt und löst alles, das große Wissen des Ostens hingegen vereint und führt alles zur Synthese. Das westliche Bewußtsein hat sich im Lauf von Jahrtausenden daran gewöhnt, alles dermaßen in Materielles und Immaterielles oder Physisches und Geistiges zu teilen, daß es schwer ist, in Gesprächen mit westlichen Menschen deren Terminologie völlig auszuschließen. Der Verfasser des von Ihnen besprochenen Briefes müßte sich genau der westlichen Mentalität des vergangenen Jahrhunderts anpassen, was nicht nur durch die Annahme neuer Begriffe Schwierigkeiten bereitet, sondern auch durch die Annahme der geeigneteren Terminologie der alten Begriffe. Was die von Ihnen angeführte Stelle betrifft, so bedienen wir uns anstatt des Ausdrucks ”immaterieller Kosmos“ der modernen Sprache und sagen der ”Kosmos der feinen Substanzen oder Energien“. In der heutigen Energetik des Universums hat Materie ihre ”Grobstofflichkeit“ verloren. In der Wissenschaft des Gedankens im Bereich der Philosophie war und ist der Osten unser Lehrer.

       Sie sind durch das Wortgefüge des Autors ”Wird dies festgestellt …” verwirrt, aber alle vorhergehenden Feststellungen in diesem Brief erklären das ”dies“ tatsächlich. Gerade auf der gleichen Seite des Briefes wird festgestellt, daß ein Schüler sich mit den elementaren Regeln der Arithmetik vertraut machen sollte, bevor er versucht, die höchsten Fragen des Euklid zu lösen. Und nur ein Fortschritt im Erfassen der elementaren Grundlagen des Heiligen Wissens wird ihn zum Verstehen des hohen östlichen Denkens führen. Und nur durch dauernde Festigung und Verfeinerung des Bandes der Sympathie, oder mit anderen Worten, durch Vereinigung der Bewußtseine der intelligenten und gelehrten Menschen kann gegenseitiges Verstehen bis zum Einklang erlangt werden. Nur dann werden ihnen die kosmischen Gesetze, die die physische Welt mit der feinstofflichen (oder dem ”Jenseits“) verbinden, offenbar. Harmonie ist das Gesetz der Höheren Welt. Der Mensch trägt drei Wesensarten in sich, und er muß alle drei vervollkommnen, um die irdische Evolution zu erfüllen und Vollendung zu erlangen. Und dies wird kommen, sobald er es lernt, durch diese drei Wesensarten auf allen drei entsprechenden Seinsebenen bewußt zu handeln.

       5. ”Die Natur ist weder gut noch böse; sie folgt nur unabänderlichen Gesetzen, wenn sie Leben und Freude spendet oder Leiden und Tod sendet …” Hier schließen Sie damit, daß, ”Wenn der Autor sagen will, daß Leben und Tod relative Zustände sind, es keinen Tod gibt, denn nach unserer Vorstellung sollte es kein Leben geben.” Wieder das gleiche; wenden wir uns daher nochmals dem bereits Gesagten zu: Um Relativität zu begreifen, muß man wissen, daß die Welt der Relativität das Ewige ES ist und daß jedwede Relativität immer durch Differentiation und durch die endlosen Umwandlungen oder Veränderungen in der perpetuellen Bewegung des geoffenbarten Seins entsteht. Könnten Sie den Tod als Austausch einer Hülle durch die andere bezeichnen, das Erwachen zu einer verfeinerten, erweiterten Tätigkeit? (Letzteres natürlich nur im Fall eines entwickelten und vergeistigten Bewußtseins.) Und die Begriffe, die Sie nennen: Devachan, Kama Loka und andere sind nur verschiedene Zustände unseres Bewußtseins.

       6. ”Die Natur hat für jedes Gift ein Gegengift … Der von einem Vogel verschlungene Schmetterling wird dieser Vogel …” Ich merke, daß Sie die kosmischen Gesetze nicht erfaßt haben. Zwar stimme ich Ihnen zu, daß es vom menschlichen Standpunkt aus in der offenbarten Natur viele Unvollkommenheiten und Grausamkeiten gibt. Aber in den meisten Fällen von Grausamkeit und Unausgeglichenheit in der Natur ist leider primär der Mensch, die sogenannte ”Krone der Schöpfung“, selbst schuld. Der Mensch ist zur Vervollkommnung aufgerufen, zur Mitarbeit, zum steten Geben. Aber statt dessen sehen wir, daß der Mensch seine ganze Kraft zwecks Uneinigkeit, Spaltung und Vernichtung einsetzt. Die Zusammenarbeit der Menschen mit der Natur ist gestört und das große Gleichgewicht verletzt. Könnten Sie vielleicht versuchen, die Ihnen grausam erscheinenden kosmischen Gesetze zu erklären, von Ihrem Gesichtspunkt aus, oder vom Gesichtspunkt des allbarmherzigen und allmächtigen himmlischen Vaters?! Wir kennen nur ein Gesetz: das Gesetz von Ursache und Wirkung.

       7. ”… und heute schneiden sich die Nachfolger Christi und Mohammeds im Namen ihrer Meister für deren Ruhm beziehungsweise ihre Mythen die Kehlen durch.” Sie geben doch wohl zu, daß der Niedergang der Religionsformen ein großes Übel ist? Stimmen wohl auch zu, daß die Religionssysteme das größte Blutvergießen verursachten und daß die meisten Diener der Religionsformen jeden Fortschritt der Wissenschaft unterdrückten und jeden mutigen Gedanken, der die Unermeßlichkeit des Wissens enthüllte, erstickten? Glücklicherweise sind jene geschichtlichen Chroniken noch verwahrt!

       Man muß auch verstehen, daß der Verfasser dieses Briefes nur die entstellten, abweichenden Religionsformen ins Auge faßte und nicht die Grundlagen der Lehren der Großen Lichtträger. Sie werden mir doch beipflichten, daß einige festgesetzte Dogmen und Handlungen der Kirchenvertreter sehr oft – und das bis heute – nicht dem Geist der Lehren ihrer Gründer entsprechen. Sicherlich, wir sollten nicht zurückgehen in die Geschichte der Konzile, bis zur Verfolgung solch großer Kirchenväter der Christenheit wie Origenes, Clemens von Alexandrien, Johann, das Goldene Sprachrohr, Gregor, Athanasius des Großen und anderer durch ihre unwissenden Kollegen! Sollten wir in unseren Erinnerungen die päpstlichen Chroniken mit all den Schrecken der Inquisition und der Bartholomäusnacht wieder erstehen lassen? Gleicherweise wollen wir nicht zurückdenken an die Vernichtung der buddhistischen Tempel und Gesellschaften sowie an den Mord an Buddhisten, Brahminen, Mohammedanern und Chinesen oder an die Feindschaft zwischen Hindus und Moslems, die wegen einer geschlachteten Kuh oder eines in den Tempel geworfenen Schweins jährlich viele Leben dahinrafft! Aber all das dauert an und wird sich fortsetzen, solange die besten Gemüter unter den Geistlichen nicht erkennen, wo und wie grausam sie gegen die Bündnisse der Großen Lehrer und Gründer verstoßen. Das Bewußtsein der Menschheit kann nicht ungestraft in den Fesseln der Unwissenheit niedergehalten werden. Der menschliche Geist wird früher oder später erwachen, aufbegehren und alle Fesseln abstreifen. Rückblickend können wir die profunden Gründe, die den Niedergang der alten Welt bewirkten, herausfinden. Das Ersticken des Geistes, wie es in bestimmten Ländern vor sich geht, führte zwangsläufig zu Wahnsinnstaten. Der Gedanke ist die Krone der Schöpfung, und seine Abtötung ist das größte Verbrechen. Verfolgt erkannten die besten Kirchenväter dies seit langem und erklärten, daß ”Unwissenheit die Hölle” sei.

       8. Sie sind ungehalten darüber, daß im KELCH DES OSTENS das ”Höchste Mysterium“ nicht enthüllt wird. Denken Sie jedoch selbst darüber nach – kann man angesichts der Unbegrenztheit das Höchste Mysterium erfassen? Und wo ist jene Synthese und jenes reine Bewußtsein, das die Schönheit des Höchsten Seins aufnehmen kann? Einem unreinen und groben Bewußtsein sind die feinsten Begriffe und Gefühle nicht zugänglich, es wäre geblendet durch die Annäherung an sie. Mysterien, und nicht einmal die höchsten, werden nur durch Geistesflüge enthüllt. Mögen daher Ihre Flügel wachsen!

       9. ”Wenn wir die Welt von der Kenntnis unseres Wissens für Generationen ferngehalten haben, so ist es ein Beweis für ihre absolute Unfähigkeit …” Dazu fragen Sie: ”Wer sollte die Welt vorbereitet haben?” Darauf will ich Ihnen antworten: Die äußersten Anstrengungen des menschlichen Geistes zwecks Erkenntnis der großen Wirklichkeit. Die Höchsten Geistwesen haben auf der Erde inkarniert, um das Bewußtsein der Menschheit zum Verstehen der kosmischen Gesetze zu führen, was völlige Zusammenarbeit mit den zeitweise getrennten Teilen der Einen Weltseele erfordert. Aber der freie Wille des Menschen trieb ihn auf den Pfad beschränkter, isolierter Selbstsucht, zur völligen Entzweiung und zum Ruin.

       Weiter zitieren Sie: ”… und wenn, ungeachtet aller Beweise, sie (die Menschheit) sich noch weigert, die Offenkundigkeit zuzugestehen …” und gleichzeitig stellen Sie die Frage: ”Beweise, worüber, welche, wo und wann?” Dazu möchte ich Ihnen sagen: Machen Sie sich mit der Geschichte der Entwicklung menschlichen Bewußtseins und Denkens selbst vertraut aus den Schriften der höchsten Geistwesen, die oft mit ”ehrenvollen“ Titeln wie Häretiker und Scharlatane bedacht wurden. Ihr letzter Satz: ”… dann werden wir am Ende dieser Runde ausscheiden.” Hier spüren Sie eine Drohung, und wie Sie erklären, eine unverdiente. Doch zum ersten besteht keine Drohung darin, daß die Hohen Lehrer die freiwillige Abweisung des höheren Wissens seitens der Menschheit hinnehmen werden. In diesem Falle würden die Meister ihr Wissen und ihre Energien für das Wohl anderer Menschheiten auf anderen Planeten einsetzen. Ich meine, wenn man nur etwas in das Ganze eindringt, kann man sich vorstellen, welchem Ende alles zusteuert. Und wir wissen auch, daß es keine Wirkungen ohne Ursachen gibt; was waren diese Ursachen und wo finden wir sie?

       Nur ein voreingenommenes Bewußtsein kann in den von Ihnen zitierten Worten eine Bedrohung vermuten. Wäre dem so, dann könnte man jedes Warnzeichen bei einem Bahnübergang (Achtung auf den Zug) u. dgl. als Bedrohung ansehen. Ein freies Bewußtsein wird begreifen und jede Warnung dankbar entgegennehmen. Zum Schluß Ihres Briefes schreiben Sie: ”Dieses Buch erweckt vor allem den Eindruck als wäre es von Leuten verschiedener geistiger Entwicklungsstufen geschrieben worden; ist es jedoch von einer Person geschrieben worden, so von einer, der jedes Wissen ermangelte und die ganz selbstbewußt die aufgepickten Krumen des Wissens auf einen Faden auffädelte, als wären es Perlen verschiedener Größe, Farbe und Werte …” Ihre eigene Ausdrucksweise gebrauchend, könnte ich sehr wohl sagen, daß Sie in diesem besonderen Fall jene für Ihre eigene Krankheit tadeln. Es ist unerlaubt, den Großen Lehrern der Menschheit seine eigene Unwissenheit und den Mangel an Verstehen zuzuschreiben.

       Das betreffende Buch wurde von den Höchsten Geistern geschrieben; unvorbereitete Bewußtseine täten jedoch besser daran, es nicht zu berühren, denn das endet in nichts anderem als in Gotteslästerung. Man kann vieles nicht wissen und einen Großteil nicht verstehen, – das ist kein Verbrechen, aber zu lästern, das ist unentschuldbar. Wer überall Widersprüche sieht, außer in seinem eigenen Bewußtsein, enthüllt nicht nur seine eigene Unwissenheit, sondern auch seinen Eigendünkel.

       So pflegte der Große Buddha bei der Wahl seiner Schüler, sie auf ihre Begriffsfähigkeit hin zu prüfen, als wären sie Gegensatzpaare. Konnte ein Schüler diese Fähigkeit nicht nachweisen, zog Buddha ihn für weiteres Wissen nicht heran, da dies nicht nur nutzlos, sondern sogar schädlich gewesen wäre. Das Vertrautsein mit der Wirklichkeit wird nur auf dem Wege ewigen Wandels und durch Gegenüberstellung von Gegensatzpaaren erlangt.

       Sie werden nach dem Lesen meines Briefes wahrscheinlich empört sein, doch ich bin an die Tatsache gewöhnt, daß jene Leute, die feine Geschichten erzählen und damit alle möglichen Lästerungen über das Höchste, Heiligste und Teuerste von sich geben, zu Feinden werden, wenn man sie zurechtweist. Es liegt mir nicht, scheinheilige, süße Worte auszusprechen, um persönliche Schmähungen zu übertünchen. Gleicherweise liebe ich keine billige Sentimentalität, die jede Lüge beflügelt und zur Brutstätte der Ungerechtigkeit wird.

       11. Juni 1937

       Jeder Beweis der Einigkeit ist eine große Tat, und ihre Auswirkungen sind mit irdischen Maßstäben schwer zu messen. So möchten wir aus tiefstem Herzen allen jenen unsere Dankbarkeit aussprechen, die uns geistig nahestehen und am Tage des Festes der Einigkeit ihre besten Gedanken übermittelten. LICHT und FREUDE allen, möge in Einigkeit – Selbstlosigkeit den Lebensweg jedes wahren Dieners des Guten zieren. Wir sind glücklich, daß Ihre Gruppe so rührig und aktiv ist. Das Wichtigste ist, die Wasser umzurühren; nur dann werden Möglichkeiten geboren. Oft erwartet man ein ganz bestimmtes Ergebnis, doch man muß bedenken, daß dieses – wie man enttäuscht sieht – nicht immer eintrifft, sondern dafür in eine andere, nicht minder wichtige Richtung neue Möglichkeiten gesät werden. Daher wollen wir wachsam sein und die Möglichkeiten ergreifen, die uns durch unsere Taten zugeführt werden, sei es durch Begegnung mit Menschen oder anderes. Leben bedeutet Tätigkeit, Stagnation bedeutet Zersetzung. Daher seien jene gesegnet, die der Tat zustreben.

       Und nun komme ich zu Ihren Fragen. Sie wollen mehr über psychische Energie wissen.

       Wie bekannt, ist die psychische Energie die URENERGIE; daher schließt sie alle anderen Energien, die nur ihre Differenzierung sind, mit ein.

       So ist Parafohat die fundamentale oder ursprüngliche psychische Energie in ihrem höchsten kosmischen Aspekt, und ihr nächster Aspekt im geoffenbarten Universum ist Fohat. Dieselbe als Lebenskraft offenbarte psychische Energie ist überall als Prana verstreut. Die Zeit ist gekommen, um die Bedeutung der Urenergie in eine Einheit zu bringen.

       Hier ein Paragraph aus der LEHRE: ”Zweifellos seid ihr oft gefragt worden, wie man die psychische Energie entwickelt und ihren Nutzen erkennt. Jedoch oft ist schon gesagt worden, daß das Herz, das die höhere Lebensqualität anstrebt, der Leiter der psychischen Energie sein wird. Keine gewaltsame, herkömmlich beschleunigte Beweglichkeit zur Entwicklung der Herztätigkeit ist von Nutzen. Das Herz ist ein sehr unabhängiges Organ; man möge ihm die Freiheit zum Guten geben und es wird sich mit Energie füllen. Ebenso können die Früchte der vereinten Energie nur in harmonischer Gemeinschaft sichergestellt werden. Dafür ist es aber unumgänglich zu verstehen, was Übereinstimmung bedeutet” (Bruderschaft, § 290).

       Psychische Energie ist Heiliger Geist; psychische Energie ist Liebe und Streben; psychische Energie ist die Synthese aller Nervenausstrahlungen; psychische Energie ist das große AUM. Daher trägt vor allem unerschütterliches Streben zur Vervollkommnung und zum Licht in allen seinen Erscheinungen zur Entfaltung dieser lebenspendenden Energie bei. Denken Sie an den § 55 aus dem Buch GEMEINSCHAFT: ”Streben ist das Boot des Archaten … Streben ist der Schlüssel zu allen Höhlen … Streben ist die Zahl der Sterne.” Ich liebe diesen Paragraphen so! Man kann sagen, daß überall dort, wo es kein Streben gibt, es auch keine erhabene psychische Energie gibt.

       Sie haben recht, psychische Energie kann man sich nur aneignen, wenn die Nervenzentren bereit sind, sie aufzunehmen. Sie kann weder aufgezwungen noch abgerungen werden. Man kann eine bestimmte Menge seines eigenen Vorrats anderen Personen übermitteln, aber nur, wenn diese sie aufnehmen können. Das erklärt viele Wunderheilungen. Gleichfalls bedarf psychische Energie der Kraft aus dem Raum, aber nur, wenn sie bereits die Eigenschaft der Anziehung besitzt. Alle Phänomene, wie Telepathie, Gedankenübertragung auf Entfernung, Hypnose, Heilen, Hellsehen, Hellhören, Psychometrie u. dgl. stehen in Zusammenhang mit den Erscheinungen verschiedener Eigenschaften der psychischen Energie. Man muß auch daran erinnern, daß die Eigenschaften der psychischen Energie in ihrer Vielfalt unbegrenzt sind.

       Kundalini ist die gleiche Lebenskraft der psychischen Energie, die über das Zentrum am Ende des Rückgrats wirkt. Aber bei hochentwickelten Geistern offenbart sie sich über das Herz. In vergangenen Jahrhunderten wurde dem Zentrum Kundalini im Hinblick auf die sichtbaren Ergebnisse der wirkenden psychischen Energie besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Aber in der kommenden Epoche, in der die Welten näher aneinanderrücken, wird besonders das Herzzentrum verstärkt werden. Die Tätigkeit über das Kundalini-Zentrum ist im irdischen Zustand überzeugend und real, wogegen es zur Erreichung der höheren Welten und für den Aufenthalt dort wichtig ist, die Herzenergie zu verfeinern. Aus diesem Grunde spricht die LEHRE soviel über das Herz, dieser ”Sonne der Sonnen“.

       Psychische Energie ist in der Vielfalt ihrer Eigenschaften und Erscheinungen unbegrenzt. Sie ist, wie alles im geoffenbarten Universum, dual in ihren Aspekten, d. h. sie kann sowohl zum Guten als auch zum Bösen verwendet werden. Daher kann man von ihr – entsprechend ihren sehr unterschiedlichen Eigenschaften zu Zeiten der Atlantis – auch in der Zeit der kommenden Epoche verschiedene Erscheinungen erwarten. Jedenfalls ist zu hoffen, daß infolge des Erwachens höherer Geistigkeit in der Menschheit, durch den Einfluß der neuen Raumstrahlen, die unseren Planeten jetzt erreichen, die höheren Erscheinungen oder Eigenschaften der psychischen Energie vorherrschen werden. Alles hängt von der geistigen Entwicklung des Menschen ab, von der Beschaffenheit seines Herzens.

       Nun zu Ihrer nächsten Frage: ”Wie sind die Worte im Johannes-Evangelium zu verstehen: ‚Wem immer ihr die Sünden nachlasset, dem sind sie nachgelassen, wem immer ihr sie behaltet, dem sind sie behalten‘ (Joh. 20:23)?” Offensichtlich sind diese Worte nicht genau überliefert. Wahrhaftig, es ist unmöglich, anzunehmen, daß die Evangelien, deren erstes vor beinahe 100 Jahren nach dem Tod Christi geschrieben wurde und später alle durch die Zensur so vieler eifriger Hände gegangen sind, den Gedanken Christi klar bewahrten. Jedoch lege ich diesen Ausspruch folgendermaßen aus: Wenn wir dem Schuldigen vergeben, so belasten wir sein Karma nicht zusätzlich. Hegen wir hingegen Groll und Unversöhnlichkeit in uns, erschweren wir sein Karma noch mehr und nützen dabei auch uns nicht, ganz im Gegenteil!

       Denken wir daran, was im Buch ”Bruderschaft“ (§ 445) gesagt ist: ”Um den Begriff Vergebung hat sich viel Unverständnis angesammelt. Wer jemandem vergeben hat, meint, er hätte etwas Außergewöhnliches vollbracht, dabei hat er nur sein eigenes Karma vor Erschwernis bewahrt. Der, dem vergeben wurde, denkt, daß alles getilgt sei, das Karma jedoch bleibt bestehen. Freilich, derjenige, der vergibt, mischt sich in das Karma dessen, dem er vergibt, nicht ein und erschwert es somit auch nicht, aber das Karmagesetz bleibt für beide geltend. Die Herren des Karma können dies bis zu einem gewissen Grad ändern, wenn das Feuer der Läuterung hell auflodert, doch diese Flamme kann nicht leicht entzündet werden. Zur Entfachung des Feuers sind große Opfer gebracht worden. Das Gedenken an solch aufopfernde Taten muß man würdigen. Schönheit lebt in solchen Rufen. Weder Zeit noch menschliche Wirren können die Rufe nach Selbstaufopferung ersticken. Die Gebote der Bruderschaft besagen dasselbe. Es ist schön, wenn der durch Zeitalter bestehende Begriff auch jetzt nicht vergessen wird. Weisen wir selbst geringes Verständnis für den überirdischen Pfad nicht zurück.”

       Wenden wir uns wieder Worten im Johannes-Evangelium zu, die oft mit den Worten aus dem Matthäus-Evangelium (18:18) gemeinsam zitiert werden: ”Wahrlich, ich sage euch, was immer ihr auf Erden bindet, wird auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden löset, wird auch im Himmel gelöst sein.” Wirklich, das sind die Worte, nach denen die Kirche die Nachfolge der Apostel für sich in Anspruch nimmt und auf die sie die Macht zu vergeben und zu bestrafen gründet, einschließlich Exkommunikation. Ich habe darüber schon geschrieben und daher möchte ich diese Zeilen jetzt für Sie wiederholen: ”Um die oben erwähnten Worte Christi richtig zu verstehen, muß man die vorausgehenden Verse im selben Kapitel (Matth. 18:15) lesen. Wahrhaftig, der 18. Vers ist sozusagen die Moral, die aus dem obigen Gleichnis hervorgeht, denn er weist deutlich auf die Wirkung des Karmagesetzes hin. Wahrlich, wir müssen unsere Auseinandersetzungen mit unseren Nächsten hier auf Erden schlichten, in der Feinstofflichen Welt ist das nicht möglich. Denn wir ernten in der Feinstofflichen Welt, was wir hier säen. Aus diesem Grunde sollten wir immer versuchen, soviel Karma als irgend möglich zu tilgen, – mit anderen Worten, unsere Beziehungen zu anderen zu schlichten, solange wir hier auf der Erde weilen. Warum sollte die Anrede ”ihr“ im 18. Vers sich allein auf die Apostel beziehen und nicht auf die Menschen im allgemeinen? Sicherlich, es ist nicht schwer zu begreifen, warum diese Worte so ausgelegt wurden, als wäre den Aposteln von Christus das Recht verliehen worden, zu ”binden und zu lösen“ oder anders gesagt, zu bestrafen und zu vergeben …

       Wirklich, selbst das Höchste Geistwesen kann keine Sünden vergeben, weil dies dem Karmagesetz widerspräche. Es könnte Karma bis zu einem bestimmten Grad erleichtern, aber das ist alles. Wenn der Mensch der alleinige Schöpfer und Vollstrecker jedes seiner Motive, all seiner Gedanken und Taten ist, wer könnte dann überhaupt in seinem Wesen etwas ändern, folglich an seinem Schicksal, ohne seinen unmittelbaren Willen? Der Hohe Geist kann nicht mehr tun, als uns in unseren Anstrengungen zu unterstützen, um unser inneres Wesen zu wandeln. In allem ist in erster Linie Zusammenarbeit erforderlich.”

       Zum Abschluß meines Briefes würde ich Sie bitten, von Zeit zu Zeit alle jene, die sich der LEHRE angeschlossen haben, daran zu erinnern, daß Prüfungen, wie Sie wissen, unvermeidlich sind. Wahrlich, die Schüler müssen die Geisteskraft aufbringen, die Feinde zu bewältigen, die allerdings vor allem in uns selbst zu suchen sind, in Form von noch nicht ausgelebten Leidenschaften und Gewohnheiten. Unter dem Druck äußerer Umstände und Verhältnisse erwachen diese in unserem Herzen und vergiften unser Bewußtsein.

       Weisen Sie Ihre Freunde auf folgende Paragraphen im Buch BRUDERSCHAFT hin. (483): ”In den Gemeinschaften des Altertums wurde jeder, der sich einer Prüfung unterzogen hatte, beglückwünscht. Man behandelte ihn fürsorglich, denn es war bekannt, daß es unerläßlich war, den Prozeß seines Erlebens gewaltsam zu unterbinden. Jede Prüfung wurde als Schwelle zum Fortschritt betrachtet. Niemand konnte den Verlauf der Wirkungen verwirren, doch brüderliche Ermutigung half ihm, seinen Schritt, selbst vor den schrecklichsten Bildnissen nicht zu verlangsamen. Natürlich, das in seiner entsetzlichen Häßlichkeit unvermeidliche Chaos versucht, den Pfad jedes Geprüften zu behindern. Mögen jedoch diese Bildnisse schrecklich sein – die Erscheinung des Entsetzlichsten ist an sich der Vorbote des Endes der Prüfung.”

       (529): ”Gewohnheit ist die zweite Natur, besagt ein weises Sprichwort und verdeutlicht, wie sehr Gewohnheit den Menschen beherrscht. Gerade Gewohnheiten machen den Menschen unbeweglich und unempfänglich. Gewohnheiten kann man unterdrücken, aber es ist schwer, sie auszumerzen. Man kann immer wieder Menschen begegnen, die sich rühmen, die Gewohnheiten besiegt zu haben. Beachtet jedoch den Alltag dieser Sieger und ihr werdet finden, daß sie Gewohnheitssklaven sind. Sie sind von Gewohnheiten derart befallen, daß sie gegenüber der Last dieses Jochs sogar unempfindlich sind. Besonders tragisch ist es, wenn ein Mensch meint, von Gewohnheiten frei zu sein, in Wirklichkeit aber an sie gefesselt ist. Es ist äußerst schwierig, einen Kranken zu heilen, der seine Krankheit leugnet. Jeder kennt solche unheilbaren Menschen. Doch um den Begriff Bruderschaft in sich aufzunehmen, ist es unerläßlich, vorhandene Gewohnheiten zu meistern. Wenn Wir von Gewohnheiten sprechen, so meinen Wir nicht den Dienst am Guten, sondern die kleinen Gewohnheiten der Selbstsucht.

       Bei Uns ist es Brauch, jene, die sich der Bruderschaft nähern, durch das Ablegen der Gewohnheit zu prüfen. Diese Prüfungen müssen unverhofft erfolgen. Am besten ist es, mit kleinen Gewohnheiten zu beginnen. Der Mensch neigt oft dazu, diese stärker als etwas anderes zu verteidigen. Man betrachte sie gleichsam als Geburtsmerkmale, als natürliche Eigenschaften. Aber Neugeborene haben keine Gewohnheiten. Atavismus, die Familie sowie die Schule fördern das Einwurzeln von Gewohnheiten. In jedem Fall ist eine alltägliche Gewohnheit ein Feind der Evolution.”

       19. Juni 1937

       Ich freute mich zu hören, daß Sie sich mit der psychischen Energie und der Gedankenkraft befassen wollen. Zur Zeit sind das die dringendsten Fragen. Das Bewußtsein der Menschen muß geweckt werden zur richtigen Bewertung der Bedeutung des Gedankens. Die kommende Evolution beruht auf Zusammenarbeit und der Bedeutung des Gedankens. Versuchen Sie daher, soviel Material als möglich über praktische Errungenschaften auf dem Gebiet der Gedankenübertragung zusammenzutragen. Welch beachtenswerten Prüfungen in der Menschenkenntnis Sie unterzogen werden! Ich bin sicher, Sie werden diese Prüfungen siegreich bestehen.

       Laßt uns daher Weisheit erlangen, indem wir verschiedene Persönlichkeiten vergleichen. Erinnern wir uns an alle Persönlichkeiten, die bereits in kurzer Zeit Legende wurden. Üben wir Zweckmäßigkeit! Es heißt in der LEHRE, daß ein Mensch, der nicht weiß, was Angemessenheit ist, nicht als geistig gilt. Angemessenheit ist der Goldene Mittelweg.

       Mit Bezug auf Buddha sagte Vivekananda, daß das Herz der Hohen Geistwesen so weich ist wie Butter, aber sie es zu disziplinieren verstehen. Mit anderen Worten, Sie wissen, was Angemessenheit ist. Wahrlich, Sie werden von Angemessenheit geleitet. Angemessenheit grenzt an Zweckmäßigkeit, die im ganzen Kosmos herrscht.

       Ich habe den beigelegten Brief durchgesehen und wäre dem Verfasser gerne behilflich, ihn über seine Gedanken in bezug auf Komplexität des menschlichen Wesens aufzuklären. Aber vorerst möchte ich hervorheben, daß die Buddhisten nicht behaupten, daß der Mensch ”DAS“ oder der vollkommene und ewige Gott sei. Diese Behauptung stammt von den Anhängern des Wedanta. Auch sollte man nicht meinen, daß das in uns vorhandene Göttliche Prinzip oder die Verbindung mit ihm Evolution sinnlos mache. Im Gegenteil, nur das Vorhandensein dieses ewigen Prinzips in uns ermöglicht Evolution, denn das gesamte Universum, alles Sein besteht nur durch dieses lebenspendende Prinzip. Wahrlich, die Vollkommenheit und Ewigkeit dieses Göttlichen Prinzips in seinem Potential sind die Gewähr dafür, daß sich der Mensch, sein Träger, ewig vervollkommnen kann. Indem die Wedantisten die Unwandelbarkeit und Vollkommenheit des Göttlichen Elements anerkennen, anerkennen sie auch die ganze Komplexität des menschlichen Wesens als Widerspiegelung des Universums – diesen Komplex der Komplexe. Der Makrokosmos befindet sich in einem perpetuellen Entfaltungsprozeß oder Werden, ebenso wie der Mensch, der Mikrokosmos, unermüdlich neue Möglichkeiten entdeckt und sammelt, eben wegen des in ihm vorhandenen ewigen Göttlichen Potentials. Die Buddhisten leugnen das Vorhandensein einer unwandelbaren Seele im Menschen und in allem Sein, denn sie sehen sowohl im Menschen als auch im gesamten offenbarten Universum Unbeständigkeit und Vergänglichkeit oder – nach der modernen Terminologie – die Evolution alles Seienden. Jedoch kein einziger gelehrter Buddhist, dessen ontologische Vorstellungen dem gegenwärtigen auf Energetik beruhenden Denken nahestehen, würde das Vorhandensein der Göttlichen Energie im Menschen, die grundlegend ewig und unwandelbar ist, leugnen. Daher ist es unwesentlich, ob wir diese Energie Gott, Geist oder Ewige Zeugenschaft oder eben Göttliches Feuer nennen, ihr herrlicher transzendentaler Sinn bleibt unverändert. Es ist von Nutzen, hier den § 275 aus dem Buch AGNI YOGA in Erinnerung zu bringen: ”Wedanta stellt richtig fest, daß der Geist unverletzlich bleibt. Das feurige Geisteskorn behält seinen ursprünglichen Bestand, weil das Wesen der Elemente unveränderlich ist. Doch die Emanation des Korns ändert sich in Abhängigkeit vom Wachstum des Bewußtseins. So kann man verstehen, daß das Geisteskorn ein Teilchen des elementaren Feuers ist. Und die um das Korn angesammelte Energie ist Bewußtsein. Das bedeutet, daß Wedanta sich mit dem Korn befaßte, während Buddhismus von der Vervollkommnung der Körper sprach. So vollkommen bedingen das Bewegliche und das Unbewegliche einander.

       Es ist durchaus verständlich, daß Buddha, der die Menschheit zur Evolution lenkte, das Wesen der Beweglichkeit aufzeigte, während Wedanta die Grundlage erklärte. Füget einer Flamme irgendeinen chemischen Bestandteil bei, und ihr werdet bemerken, daß sich ihre Farbe und Größe verändert; aber das ursprüngliche Wesen des Feuers wird unverändert bleiben. Ich sehe keinen grundlegenden Widerspruch zwischen Wedanta und Buddhismus.”

       So vergleichen die Wedantisten die Evolution des Menschen gerne mit einem Halsband – jede Perle davon ist eine der physischen Erscheinungen, aufgefädelt am Faden des Geistes. Richtiger jedoch ist es, sich diese Evolution vom Standpunkt der Buddhisten her als komplizierte Zusammensetzung vorzustellen, der mit jeder neuen Erscheinung auf der irdischen Ebene ein neuer Bestandteil hinzugefügt wird, der natürlich diese ganze Zusammensetzung verändert.

       Manch einer lehnt sich auf gegen die Teilung des Menschen in Geist und Materie. Sicherlich, in ihrem letzten Zustand sind Geist und Materie eins (Materie ist kristallisierter Geist); aber auf der Erscheinungsebene oder Differentiation wandelt sich alles, und je näher an der grobstofflichen Sphäre, um so schärfer wird die Differentiation oder Teilung. So ist in der Feurigen Welt Differentiation zwischen Geist und Materie fast unfühlbar, weil Materie der Erscheinung des Lichts bedarf, auf unserer irdischen Ebene erlangt sie jedoch leider eine ungeheuerliche Vergröberung. Die Komplexität des menschlichen Organismus macht es daher in vielen Fällen, um verstanden zu werden, notwendig, zu einer Teilung von Geist und Materie Zuflucht zu nehmen.

       In der irdischen Lebensspanne lebt und wirkt ein feurig entwickeltes menschliches Wesen auf zwei und sogar auf drei Ebenen; für jede Ebene hat es seine eigene entsprechende Hülle, und so ist es natürlich, daß jene Hülle, in der der Mensch auf der höheren Ebene wirkt, entsprechende Eindrücke erhält. Aber diese Schwingungen können wegen ihrer Feinheit nur in den seltensten Fällen vom groben Gehirn aufgenommen werden, weil das Gehirn der Spannung nicht standhalten kann. In Ermangelung entsprechender Begriffe in unserer Terminologie ist es daher üblich, vom Menschen als einem ”Geist“ zu sprechen, wenn er sich in seiner feinstofflichen Hülle offenbart, wohingegen die physische Hülle Materie genannt wird.

       Kennen wir außerdem nicht den KELCH der Aufspeicherungen, der in jeder Inkarnation nur teilweise in Erscheinung tritt? Und sind diese Aufspeicherungen des KELCHES nicht tatsächlich Wissen oder Energieablagerungen um das feurige Geisteskorn? Daher gibt es keine Widersprüche, ob wir nun sagen, daß der Mensch ein unvollkommenes geistiges Wesen ist, oder wenn wir bestimmte Aspekte des menschlichen Komplexes analysieren, so nehmen wir Zuflucht zur Teilung in höhere und niedere Erscheinungen dieses Komplexes.

       Wir wissen, daß der Geist ohne Materie nicht bestehen kann. Wo immer es Sein gibt, gibt es Materie, selbst wenn sie für uns gänzlich unsichtbar wäre. Und der Mensch ist genau ein Komplex von unbegrenzten Abstufungen in der Differentiation eines Elements – GEIST-MATERIE.

       Man muß immer die zwei grundlegenden Beweisführungen des Geheimen Wissens ins Auge fassen, nämlich 1. die Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit Gottes oder des Göttlichen Elements aus dem Universum, und 2. die Einheit des Grundelements Geist-Materie. Alle Mißverständnisse und Irrtümer kommen aus der Nichterkenntnis und der Nichtannahme dieser grundlegenden okkulten Thesen.

       Mit dem neuen Verstehen der Materie seitens der Wissenschaftler und infolge des Interesses an der Gedankenkraft wird die Lehre Buddhas in der kommenden Epoche ihren gebührenden Platz einnehmen. Wirklich, Buddhismus macht keinen Unterschied zwischen der physischen und der psychischen Welt. Die der Gedankentätigkeit zugeschriebene Wirklichkeit ist von derselben Rangordnung wie die Wirklichkeit von Dingen, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen.

       Stehen Sie als Krieger auf der Wacht, und denken Sie an die unvermeidlichen Prüfungen.

       2. Juli 1937

       Das gesamte Universum ist durchdrungen von dem Einen Göttlichen Element, dessen sichtbares und unsichtbares Sein sich in der ewigen nie aufhörenden Bewegung (Atem) offenbart, im ewigen Wechsel und im Entfaltungsprozeß dieses unermeßlichen, unnennbaren, ewiglich unerkennbaren Mysteriums aller Mysterien, alle neuen Differentiationen und Verbindungen hervorbringend.

       Der ganzen Schöpfung liegt ein starker Impuls oder das Streben nach Manifestation zugrunde. Es ist derselbe Impuls oder Durst nach Sein, der den Menschen zum Inkarnieren drängt. In seinem höchsten Aspekt ist es Göttliche Liebe und ebenso sublimierte menschliche Liebe. Im grauen Altertum wurde Kama, der Gott der Liebe, als der höchste Gott verehrt. Liebe ist der höchste Aspekt der Gottheit, und in Liebe und durch Liebe enthüllt sich jede seiner Offenbarungen. Der gesamte Kosmos wird durch den Kosmischen Magneten oder die Göttliche Liebe innerhalb der Seinsordnung aufrechterhalten. So sagen Sie Ihren Freunden, daß Göttliche Liebe alle Welten erschafft.

       Im Göttlichen Bewußtsein gibt es weder einen Anfang noch ein Ende, sondern nur das ewige SEIN. Genauso wie man sich nicht vorstellen kann, daß Unbegrenztheit einen Anfang hätte, so ist es ebenfalls unrichtig, von einem Schöpfungsbeginn zu sprechen. Kann der menschliche Verstand sich nur eines der Großen Manwantaren vorstellen, deren Zahl sich in Unbegrenztheit verliert? Aus der Heiligen Lehre können wir uns eine gewisse Vorstellung machen von der Entstehung unserer Planetenkette; und durch Analogie, mit Hilfe einiger vorhandener Hinweise, können wir versuchen, einen Schatten von dem ganzen Entstehen der Runde eines Sonnensystems zu erhaschen.

       Sie wissen auch, daß während der Zeit eines Pralaya oder der Erneuerung des Planeten oder Sonnensystems die Höchsten Wesenheiten (die Jakobsleiter), die gemeinsam die Kosmische Vernunft und das Schöpferische Element darstellen, Wache stehen und den künftigen Lebenszyklus des Sonnensystems planen. Sie Selbst werden die Hauptexekutoren dieser Pläne sein. Wie sonst könnten alle Legenden über das Pantheon der Götter oder der Avatare und Gottmenschen erklärt werden? In der Tat, das Hierarchische Prinzip ist das kosmische Gesetz, das führende Prinzip. Daher gibt es ein Höchstes Geistiges Wesen oder einen Hierarchen, der für die ganze Runde oder ein bestimmtes Manwantara die Verantwortung trägt. Nach menschlicher Vorstellung wird solch ein Hoher Geist im Sinne eines persönlichen Gottes oder gar Universellen Gottes verstanden.

* * *

       Über psychische Energie möchte ich nachfolgende Aussage aus dem Buch BRUDERSCHAFT zitieren: ”Zweifellos seid ihr oft gefragt worden, wie man die psychische Energie entwickelt und ihren Nutzen erkennt. Jedoch oft ist schon gesagt worden, daß das Herz, das die höhere Lebensqualität anstrebt, der Leiter der psychischen Energie sein wird. Keine gewaltsame, herkömmlich beschleunigte Beweglichkeit zur Entwicklung der Herztätigkeit ist von Nutzen. Das Herz ist ein sehr unabhängiges Organ; man möge ihm die Freiheit zum Guten geben und es wird sich mit Energie füllen. Ebenso können die Früchte der vereinten Energie nur in harmonischer Gemeinschaft sichergestellt werden. Dafür ist es aber unumgänglich zu verstehen, was Übereinstimmung bedeutet” (§ 290).

       So empfehlen Sie Ihren Schülern, im ganzen Leben die Verbesserung der Qualität anzustreben. Dies wird die besten Aufspeicherungen von psychischer Energie ergeben.

       Gefühlswissen nannte man früher Intuition. Gefühlswissen wird aufgebaut aus Aufspeicherung aus früheren Leben und wird im KELCH verwahrt. In der Tat, es ist kein unmittelbares Wissen, sondern Gefühlswissen, weil unser gesamtes Wissen primär auf Gefühl beruht. Es äußert sich stark im ganzen transzendentalen Erleben.

       Gefühlswissen wird zusammen mit der verstärkten Tätigkeit der psychischen Energie erweckt. Wie Sie wissen, ist alles im wechselseitigen Zusammenwirken verwoben und alles hängt voneinander ab.

       6. Juli 1937

       Nun zu Ihren Fragen:

       Selbstmörder halten sich gewöhnlich in den der Erde nächsten Schichten auf, weil sie die sie an die Erde bindende Energie noch nicht ausgelebt haben. Ihr Äther- oder niederer Astralkörper nimmt noch stark an den irdischen Empfindungen teil. Nur bei außerordentlich hohen Geistwesen löst sich diese niedere Hülle auf, solange sie noch irdisch einverleibt sind. Bewußtseinsklarheit dient solcher Verklärung. In der Tat, die der Erde nächstliegende Sphäre ist sehr grobstofflich, doch wenn der Geist während seines irdischen Lebens, wenn auch nur zeitweilig, dem Lichte zustrebte, wird es ihm gelingen (sofern er seinen Willen sammeln und lenken kann), auch in einem solchen Fall den Einfluß der Höheren Kräfte zu finden, und mit ihrer Hilfe kann er seine Lage verbessern. Aber meistens sind es gerade die Selbstmörder, die über die überirdischen Bereiche nicht nachdachten, und so sind sie unfähig zu begreifen, was mit ihnen geschah. War sein Bewußtsein während seines Lebens getrübt, dann wird diese Unklarheit nach der Trennung vom physischen Körper noch verstärkt werden. Das Bewußtsein in seinem höchsten Aspekt, psychische Energie, muß im irdischen Leben sehr klar und aktiv sein, damit die Eindrücke und Ablagerungen der Energien in die Zentren des feinstofflichen Körpers eingeprägt werden können; andernfalls bleibt nach dem Wechsel der Hüllen die menschliche Essenz in der Feinstofflichen Welt in einem Schlummerzustand.

       Psychische Energie ist beim Hinübergehen oder beim Wechsel von einem in den anderen Zustand absolut notwendig. Unsere psychische Energie trägt uns in jene Sphäre, die unseren Aufspeicherungen entspricht, und je stärker das Streben eines Geistes vor dem Tod ist, um so höher wird er aufsteigen. Und falls der fundamentale Vorrat und die Qualität seiner psychischen Energie es dem Geist nicht gestattet, sich in den höheren Sphären aufzuhalten, wohin ihn die letzte mächtige Woge trug, so wird er, wenn er sich dann in der seinen geistigen Errungenschaften entsprechenden Sphäre aufhält, dennoch jene geistige Erhebung für immer im Gedächtnis behalten. Das ist der Grund, warum man im Altertum um den letzten Augenblick auf Erden so besorgt war und versuchte, ihn freudvoll zu gestalten und zum Schönsten zu lenken. Jedoch die unglückseligen Selbstmörder unterbinden gerade den Strom ihrer psychischen Energie. Die Verzweiflung, die sie zu dieser Wahnsinnstat trieb, verursachte den totalen Abfluß der psychischen Energie, und daher wird sie der Macht der irdischen Anziehung ausgeliefert. Ihre Seelenqualen und Leiden werden bis zum Zeitpunkt des vorgesehenen Todes andauern. In Ausnahmefällen, sofern das Bewußtsein durch die schreckliche Verkettung der Umstände nur vorübergehend getrübt war, können diese Unglückseligen sich an das Licht erinnern und so in sich ausreichend Kraft entfalten, um sich der Höheren Hilfe zuzuwenden und nach Sühne zu streben. Daher wird ein inniges Gebet des Herzens an die Kräfte des Lichts für diese Gebrochenen nicht ohne Echo bleiben, vorausgesetzt jedoch, daß sie selbst danach streben, sich im Geiste zu erheben.

       Sicherlich, die niederen Wesenheiten unter den Selbstmördern können alle Art von Exzessen ausführen. Vampirismus ist kein seltenes Vorkommnis; die nicht ausgelebten, noch nicht umgewandelten Energien zerren sie mit starker Kraft zu den irdischen Empfindungen.

       Alles, was im KELCH DES OSTENS gesagt ist, beruht auf Wahrheit. Die Abtrennung der Monade bedeutet Verlust des Erinnerungsvermögens der Persönlichkeit, nicht jedoch der Individualität. Dagegen ist eine endgültige Abtrennung der Monade oder von den anderen Prinzipien des Menschen wirklich ein schreckliches Geschehen, das Ärgste was passieren kann, denn sie versperrt der Individualität die Evolution für viele Jahrtausende. Solch eine Monade wird sich ein neues Vehikel oder einen Leiter für sich aufbauen müssen und ist gezwungen, von neuem die ganzen niederen Formen zu durchschreiten.

       Sie wollen etwas über den Tod wissen oder besser über den Zustandswechsel. Darüber gibt es so viele Hinweise in den BÜCHERN DER LEBENDIGEN ETHIK. Welcher scheint Ihnen nicht klar genug? Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß man ernsthaft daran denken muß, daß die Qualität und die Dimensionen des irdischen Zustandes zur Klarheit des Bewußtseins in der Feinstofflichen Welt beitragen. Was immer hier noch nicht erkannt wird, wird auch in der Feinstofflichen Welt nicht erkannt werden. Schlummernde Bewußtseine bleiben solche auch in der Feinstofflichen Welt. Wir erlangen neue Energien für die Umwandlung nur durch Erwerb von Wissen hier auf Erden. Daher ist jedes Streben nach Wissen, jede Aufspeicherung besonders wichtig.

       Wenn wir hier auf Erden in unserem Ego nicht ein unwiderstehliches Sehnen nach Wissen einlagern, woher soll es in der Feinstofflichen Welt kommen? Hier herrschen Gedanken-Schaffenskraft und Geist-Schaffenskraft. Aber ist diese Gedanken-Schaffenskraft leicht? Denken muß man zuerst hier auf Erden lernen; denn es ist unmöglich, in der Feinstofflichen Welt jene Fähigkeit zu erwerben, die wir in unserem irdischen Leben mißachtet haben.

       Nach allem, was oben gesagt ist, dürfte Ihnen nun die fundamentale und entscheidende Rolle der Verfeinerung der psychischen Energie für den Körperwechsel verständlich sein.

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