Die Pflanzenschrift und ihre Offenbarungen
von Jagadis Chunder Bose
X. KAPITEL
EIGENBEWEGUNG
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Fig. 40. Blatt von Desmodium gyrans. Die zwei kleinen seitlichen Blättchen führen spontane Bewegungen aus. |
Es ist gezeigt worden, daß die Pflanze selbst auf ganz schwache Reize eine Antwort gibt. Wie beim Tier, so kann auch bei der Pflanze jede solche Reaktionsbewegung auf eine bestimmte Ursache zurückgeführt werden, denn sie ist durch einen äußeren Reiz verursacht. Es gibt nun aber andere Bewegungserscheinungen, die noch rätselhafter sind, da sie anscheinend ohne jede Ursache ausgeführt werden. Es scheint beispielsweise, als ob das Herz ganz von selbst schlägt. Einer raschen Kontraktion des Herzens folgt eine Expansion, und solange das Leben dauert, hält dieser Rhythmus spontan an. Man pflegt diese automatischen Bewegungen auf unbekannte und rätselhafte, innere Ursachen zurückzuführen. Wie ist das Rätsel dieser autonomen Eigenbewegung zu lösen?
Wiewohl solche autonome Bewegungen gewöhnlich an das tierische Leben gebunden erscheinen, finden sich doch ähnliche Fälle aktiver Beweglichkeit auch bei der Pflanze. Ein Beispiel dafür gibt uns die Telegraphen-Pflanze, Desmodium gyrans, die in den Ebenen des Ganges wild wächst. Sicherlich kann uns kaum eine Erscheinung mehr in Staunen versetzen als die unablässige, aktive Tätigkeit der Blättchen dieser Pflanze. Ihr zusammengesetztes Blatt hat drei Blättchen, ein großes Endblättchen und zwei kleine seitliche (Fig. 40). Die kleinen Blättchen bewegen sich auf und nieder wie ein Semaphor, der früher bei der telegraphischen Signalgebung verwendet wurde. An einem warmen Tag schwingen die Blättchen beständig auf und ab, und in Indien glauben die Eingeborenen, daß die Blättchen, wenn man mit dem Finger schnalzt, danach tanzen. In Wirklichkeit brauchen sie keine solche Aufmunterung, denn ein kleines Gelenkpolster am Grund der Blättchen erfährt ganz von selbst eine plötzliche Kontraktion, der eine langsame Expansion und Rückkehr in den Anfangszustand folgt.
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Fig. 41. Zusammenhängende Aufzeichnung der Pulsationsbewegung der Desmodium-blättchen während vier Stunden. |
Es ist mir gelungen, die Blättchen ihre Pulsa-tionsbewegungen zusammenhängend durch mehr als 24 Stunden in einem Zuge aufzeichnen zu lassen. Die Kurve für vier Stunden gibt Figur 41 wieder. Der außerordentlich gleichförmige Verlauf dieser Pulsationskurven ist in der Tat sehr bemerkenswert.
AUTONOMES PULSIEREN BEIM TIER UND BEI DER PFLANZE
Die Ähnlichkeit zwischen den autonomen Pulsationen der Blättchen der Telegraphenpflanze und denen des tierischen Herzens springt in die Augen. Ist die Übereinstimmung bloß eine oberflächliche oder geht die Ähnlichkeit tiefer? Läge ein Fall wirklicher Übereinstimmung vor, so wäre zu erwarten, daß Änderungen in den äußeren Bedingungen beide Vorgänge in gleicher Weise beeinflussen.
Die Reaktionen der Gewebe des Herzens, die am Herzen vom Frosch und anderen Tieren studiert worden sind, sind so beschaffen, daß der Innendruck eine gewisse Höhe erreichen muß, damit die Pulsation in Gang kommt. Dies wird besonders deutlich in der Erneuerung der Pulsations-bewegung im ruhenden Herz der Schnecke beim Ansteigen des inneren Druckes.
Ähnlich kommen die Pulsationen der Desmodium-blättchen bei Verminderung des innern hydrostatischen Druckes zum Stillstand, wenn der Pflanze der Nachschub von Wasser erschwert wird. Begießen läßt die Pulsation von neuem eintreten (Fig. 42).
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Fig. 42. Wirkung der Bewässerung und der Trockenheit auf die Pulsationsbewegungen von Desmodium. Links normale Pulsationen; in der Mitte Stillstand der Bewegung infolge Trockenheit; rechts Wiederaufleben der Pulsation nach dem Begießen. |
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Fig. 43. Die Wirkung von Ätherdampf. |
Unter der Wirkung der Anästhetika kommt der Herzschlag zum Stillstand. Die obige Kurve (Fig. 43) zeigt die Unterbrechung der Pulsation der Telegraphenpflanze unter der Wirkung von Ätherdampf. Wie man sieht, war die Bewegung allmählich zum Stillstand gekommen. Der Ätherdampf wurde nun schnell entfernt und frische Luft in die Versuchskammer eingeführt; die Pflanze erwachte nach annähernd einer Viertelstunde und nahm ihre normale Pulsationsbewegung wieder auf.
ANTAGONISTISCHE WIRKUNG VON GIFTEN
Es gibt noch zahlreiche andere Übereinstimmungen zwischen den selbsttätigen Pulsationen tierischer und pflanzlicher Gewebe, von denen wir in einem späteren Kapitel sprechen werden. Ich will hier gewisse antagonistische Reaktionen beschreiben, die sich unter der Wirkung von Giften einstellen. Giftige Säuren z. B. bringen die Pulsationen des Herzens zum Stillstand, aber der Stillstand erfolgt in diesem Falle in der Diastole, der Expansion. Alkalische Gifte können den Herzschlag gleichfalls stilllegen, doch in entgegengesetzter Weise, nämlich im Zustand der Systole, der Kontraktion. Daß die Wirkung dieser zwei Gifte antagonistisch ist, läßt sich ferner aus der Tatsache ersehen, daß der Herzschlag, wenn er durch das eine Gift stillgelegt ist, durch Behandlung mit dem ändern wieder belebt werden kann. Das ist ein merkwürdiges Beispiel dafür, daß ein Gift als Gegengift eines anderen wirken kann,
Es ist erstaunlich, ganz die gleichen Reaktionen auch bei Desmodium zu entdecken. Giftige Säuren legen die Pulsation in der Diastole still, während alkalische Gifte gleiches in der Systole bewirken. Schließlich kann auch hier der Stillstand, den das eine von jenen Giften bewirkt hat, durch die antagonistische Wirkung des anderen wieder behoben werden.
Diese Versuche beweisen überzeugend, daß der Pulsa-tionsmechanismus beim Tier und bei der Pflanze im Grunde wesensgleich ist. Doch die Frage bleibt bestehen: was ist wohl die Ursache jener autonomen Bewegungen?
DIE ENTDECKUNG VON VERBINDUNGSGLIEDERN
Wir haben uns bisher mit der einzelnen Reaktionsbewegung auf einen Einzelreiz hin beschäftigt; und nun finden wir, daß es eine scharf gekennzeichnete Klasse von Erscheinungen gibt, wo Bewegungen scheinbar ohne Ursache stattfinden. Besteht eine Kluft zwischen diesen zwei Erscheinungsklassen oder gibt es ein verbindendes Glied, dessen Entdeckung vielleicht zu einer Erklärung jener geheimnisvollen autonomen Bewegungen führen könnte?
Solche verbindende Glieder habe ich auffinden können in den Pflanzen Biophytum sensitivum und Averrhoa Carambola. Biophytum wächst als Unkraut in der Umgebung von Calcutta. Seine reizbaren Blätter, die in zwei langen Reihen an dem Blattstiel stehen, führen bei Erregung eine jähe Bewegung aus. Averrhoa ist ein großer Baum, dessen Blättchen gleichfalls reizbar sind. Sie sind ähnlich angeord net wie die Blättchen vom Biophytum, nämlich in zwei Reihen an einem langen Blattstiel. Die Blättchen sind horizontal ausgebreitet. Sowohl bei Biophytum wie bei Averrhoa senkt sich jedes Blättchen, wenn es von einem Reiz irgendwelcher Art getroffen wird, nach abwärts, worauf die Rückbewegung erfolgt. Der Impuls, den starke Erregung eines Blättchens bewirkt, kann auf die benachbarten ausstrahlen, und wir haben dann den merkwürdigen Anblick einer wellenförmig sich ausbreitenden Bewegung aller sensitiven Blättchen.
MEHRFACHE REAKTION
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Fig. 44. Reaktion von Biophytum-Blättchen auf Reize von der Intensität 0,1; 0,5; l und 2. Auf den letzteren Reiz erfolgt mehrfache Reaktion. |
Biophytum und Averrhoa zeigen charakteristische Reaktionen von ausgesprochener Ähnlichkeit. Um Wiederholungen zu vermeiden, will ich bei Biophytum die Reaktionen, die sich bei steigender Reizintensität einstellen, im einzelnen beschreiben. Ich unterwarf ein einzelnes Blättchen elektrischer Reizung von steigender Intensität; ich ging von 1/20 einer Einheit auf 1/10, 5/10 und dann auf eine und auf zwei Einheiten. Bei 1/20 antwortete die Pflanze nicht, doch als der Reiz auf 1/10 erhöht wurde, erhielt ich eine deutliche Reaktion. Wenn die Intensität auf eine Einheit stieg, war die Reaktion genau die gleiche. Somit zeigen die Biophytum-Blättchen Reaktionen nach dem "Alles oder Nichts"-Prinzip. Sie reagieren entweder ganz stark oder gar nicht.
Man sieht, daß eine Einheit keine stärkere Reaktion hervorrief, als ein Reiz von zehnmal geringerer Stärke. Was geschah mit dem Überschuß von Energie, der in der Form des stärkeren Reizes einwirkte? Es ist nicht notwendig anzunehmen, daß immer die ganze absorbierte Reizmenge aufgewandt wird, um die Bewegung hervorzubringen; ein Teil könnte als Wärme verloren gehen. Aber andererseits ist es doch auch denkbar, daß der Überschuß für die Zukunft aufbewahrt wird um sich erst dann nach außen hin auszuwirken. Um einen physikalischen Vergleich zu gebrauchen, es kann die Energie, die in einer zusammengedrückten Feder gespeichert ist, wenn man diese frei gibt, zu wiederholten Hin- und Herbewegungen Anlaß geben. Die Frage erhebt sich, ob nicht eine gleichartige Speicherung von Energie in dem Blättchen von Biophytum nach starker Reizung stattfinden könnte. Wäre dies der Fall, so könnte der Energieüberschuß gespeichert und aufbewahrt werden, ohne für den Beobachter direkt wahrnehmbar zu sein; die gespeicherte Energie könnte trotzdem später Ausdruck finden in der Form rhythmischer oder wiederholter Bewegungen. Daß dies nun in der Tat der Fall ist, ersieht man aus der Reaktion auf einen Reiz, der die Stärke von zwei Einheiten hat. Wir finden hier, daß ein einzelner starker Reiz nicht eine einzelne, sondern eine mehrfach wiederkehrende Reaktion auslöst (Fig. 44).
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Fig. 45. Mehrfache Reaktion von Averrhoa auf einen einzigen starken elektrischen Reiz. |
Solche mehrfache Reaktionen erfolgen unter der Wirkung starker Reizung verschiedener Art, sei es ein mechanischer Schlag, ein elektrischer Reiz, ein Wärmereiz, starke Lichtbestrahlung oder chemische Reizung. Die Dauer der wiederholten Bewegungen hängt weiter ab von der Energiemenge, die der Pflanze mit dem Reiz zugeführt worden ist, da ein mäßiger Reiz zu wenigen, ein starker oder langdauernder Reiz zu zahlreichen wiederkehrenden Pulsationen Anlaß gibt (Fig. 45). Die Reaktion klingt also nach wie ein Echo. Es besteht eine Analogie mit den Vibrationen, die eine tönende Stimmgabel ausführt; wird diese leicht gestrichen, so vibriert und ertönt sie nur kurze Zeit, wird sie durch einen starken Schlag heftig erregt, so gibt sie einen langdauernden Klang.
HALBAUTONOME BEWEGUNGEN
Unter natürlichen Bedingungen ist die Pflanze dem Einfluß verschiedener Reize ausgesetzt, die von der Umgebung her einwirken. Sie ist der Wärme ausgesetzt, der Wirkung des Lichtes, dem mechanischen Reiz der Luftströmungen und verschiedenen chemischen Einflüssen von innen und von außen her. Aus der vereinigten Wirkung dieser äußeren, erregenden Kräfte speichert sich die Pflanze eine Energiemenge, groß genug, einen Überfluß an Erregung zu erzeugen. Es war der Mangel an hinreichend eindringender Analyse in der bisherigen Naturgeschichte der Pflanze, der zur Annahme führte, daß diese Bewegungen durch die Pflanze selbst bewirkt seien. Die inneren Reize, worauf solche Eigenbewegungen beruhen, sind in Wahrheit äußere Reize, die von der Pflanze gleichsam eingefangen worden sind.
Wir können herkömmlicher Weise die Pflanzen in zwei Klassen teilen, in gewöhnliche und selbstbewegliche. Bio-phytum kommt unter normalen Bedingungen in die erste Kategorie, denn es gibt auf einen einzelnen mäßigen Reiz eine einzelne Reaktionsbewegung. Aber auf starke Reizung gibt es mehrfache Reaktion, die dem Anschein nach selbsttätig ist. Es gibt somit einen Übergang zwischen gewöhnlichen und selbstbeweglichen Pflanzen.
Laßt uns nun sehen, ob eine ausgesprochen mit Eigenbewegung begabte Pflanze auf den Zustand einer gewöhnlichen Pflanze gebracht werden kann, und ob es die gespeicherte Energie ist, welche Desmodium befähigt, Spontanbewegungen auszuführen. Ich nahm eine Desmodium-pflanze und schloß sie von Energiereizen aus der Umwelt ab. Erschöpfung ihres Energievorrats brachte bald die Pulsationsbewegung zum Stillstand. Frische Zufuhr von Energie führte darauf zu erneuter Pulsation; ein leichter Reiz bewirkte eine einzelne Bewegung; ein stärkerer Reiz gab Anlaß zu einer Reihe wiederholter Bewegungen. Wurde die Pflanze wieder der normalen Reizung aus der Umgebung ausgesetzt, so erlangte sie ihre autonome Beweglichkeit wieder.
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Fig. 46. Allmählicher Stillstand der Pulsationsbewegungen von Desmodium nach der Erschöpfung der gespeicherten Energie. |
Es ist also die gespeicherte Energie, die übersprudelt in nach außen hin sichtbarer Spontanbewegung. Diese Tatsache wirft eine Flut von Licht auf mannigfache Bewegungserscheinungen, die bis jetzt als unverständlich galten. Wenn ein gesundes Kind getrunken und geschlafen hat, dann strampelt es mit den Händchen und Beinchen rhythmisch im Takt und dies ist ein Ausdruck von überflutendem Lebensgefühl. Ähnliches sieht man bei größeren Kindern, wenn sie in froher Stimmung umhertanzen - eine rhythmische Tätigkeit par excellence. Wiederum ist man oft verblüfft über die lange Reihe von Zickzack-Schnörkeln, die gewisse Unterschriften zieren. Diese wiederholt rhythmische Äußerung ist wahrscheinlich wohl ein Ausdruck von überflutendem Selbstgefühl!
RHYTHMISCHE EMPFINDUNGEN
Diese mehrfache Reaktion ist nicht allein kennzeichnend für gröbere mechanische Bewegungen, sondern sie begegnet uns in gleicher Weise auch im Reiche der feineren Empfindungen.
Denken wir einen Moment an die Wirkung, die starke Lichtreizung auf unsere Netzhaut übt. Wir schauen einen Augenblick auf den weißglühenden Faden einer Glühbirne und schließen dann die Augen. Selbst nach dem Aufhören des Reizes dauert die Nachwirkung des Lichts in Form einer Reihe starker Gesichtsempfindungen fort, indem der helle Faden längere Zeit hindurch abwechselnd erscheint und verschwindet. Daraus folgt, daß der intensive Lichtreiz eine mehrfache Empfindungsreaktion verursacht hat.
Dasselbe gilt in ähnlicher Art für alle Formen seelischer Reizung. Sind solche sehr intensiv, so können sie sich wiederholen und sie können sich chronisch festsetzen. Es ist dann ein vergebliches Beginnen, wenn wir den wiederkehrenden Vorstellungen zu entrinnen suchen. Wir werden verfolgt von unseren eigenen Gedanken und selbst in unseren Träumen lassen sie uns nicht los. Gleich anderen Formen der lebenden Materie ist eben das Nervensystem auf diesen Ton gestimmt, gezwungen mit verstärkter Reaktion auf eben den Reiz zu antworten, von dem es getroffen wurde. Es ist da das gleiche wie bei der kumulativen Wirkung wiederholter Reizung bei der Pflanze, daß nämlich die Tätigkeit des Nervensystems schließlich von selbst erfolgt, wie wir dies ja auch sonst bei so vielen Vorgängen, vom Auftauchen neuer Gedanken bis zur "Inspiration" sehen können.
VORÜBERGEHENDE UND DAUERNDE SPONTANEITÄT
Die Dauer der Pulsationstätigkeit nach dem Aufhören äußerer Reizung hängt davon ab, wie groß die Speicherfähigkeit ist. In dieser Hinsicht finde ich bei den Pflanzen zwei deutlich verschiedene Typen ausgeprägt. Bei dem einen beginnt das Überfluten schon bei recht geringer Speicherung; und hier kommt die anormale Entfaltung wiederholter Reaktionsbewegungen auch bald wieder zum Stillstand. Um Pflanzen dieses Typs bei rhythmischer Bewegung zu erhalten, ist konstante Reizzufuhr von außen her nötig. Pflanzen dieser Art sind extrem abhängig von äußeren Einflüssen, und wenn die Quellen der Reizung versiegen, findet die Bewegung gar bald ein trauriges Ende. Biophytum ist ein Beispiel dieser Art. Beim zweiten Typus selbstbeweglicher Pflanzen ist eine lang fortgesetzte Speicherung erforderlich, bevor ein Überfluten beginnen kann. Doch in diesem Fall ist die Spontanbewegung beständig und von langer Dauer, selbst wenn der Pflanze jede direkt wirkende Reizquelle entzogen wird. Solche Pflanzen sind daher nicht so unmittelbar abhängig von der Gunst der äußeren Umstände. Desmodium liefert ein Beispiel für diesen Typ.
Haben wir da nicht eine deutliche Parallele zu einer gewissen Erscheinung, die bei Schriftstellern und Künstlern als Inspiration bekannt ist? Um diesen gesteigerten Zustand herbeizuführen ist es gleichfalls nötig, für die folgende Aufwallung erst Kräfte zu speichern. Inspiration ist eben ein Beispiel von Fülle und Lebensüberfluß ohne sichtbare Anstrengung. - Ist dies so, dann mögen jene, die diesen Zustand erstreben, wohl bedenken, in wessen Fußstapfen sie treten wollen, - in jene von Biophytum mit seiner unmittelbaren Abhängigkeit von der Gunst der Außenumstände und seiner kurz bemessenen Tätigkeit, oder in jene von Desmodium mit dem charakteristischen Zug von Geduld und langdauernder Speicherung der Kräfte, die nachher zu ununterbrochenem, beständigem Ausdruck gelangen.
Bei der Pflanze wie beim Tier ist nun also ein stetiger Übergang der Reaktionsweisen aufgedeckt, von einmaliger über mehrfache zu beständig-autonomer Reaktion. Eine schwache oder mäßige Reizung ruft eine einzelne Bewegung hervor, sei diese nun mechanischer oder seelischer Art. Starke Reizung hinwieder gibt Anlaß zu mehrfacher Reaktion in mannigfacher Form. Der Energieüberschuß infolge der Aufnahme von Umweltreizen führt zum Übersprudeln und tritt in spontan-rhythmischer Bewegung zu Tage. Diese erscheint in verschiedener Form, als Pulsation der Desmodiumblättchen, als Pochen des Herzens und anderseits als Nachklingen der Empfindungen und der Gedanken.
Der lebende Organismus kann vom einen Gesichtspunkte aus einfach als eine Maschine betrachtet werden. Doch um diese lebende Maschine am Werk zu erhalten auf all ihren verschlungenen wunderbaren Wegen - von mechanischer Bewegung über Organempfindungen zu schöpferischen Gedanken - ist doch noch etwas mehr nötig als mechanische Perfektion. Sie kann nur dann lebensvoll pulsieren, wenn sie in ständiger Verbindung mit all den Kräften des umgebenden Universums steht.